der zufällige Eigensinn des Zeitgeschmackes es für gut findet. Dieser kann schon nie darum das Vortreffliche an sich wollen, weil gerade hierin das Charakteristische der Zeit liegt, daß solches nirgend anerkannt wird. Während wir einer Seits sehr viel von Glauben sprechen, zweifelt doch jeder an den Andern. Die Kritik war in keinem Moment geschäftiger, sich selbst ein Genüge zu thun, als jetzt, wo sie das Alte vernich- tet, und das Neue verachtet. Große Vor- bilder duldet der unruhig Schaffende um so weniger, als er jedes besser zu machen über- zeugt ist. Jdeale sind aus der Mode ge- kommen. Jdeen gehören in die Fabelwelt. Man hat nur Gesichte. Da uns diese aber meist das eig'ne Gesicht zeigen, so bleibt der Maaßstab des Vergleichs stets in der Nähe und auf demselben Standpunkt mit der Gegenwart; er fügt sich dieser an, statt sie über sich hinauszuheben.
Durch einen seltsamen Widerspruch an- drer Art, geschieht es, daß, obgleich kein Mensch heut zu Tage ein Kunstwerk, ein
der zufaͤllige Eigenſinn des Zeitgeſchmackes es fuͤr gut findet. Dieſer kann ſchon nie darum das Vortreffliche an ſich wollen, weil gerade hierin das Charakteriſtiſche der Zeit liegt, daß ſolches nirgend anerkannt wird. Waͤhrend wir einer Seits ſehr viel von Glauben ſprechen, zweifelt doch jeder an den Andern. Die Kritik war in keinem Moment geſchaͤftiger, ſich ſelbſt ein Genuͤge zu thun, als jetzt, wo ſie das Alte vernich- tet, und das Neue verachtet. Große Vor- bilder duldet der unruhig Schaffende um ſo weniger, als er jedes beſſer zu machen uͤber- zeugt iſt. Jdeale ſind aus der Mode ge- kommen. Jdeen gehoͤren in die Fabelwelt. Man hat nur Geſichte. Da uns dieſe aber meiſt das eig’ne Geſicht zeigen, ſo bleibt der Maaßſtab des Vergleichs ſtets in der Naͤhe und auf demſelben Standpunkt mit der Gegenwart; er fuͤgt ſich dieſer an, ſtatt ſie uͤber ſich hinauszuheben.
Durch einen ſeltſamen Widerſpruch an- drer Art, geſchieht es, daß, obgleich kein Menſch heut zu Tage ein Kunſtwerk, ein
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der zufaͤllige Eigenſinn des Zeitgeſchmackes
es fuͤr gut findet. Dieſer kann ſchon nie
darum das Vortreffliche an ſich wollen,
weil gerade hierin das Charakteriſtiſche der
Zeit liegt, daß ſolches nirgend anerkannt
wird. Waͤhrend wir einer Seits ſehr viel
von Glauben ſprechen, zweifelt doch jeder
an den Andern. Die Kritik war in keinem
Moment geſchaͤftiger, ſich ſelbſt ein Genuͤge
zu thun, als jetzt, wo ſie das Alte vernich-
tet, und das Neue verachtet. Große Vor-
bilder duldet der unruhig Schaffende um ſo
weniger, als er jedes beſſer zu machen uͤber-
zeugt iſt. Jdeale ſind aus der Mode ge-
kommen. Jdeen gehoͤren in die Fabelwelt.
Man hat nur Geſichte. Da uns dieſe
aber meiſt das eig’ne Geſicht zeigen, ſo bleibt
der Maaßſtab des Vergleichs ſtets in der
Naͤhe und auf demſelben Standpunkt mit
der Gegenwart; er fuͤgt ſich dieſer an,
ſtatt ſie uͤber ſich hinauszuheben.
Durch einen ſeltſamen Widerſpruch an-
drer Art, geſchieht es, daß, obgleich kein
Menſch heut zu Tage ein Kunſtwerk, ein
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/60>, abgerufen am 27.07.2024.
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