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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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Freilich werden nicht alle lebendig, die
eine dreiste Hand anrührt, und wenn solche
Versuche in Vergessenheit sinken, so ist das
kein Verlust zu nennen.

Es wird mich hiernach Niemand be-
schuldigen, daß ich die Lecture zu einer trok-
kenen Schul- und Erziehungsanstalt habe
machen wollen. Jch darf sagen, ihr sei in
dieser Betrachtung, vorzugsweise von allen
Bildungsmitteln für das gesellige Leben, ein
freier, geistiger Einfluß zuerkannt, und Grund-
sätze aufgestellt worden, welche den leichten
Gewinden belletristischer Unterhaltung, unver-
welkliches Dasein geben. Selbst der so oft
herabgewürdigte, in seiner Bestimmung ver-
kannte Roman, tritt in dem Sinne, wie ich
es meine, in sein ursprüngliches Recht, das
Leben von dem Leben, das Dramatische in
ihm, das Wechselgespräch der innern und
äußern Welt des Menschen, mit höherer
Wahrheit zurückzuspiegeln. Und wenn er auf
solche Weise den Müttern weniger gefährlich
dünkt, so werden mich die Töchter auch nur
zu loben haben, denn sicherlich will ich ihrer

Freilich werden nicht alle lebendig, die
eine dreiſte Hand anruͤhrt, und wenn ſolche
Verſuche in Vergeſſenheit ſinken, ſo iſt das
kein Verluſt zu nennen.

Es wird mich hiernach Niemand be-
ſchuldigen, daß ich die Lecture zu einer trok-
kenen Schul- und Erziehungsanſtalt habe
machen wollen. Jch darf ſagen, ihr ſei in
dieſer Betrachtung, vorzugsweiſe von allen
Bildungsmitteln fuͤr das geſellige Leben, ein
freier, geiſtiger Einfluß zuerkannt, und Grund-
ſaͤtze aufgeſtellt worden, welche den leichten
Gewinden belletriſtiſcher Unterhaltung, unver-
welkliches Daſein geben. Selbſt der ſo oft
herabgewuͤrdigte, in ſeiner Beſtimmung ver-
kannte Roman, tritt in dem Sinne, wie ich
es meine, in ſein urſpruͤngliches Recht, das
Leben von dem Leben, das Dramatiſche in
ihm, das Wechſelgeſpraͤch der innern und
aͤußern Welt des Menſchen, mit hoͤherer
Wahrheit zuruͤckzuſpiegeln. Und wenn er auf
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[72/0076] Freilich werden nicht alle lebendig, die eine dreiſte Hand anruͤhrt, und wenn ſolche Verſuche in Vergeſſenheit ſinken, ſo iſt das kein Verluſt zu nennen. Es wird mich hiernach Niemand be- ſchuldigen, daß ich die Lecture zu einer trok- kenen Schul- und Erziehungsanſtalt habe machen wollen. Jch darf ſagen, ihr ſei in dieſer Betrachtung, vorzugsweiſe von allen Bildungsmitteln fuͤr das geſellige Leben, ein freier, geiſtiger Einfluß zuerkannt, und Grund- ſaͤtze aufgeſtellt worden, welche den leichten Gewinden belletriſtiſcher Unterhaltung, unver- welkliches Daſein geben. Selbſt der ſo oft herabgewuͤrdigte, in ſeiner Beſtimmung ver- kannte Roman, tritt in dem Sinne, wie ich es meine, in ſein urſpruͤngliches Recht, das Leben von dem Leben, das Dramatiſche in ihm, das Wechſelgeſpraͤch der innern und aͤußern Welt des Menſchen, mit hoͤherer Wahrheit zuruͤckzuſpiegeln. Und wenn er auf ſolche Weiſe den Muͤttern weniger gefaͤhrlich duͤnkt, ſo werden mich die Toͤchter auch nur zu loben haben, denn ſicherlich will ich ihrer

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/76>, abgerufen am 07.05.2024.