higer Selbstentäußerung, still zu erwarten; Feder und Papier bei Seite zu schieben, dem eigenem Geiste weniger, dem himmlischen mehr zu vertrauen, und es ihm anheim zu stellen, zu welcher Stunde, durch welche Hand er die alte Erde im frischen Morgen- glanze verjüngen wolle?
Doch möchte es im Allgemeinen schwer sein, daß wir uns, im Spiele so vieler künstlichen Lichte, überzeugten, es sei wirklich Nacht um uns; und wenn wir auch Alle eine unverkennbare Müdigkeit empfinden, und Vielen so zu Muthe ist, wie überwachten Kindern vor dem Schlafengehen, so hegen wir, wie diese, nur um so größere Scheu, das bunte Allerlei unsers Spielwerkes zu verlassen.
Man wird daher so wenig aufhören, zu componiren, (wie die Franzosen sehr be- deutungsvoll für Dichten sagen) als die Compositionen zu verschlingen. Beides wird auf den Geist der Geselligkeit Einfluß behal- ten, den Ton beherrschen, und die Sprache abwechselnd so oder so gestalten, je nachdem
higer Selbſtentaͤußerung, ſtill zu erwarten; Feder und Papier bei Seite zu ſchieben, dem eigenem Geiſte weniger, dem himmliſchen mehr zu vertrauen, und es ihm anheim zu ſtellen, zu welcher Stunde, durch welche Hand er die alte Erde im friſchen Morgen- glanze verjuͤngen wolle?
Doch moͤchte es im Allgemeinen ſchwer ſein, daß wir uns, im Spiele ſo vieler kuͤnſtlichen Lichte, uͤberzeugten, es ſei wirklich Nacht um uns; und wenn wir auch Alle eine unverkennbare Muͤdigkeit empfinden, und Vielen ſo zu Muthe iſt, wie uͤberwachten Kindern vor dem Schlafengehen, ſo hegen wir, wie dieſe, nur um ſo groͤßere Scheu, das bunte Allerlei unſers Spielwerkes zu verlaſſen.
Man wird daher ſo wenig aufhoͤren, zu componiren, (wie die Franzoſen ſehr be- deutungsvoll fuͤr Dichten ſagen) als die Compoſitionen zu verſchlingen. Beides wird auf den Geiſt der Geſelligkeit Einfluß behal- ten, den Ton beherrſchen, und die Sprache abwechſelnd ſo oder ſo geſtalten, je nachdem
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higer Selbſtentaͤußerung, ſtill zu erwarten;
Feder und Papier bei Seite zu ſchieben, dem
eigenem Geiſte weniger, dem himmliſchen
mehr zu vertrauen, und es ihm anheim zu
ſtellen, zu welcher Stunde, durch welche
Hand er die alte Erde im friſchen Morgen-
glanze verjuͤngen wolle?
Doch moͤchte es im Allgemeinen ſchwer
ſein, daß wir uns, im Spiele ſo vieler
kuͤnſtlichen Lichte, uͤberzeugten, es ſei wirklich
Nacht um uns; und wenn wir auch Alle
eine unverkennbare Muͤdigkeit empfinden, und
Vielen ſo zu Muthe iſt, wie uͤberwachten
Kindern vor dem Schlafengehen, ſo hegen
wir, wie dieſe, nur um ſo groͤßere Scheu,
das bunte Allerlei unſers Spielwerkes zu
verlaſſen.
Man wird daher ſo wenig aufhoͤren,
zu componiren, (wie die Franzoſen ſehr be-
deutungsvoll fuͤr Dichten ſagen) als die
Compoſitionen zu verſchlingen. Beides wird
auf den Geiſt der Geſelligkeit Einfluß behal-
ten, den Ton beherrſchen, und die Sprache
abwechſelnd ſo oder ſo geſtalten, je nachdem
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/59>, abgerufen am 27.07.2024.
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