Glaube, daß sich das Aechte von selbst em- pfehle, und es mehr mit dem Sein als mit dem Scheine halte. Die vielen großen Worte erbittern, neben der Langenweile, welche sie ohnehin erregen. Man vergiebt es Nieman- den, der mehr sein will, als er ist. Und wenn vollends Frauen so viel Wesen von dem machen, was, wie ein Mayenlüftchen, nur den Frühling ihrer Jugend beseelt, sie mit den Jahren aber, wie jede andere ver- schönernde Zugabe des Daseins, verläßt: so verwirren sie nur den Eindruck, welchen Na- tur und Wahrheit stets ungetrübt erweckte.
Reiner, an das Herz gehender Gesang, eine volle, geschmeidige Stimme, Grazie und Sicherheit des Vortrages, harmonische Be- gleitung der Saiten-Jnstrumente, bezaubern das Ohr, rühren an das Jnnere der Brust, auch ohne jene Virtuosität, zu deren Er- langung oft das Opfer vieler Jahrhunderte erfordert wird.
Warum verschmäht man die ruhige Ein- fachheit, welche gern, ja fast von selbst die Begleiterin der Frauen ist, blos der gefeierten
Glaube, daß ſich das Aechte von ſelbſt em- pfehle, und es mehr mit dem Sein als mit dem Scheine halte. Die vielen großen Worte erbittern, neben der Langenweile, welche ſie ohnehin erregen. Man vergiebt es Nieman- den, der mehr ſein will, als er iſt. Und wenn vollends Frauen ſo viel Weſen von dem machen, was, wie ein Mayenluͤftchen, nur den Fruͤhling ihrer Jugend beſeelt, ſie mit den Jahren aber, wie jede andere ver- ſchoͤnernde Zugabe des Daſeins, verlaͤßt: ſo verwirren ſie nur den Eindruck, welchen Na- tur und Wahrheit ſtets ungetruͤbt erweckte.
Reiner, an das Herz gehender Geſang, eine volle, geſchmeidige Stimme, Grazie und Sicherheit des Vortrages, harmoniſche Be- gleitung der Saiten-Jnſtrumente, bezaubern das Ohr, ruͤhren an das Jnnere der Bruſt, auch ohne jene Virtuoſitaͤt, zu deren Er- langung oft das Opfer vieler Jahrhunderte erfordert wird.
Warum verſchmaͤht man die ruhige Ein- fachheit, welche gern, ja faſt von ſelbſt die Begleiterin der Frauen iſt, blos der gefeierten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0083"n="79"/>
Glaube, daß ſich das Aechte von ſelbſt em-<lb/>
pfehle, und es mehr mit dem Sein als mit<lb/>
dem Scheine halte. Die vielen großen Worte<lb/>
erbittern, neben der Langenweile, welche ſie<lb/>
ohnehin erregen. Man vergiebt es Nieman-<lb/>
den, der mehr ſein will, als er iſt. Und<lb/>
wenn vollends Frauen ſo viel Weſen von<lb/>
dem machen, was, wie ein Mayenluͤftchen,<lb/>
nur den Fruͤhling ihrer Jugend beſeelt, ſie<lb/>
mit den Jahren aber, wie jede andere ver-<lb/>ſchoͤnernde Zugabe des Daſeins, verlaͤßt: ſo<lb/>
verwirren ſie nur den Eindruck, welchen Na-<lb/>
tur und Wahrheit ſtets ungetruͤbt erweckte.</p><lb/><p>Reiner, an das Herz gehender Geſang,<lb/>
eine volle, geſchmeidige Stimme, Grazie und<lb/>
Sicherheit des Vortrages, harmoniſche Be-<lb/>
gleitung der Saiten-Jnſtrumente, bezaubern<lb/>
das Ohr, ruͤhren an das Jnnere der Bruſt,<lb/>
auch ohne jene Virtuoſitaͤt, zu deren Er-<lb/>
langung oft das Opfer vieler Jahrhunderte<lb/>
erfordert wird.</p><lb/><p>Warum verſchmaͤht man die ruhige Ein-<lb/>
fachheit, welche gern, ja faſt von ſelbſt die<lb/>
Begleiterin der Frauen iſt, blos der gefeierten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[79/0083]
Glaube, daß ſich das Aechte von ſelbſt em-
pfehle, und es mehr mit dem Sein als mit
dem Scheine halte. Die vielen großen Worte
erbittern, neben der Langenweile, welche ſie
ohnehin erregen. Man vergiebt es Nieman-
den, der mehr ſein will, als er iſt. Und
wenn vollends Frauen ſo viel Weſen von
dem machen, was, wie ein Mayenluͤftchen,
nur den Fruͤhling ihrer Jugend beſeelt, ſie
mit den Jahren aber, wie jede andere ver-
ſchoͤnernde Zugabe des Daſeins, verlaͤßt: ſo
verwirren ſie nur den Eindruck, welchen Na-
tur und Wahrheit ſtets ungetruͤbt erweckte.
Reiner, an das Herz gehender Geſang,
eine volle, geſchmeidige Stimme, Grazie und
Sicherheit des Vortrages, harmoniſche Be-
gleitung der Saiten-Jnſtrumente, bezaubern
das Ohr, ruͤhren an das Jnnere der Bruſt,
auch ohne jene Virtuoſitaͤt, zu deren Er-
langung oft das Opfer vieler Jahrhunderte
erfordert wird.
Warum verſchmaͤht man die ruhige Ein-
fachheit, welche gern, ja faſt von ſelbſt die
Begleiterin der Frauen iſt, blos der gefeierten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/83>, abgerufen am 07.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.