Manier des Augenblickes zu fröhnen, und ein sehr bestrittenes Anrecht an der Kunst zu behaupten? --
Wie dem indeß auch sei, so ist Musik selbst mit Pretention getrieben, immer noch das Element, in welchem sich das Wesen der Frauen am freiesten, am naturgemäßesten zurückgespiegelt; ja, Beide sind so sehr Eins, daß, wie man es auch anfange, et- was Fremdes darin zu mischen, die ursprüng- liche Harmonie sich stets auf rührende, ahn- dungsvolle Weise herausfühlt. Nichts ver- schönt Gestalt und Phisiognomie so sehr, als der Klang, der wie ein fremdes Licht dieje- nigen umfließt, welche ihn hervorrufen. Jch bin wohl unschönen Personen in der Welt begegnet, die man entweder übersahe, oder mißfällig bemerkte. Gang, Haltung, ja, so- gar die Sprache, alles an ihnen schien ohne Pflege der Grazie gebildet zu sein; und wie sie sich denn mit einnemmale gleichsam in- nerlich eröffneten, und die göttliche Musik hervorquoll, und sie auf ihren Wellen him- melan trug, schienen sie andere Wesen, völ-
Manier des Augenblickes zu froͤhnen, und ein ſehr beſtrittenes Anrecht an der Kunſt zu behaupten? —
Wie dem indeß auch ſei, ſo iſt Muſik ſelbſt mit Pretention getrieben, immer noch das Element, in welchem ſich das Weſen der Frauen am freieſten, am naturgemaͤßeſten zuruͤckgeſpiegelt; ja, Beide ſind ſo ſehr Eins, daß, wie man es auch anfange, et- was Fremdes darin zu miſchen, die urſpruͤng- liche Harmonie ſich ſtets auf ruͤhrende, ahn- dungsvolle Weiſe herausfuͤhlt. Nichts ver- ſchoͤnt Geſtalt und Phiſiognomie ſo ſehr, als der Klang, der wie ein fremdes Licht dieje- nigen umfließt, welche ihn hervorrufen. Jch bin wohl unſchoͤnen Perſonen in der Welt begegnet, die man entweder uͤberſahe, oder mißfaͤllig bemerkte. Gang, Haltung, ja, ſo- gar die Sprache, alles an ihnen ſchien ohne Pflege der Grazie gebildet zu ſein; und wie ſie ſich denn mit einnemmale gleichſam in- nerlich eroͤffneten, und die goͤttliche Muſik hervorquoll, und ſie auf ihren Wellen him- melan trug, ſchienen ſie andere Weſen, voͤl-
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Manier des Augenblickes zu froͤhnen, und ein
ſehr beſtrittenes Anrecht an der Kunſt zu
behaupten? —
Wie dem indeß auch ſei, ſo iſt Muſik
ſelbſt mit Pretention getrieben, immer noch
das Element, in welchem ſich das Weſen der
Frauen am freieſten, am naturgemaͤßeſten
zuruͤckgeſpiegelt; ja, Beide ſind ſo ſehr
Eins, daß, wie man es auch anfange, et-
was Fremdes darin zu miſchen, die urſpruͤng-
liche Harmonie ſich ſtets auf ruͤhrende, ahn-
dungsvolle Weiſe herausfuͤhlt. Nichts ver-
ſchoͤnt Geſtalt und Phiſiognomie ſo ſehr, als
der Klang, der wie ein fremdes Licht dieje-
nigen umfließt, welche ihn hervorrufen. Jch
bin wohl unſchoͤnen Perſonen in der Welt
begegnet, die man entweder uͤberſahe, oder
mißfaͤllig bemerkte. Gang, Haltung, ja, ſo-
gar die Sprache, alles an ihnen ſchien ohne
Pflege der Grazie gebildet zu ſein; und wie
ſie ſich denn mit einnemmale gleichſam in-
nerlich eroͤffneten, und die goͤttliche Muſik
hervorquoll, und ſie auf ihren Wellen him-
melan trug, ſchienen ſie andere Weſen, voͤl-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/84>, abgerufen am 07.05.2024.
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