Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Raum haben für eine Welt großer, unend-
licher Anschauungen, wenn sie sich täglich
von den lumpigen Bildchen einer krausen
und grellen Gegenwart überfüllen läßt? Und
wird sie die leisen Uebergänge die geheim-
nißvollen Verschmelzungen, die gestörte und
wiederhergestellte Harmonie jener Musik der
Gefühle begleiten, in der sich ein Menschen-
leben zurückspiegelt, wenn kein Ernst der
Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz
nur ein lauter Spaß, und die Ahndung
eine Grimasse ward, höchstens brauchbar,
um etwas damit vorzustellen?

Wir werden also zuförderst gewisse Au-
toritäten in der Litteratur gläubig anneh-
men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil-
den, und später in der Art durch sie leiten
lassen müssen, daß wir in ihnen einen Maas-
stab finden, an dem wir das Fremde, wie
uns selbst, prüfen lernen.

Es ist nicht etwa zu fürchten, daß hier-
durch die Eigenthümlichkeit natürlicher Rich-
tungen verloren gehen werde; dagegen sichert
kräftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,

Raum haben fuͤr eine Welt großer, unend-
licher Anſchauungen, wenn ſie ſich taͤglich
von den lumpigen Bildchen einer krauſen
und grellen Gegenwart uͤberfuͤllen laͤßt? Und
wird ſie die leiſen Uebergaͤnge die geheim-
nißvollen Verſchmelzungen, die geſtoͤrte und
wiederhergeſtellte Harmonie jener Muſik der
Gefuͤhle begleiten, in der ſich ein Menſchen-
leben zuruͤckſpiegelt, wenn kein Ernſt der
Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz
nur ein lauter Spaß, und die Ahndung
eine Grimaſſe ward, hoͤchſtens brauchbar,
um etwas damit vorzuſtellen?

Wir werden alſo zufoͤrderſt gewiſſe Au-
toritaͤten in der Litteratur glaͤubig anneh-
men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil-
den, und ſpaͤter in der Art durch ſie leiten
laſſen muͤſſen, daß wir in ihnen einen Maas-
ſtab finden, an dem wir das Fremde, wie
uns ſelbſt, pruͤfen lernen.

Es iſt nicht etwa zu fuͤrchten, daß hier-
durch die Eigenthuͤmlichkeit natuͤrlicher Rich-
tungen verloren gehen werde; dagegen ſichert
kraͤftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="64"/>
Raum haben fu&#x0364;r eine Welt großer, unend-<lb/>
licher An&#x017F;chauungen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich ta&#x0364;glich<lb/>
von den lumpigen Bildchen einer krau&#x017F;en<lb/>
und grellen Gegenwart u&#x0364;berfu&#x0364;llen la&#x0364;ßt? Und<lb/>
wird &#x017F;ie die lei&#x017F;en Ueberga&#x0364;nge die geheim-<lb/>
nißvollen Ver&#x017F;chmelzungen, die ge&#x017F;to&#x0364;rte und<lb/>
wiederherge&#x017F;tellte Harmonie jener Mu&#x017F;ik der<lb/>
Gefu&#x0364;hle begleiten, in der &#x017F;ich ein Men&#x017F;chen-<lb/>
leben zuru&#x0364;ck&#x017F;piegelt, wenn kein Ern&#x017F;t der<lb/>
Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz<lb/>
nur ein lauter Spaß, und die Ahndung<lb/>
eine Grima&#x017F;&#x017F;e ward, ho&#x0364;ch&#x017F;tens brauchbar,<lb/>
um etwas damit vorzu&#x017F;tellen?</p><lb/>
          <p>Wir werden al&#x017F;o zufo&#x0364;rder&#x017F;t gewi&#x017F;&#x017F;e Au-<lb/>
torita&#x0364;ten in der Litteratur <hi rendition="#g">gla&#x0364;ubig</hi> anneh-<lb/>
men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil-<lb/>
den, und &#x017F;pa&#x0364;ter in der Art durch &#x017F;ie leiten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß wir in ihnen einen Maas-<lb/>
&#x017F;tab finden, an dem wir das Fremde, wie<lb/>
uns &#x017F;elb&#x017F;t, pru&#x0364;fen lernen.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t nicht etwa zu fu&#x0364;rchten, daß hier-<lb/>
durch die Eigenthu&#x0364;mlichkeit natu&#x0364;rlicher Rich-<lb/>
tungen verloren gehen werde; dagegen &#x017F;ichert<lb/>
kra&#x0364;ftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0068] Raum haben fuͤr eine Welt großer, unend- licher Anſchauungen, wenn ſie ſich taͤglich von den lumpigen Bildchen einer krauſen und grellen Gegenwart uͤberfuͤllen laͤßt? Und wird ſie die leiſen Uebergaͤnge die geheim- nißvollen Verſchmelzungen, die geſtoͤrte und wiederhergeſtellte Harmonie jener Muſik der Gefuͤhle begleiten, in der ſich ein Menſchen- leben zuruͤckſpiegelt, wenn kein Ernſt der Empfindungen zu ihnen drang, der Scherz nur ein lauter Spaß, und die Ahndung eine Grimaſſe ward, hoͤchſtens brauchbar, um etwas damit vorzuſtellen? Wir werden alſo zufoͤrderſt gewiſſe Au- toritaͤten in der Litteratur glaͤubig anneh- men, uns in der Stille zu ihnen hinanbil- den, und ſpaͤter in der Art durch ſie leiten laſſen muͤſſen, daß wir in ihnen einen Maas- ſtab finden, an dem wir das Fremde, wie uns ſelbſt, pruͤfen lernen. Es iſt nicht etwa zu fuͤrchten, daß hier- durch die Eigenthuͤmlichkeit natuͤrlicher Rich- tungen verloren gehen werde; dagegen ſichert kraͤftige und lebendige Entfaltung des Jnnern,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/68
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/68>, abgerufen am 07.05.2024.