Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

stellt. Jn der Breite und Tiefe aber, in dem Volks-
sinn gähren die Elemente, aus welcher sich die
Form, dem Strahle gleich, immer enger und enger
zuspitzt. Frau von Stael kannte das Volk nicht,
von dem sie schrieb, konnte es nicht kennen. Sie
interessirte auch nur die literärische Verschiedenheit
mit Frankreich. Der Stempel, das Patent, was
die Zeit gleichsam deutscher Gelehrsamkeit aufge-
drückt hatte, frappirte sie. Einen lebendigen Geist
wird das Große nicht lange kalt lassen, Frau von
Stael ist wahrhaft ergriffen von dem Umfang der
Gewalt, Kühnheit und Magie deutscher Literatur,
ob sie gleich wohl glaubt, Noth und Mangel ha-
ben diesen Reichthum erzeugt, wie Hunger und
Durst und beschnittene Flügel den Raben sprechen
lehren, denn ganz ausdrücklich sagt die Verfasserin
in dem Werk über Deutschland:

"il n'est point de pays qui ait plus besoin
que l'Allemagne, de s'occuper de lite-
rature, car la societe y offrant peu de
charme et les individus n'ayant pas pour
la pluspart cette grace et cette vivacite

ſtellt. Jn der Breite und Tiefe aber, in dem Volks-
ſinn gaͤhren die Elemente, aus welcher ſich die
Form, dem Strahle gleich, immer enger und enger
zuſpitzt. Frau von Stael kannte das Volk nicht,
von dem ſie ſchrieb, konnte es nicht kennen. Sie
intereſſirte auch nur die literaͤriſche Verſchiedenheit
mit Frankreich. Der Stempel, das Patent, was
die Zeit gleichſam deutſcher Gelehrſamkeit aufge-
druͤckt hatte, frappirte ſie. Einen lebendigen Geiſt
wird das Große nicht lange kalt laſſen, Frau von
Stael iſt wahrhaft ergriffen von dem Umfang der
Gewalt, Kuͤhnheit und Magie deutſcher Literatur,
ob ſie gleich wohl glaubt, Noth und Mangel ha-
ben dieſen Reichthum erzeugt, wie Hunger und
Durſt und beſchnittene Fluͤgel den Raben ſprechen
lehren, denn ganz ausdruͤcklich ſagt die Verfaſſerin
in dem Werk uͤber Deutſchland:

„il n’est point de pays qui ait plus besoin
que l’Allemagne, de s’occuper de lite-
rature, car la societé y offrant peu de
charme et les individus n’ayant pas pour
la pluspart cette grace et cette vivacité
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="15"/>
&#x017F;tellt. Jn der Breite und Tiefe aber, in dem Volks-<lb/>
&#x017F;inn ga&#x0364;hren die Elemente, aus welcher &#x017F;ich die<lb/>
Form, dem Strahle gleich, immer enger und enger<lb/>
zu&#x017F;pitzt. Frau von Stael kannte das Volk nicht,<lb/>
von dem &#x017F;ie &#x017F;chrieb, konnte es nicht kennen. Sie<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;irte auch nur die litera&#x0364;ri&#x017F;che Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
mit Frankreich. Der Stempel, das Patent, was<lb/>
die Zeit gleich&#x017F;am deut&#x017F;cher Gelehr&#x017F;amkeit aufge-<lb/>
dru&#x0364;ckt hatte, frappirte &#x017F;ie. Einen lebendigen Gei&#x017F;t<lb/>
wird das Große nicht lange kalt la&#x017F;&#x017F;en, Frau von<lb/>
Stael i&#x017F;t wahrhaft ergriffen von dem Umfang der<lb/>
Gewalt, Ku&#x0364;hnheit und Magie deut&#x017F;cher Literatur,<lb/>
ob &#x017F;ie gleich wohl glaubt, Noth und Mangel ha-<lb/>
ben die&#x017F;en Reichthum erzeugt, wie Hunger und<lb/>
Dur&#x017F;t und be&#x017F;chnittene Flu&#x0364;gel den Raben &#x017F;prechen<lb/>
lehren, denn ganz ausdru&#x0364;cklich &#x017F;agt die Verfa&#x017F;&#x017F;erin<lb/>
in dem Werk u&#x0364;ber Deut&#x017F;chland:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">&#x201E;il n&#x2019;est point de pays qui ait plus besoin<lb/>
que l&#x2019;Allemagne, de s&#x2019;occuper de lite-<lb/>
rature, car la societé y offrant peu de<lb/>
charme et les individus n&#x2019;ayant pas pour<lb/>
la pluspart cette grace et cette vivacité<lb/></hi> </quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0017] ſtellt. Jn der Breite und Tiefe aber, in dem Volks- ſinn gaͤhren die Elemente, aus welcher ſich die Form, dem Strahle gleich, immer enger und enger zuſpitzt. Frau von Stael kannte das Volk nicht, von dem ſie ſchrieb, konnte es nicht kennen. Sie intereſſirte auch nur die literaͤriſche Verſchiedenheit mit Frankreich. Der Stempel, das Patent, was die Zeit gleichſam deutſcher Gelehrſamkeit aufge- druͤckt hatte, frappirte ſie. Einen lebendigen Geiſt wird das Große nicht lange kalt laſſen, Frau von Stael iſt wahrhaft ergriffen von dem Umfang der Gewalt, Kuͤhnheit und Magie deutſcher Literatur, ob ſie gleich wohl glaubt, Noth und Mangel ha- ben dieſen Reichthum erzeugt, wie Hunger und Durſt und beſchnittene Fluͤgel den Raben ſprechen lehren, denn ganz ausdruͤcklich ſagt die Verfaſſerin in dem Werk uͤber Deutſchland: „il n’est point de pays qui ait plus besoin que l’Allemagne, de s’occuper de lite- rature, car la societé y offrant peu de charme et les individus n’ayant pas pour la pluspart cette grace et cette vivacité

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/17
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Ueber deutsche Geselligkeit. Berlin, 1814, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_geselligkeit_1814/17>, abgerufen am 23.11.2024.