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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Undine weinte still, aber bitterlich, die alten Leu-
te klagten ihr laut nach. Es schien, als seie
diesen eine Ahnung aufgegangen, von dem, was
sie eben jetzt an der holden Pflegetochter ver-
loren.

Die drei Reisenden waren schweigend in
die dichtesten Schatten des Waldes gelangt. Es
mochte hübsch anzusehen sein, in dem grünen
Blättersaal, wie die schöne Frauengestalt auf
dem edlen, zierlich geschmückten Pferde, saß, und
von einer Seite der ehrwürdige Priester in sei-
ner weißen Ordenstracht, von der andern der
blühende junge Ritter in bunten hellen Kleidern,
mit seinem prächtigen Schwerdte umgürtet, acht-
sam beiher schritten. Huldbrand hatte nur Au-
gen für sein holdes Weib; Undine, die ihre lie-
ben Thränen getrocknet hatte, nur Augen für
ihn, und sie geriethen bald in ein stilles, lautlo-
ses, Gespräch mit Blicken und Winken, aus dem
sie erst spät durch ein leises Reden erweckt wur-
den, welches der Priester mit einem vierten Rei-

Undine weinte ſtill, aber bitterlich, die alten Leu-
te klagten ihr laut nach. Es ſchien, als ſeie
dieſen eine Ahnung aufgegangen, von dem, was
ſie eben jetzt an der holden Pflegetochter ver-
loren.

Die drei Reiſenden waren ſchweigend in
die dichteſten Schatten des Waldes gelangt. Es
mochte huͤbſch anzuſehen ſein, in dem gruͤnen
Blaͤtterſaal, wie die ſchoͤne Frauengeſtalt auf
dem edlen, zierlich geſchmuͤckten Pferde, ſaß, und
von einer Seite der ehrwuͤrdige Prieſter in ſei-
ner weißen Ordenstracht, von der andern der
bluͤhende junge Ritter in bunten hellen Kleidern,
mit ſeinem praͤchtigen Schwerdte umguͤrtet, acht-
ſam beiher ſchritten. Huldbrand hatte nur Au-
gen fuͤr ſein holdes Weib; Undine, die ihre lie-
ben Thraͤnen getrocknet hatte, nur Augen fuͤr
ihn, und ſie geriethen bald in ein ſtilles, lautlo-
ſes, Geſpraͤch mit Blicken und Winken, aus dem
ſie erſt ſpaͤt durch ein leiſes Reden erweckt wur-
den, welches der Prieſter mit einem vierten Rei-

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[91/0105] Undine weinte ſtill, aber bitterlich, die alten Leu- te klagten ihr laut nach. Es ſchien, als ſeie dieſen eine Ahnung aufgegangen, von dem, was ſie eben jetzt an der holden Pflegetochter ver- loren. Die drei Reiſenden waren ſchweigend in die dichteſten Schatten des Waldes gelangt. Es mochte huͤbſch anzuſehen ſein, in dem gruͤnen Blaͤtterſaal, wie die ſchoͤne Frauengeſtalt auf dem edlen, zierlich geſchmuͤckten Pferde, ſaß, und von einer Seite der ehrwuͤrdige Prieſter in ſei- ner weißen Ordenstracht, von der andern der bluͤhende junge Ritter in bunten hellen Kleidern, mit ſeinem praͤchtigen Schwerdte umguͤrtet, acht- ſam beiher ſchritten. Huldbrand hatte nur Au- gen fuͤr ſein holdes Weib; Undine, die ihre lie- ben Thraͤnen getrocknet hatte, nur Augen fuͤr ihn, und ſie geriethen bald in ein ſtilles, lautlo- ſes, Geſpraͤch mit Blicken und Winken, aus dem ſie erſt ſpaͤt durch ein leiſes Reden erweckt wur- den, welches der Prieſter mit einem vierten Rei-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/105>, abgerufen am 06.05.2024.