Raum haben für eine Welt großer, unend- licher Anschauungen, wenn sie sich täglich von den lumpigen Bildchen einer krausen und grellen Gegenwart überfüllen läßt? Und wird sie die leisen Uebergänge die geheim- nißvollen Verschmelzungen, die gestörte und wiederhergestellte Harmonie jener Musik der Gefühle begleiten, in der sich ein Menschen- leben zurückspiegelt, wenn kein Ernst der Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz nur ein lauter Spaß, und die Ahndung eine Grimasse ward, höchstens brauchbar, um etwas damit vorzustellen?
Wir werden also zuförderst gewisse Au- toritäten in der Litteratur gläubig anneh- men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil- den, und später in der Art durch sie leiten lassen müssen, daß wir in ihnen einen Maas- stab finden, an dem wir das Fremde, wie uns selbst, prüfen lernen.
Es ist nicht etwa zu fürchten, daß hier- durch die Eigenthümlichkeit natürlicher Rich- tungen verloren gehen werde; dagegen sichert kräftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,
Raum haben fuͤr eine Welt großer, unend- licher Anſchauungen, wenn ſie ſich taͤglich von den lumpigen Bildchen einer krauſen und grellen Gegenwart uͤberfuͤllen laͤßt? Und wird ſie die leiſen Uebergaͤnge die geheim- nißvollen Verſchmelzungen, die geſtoͤrte und wiederhergeſtellte Harmonie jener Muſik der Gefuͤhle begleiten, in der ſich ein Menſchen- leben zuruͤckſpiegelt, wenn kein Ernſt der Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz nur ein lauter Spaß, und die Ahndung eine Grimaſſe ward, hoͤchſtens brauchbar, um etwas damit vorzuſtellen?
Wir werden alſo zufoͤrderſt gewiſſe Au- toritaͤten in der Litteratur glaͤubig anneh- men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil- den, und ſpaͤter in der Art durch ſie leiten laſſen muͤſſen, daß wir in ihnen einen Maas- ſtab finden, an dem wir das Fremde, wie uns ſelbſt, pruͤfen lernen.
Es iſt nicht etwa zu fuͤrchten, daß hier- durch die Eigenthuͤmlichkeit natuͤrlicher Rich- tungen verloren gehen werde; dagegen ſichert kraͤftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,
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Raum haben fuͤr eine Welt großer, unend-
licher Anſchauungen, wenn ſie ſich taͤglich
von den lumpigen Bildchen einer krauſen
und grellen Gegenwart uͤberfuͤllen laͤßt? Und
wird ſie die leiſen Uebergaͤnge die geheim-
nißvollen Verſchmelzungen, die geſtoͤrte und
wiederhergeſtellte Harmonie jener Muſik der
Gefuͤhle begleiten, in der ſich ein Menſchen-
leben zuruͤckſpiegelt, wenn kein Ernſt der
Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz
nur ein lauter Spaß, und die Ahndung
eine Grimaſſe ward, hoͤchſtens brauchbar,
um etwas damit vorzuſtellen?
Wir werden alſo zufoͤrderſt gewiſſe Au-
toritaͤten in der Litteratur glaͤubig anneh-
men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil-
den, und ſpaͤter in der Art durch ſie leiten
laſſen muͤſſen, daß wir in ihnen einen Maas-
ſtab finden, an dem wir das Fremde, wie
uns ſelbſt, pruͤfen lernen.
Es iſt nicht etwa zu fuͤrchten, daß hier-
durch die Eigenthuͤmlichkeit natuͤrlicher Rich-
tungen verloren gehen werde; dagegen ſichert
kraͤftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/68>, abgerufen am 27.07.2024.
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