nur eines gewissen Maaßes der Steigerung fähig ist, die höchste Spannung gleichwohl doch nur augenblicklich spannt, das Neue sogleich alt wird, das Verlangen aber unge- messen schwillt, die Erfüllung stets zurück- bleibt, so muß unausgesetzter Wechsel in den Hervorbringungen, sogenannter schöner Lit- teratur dasjenige ersetzen, was dieser an Schwung und Phantasie abgeht. Der Ge- schmack wird daher rück- und vorwärts ge- hetzt, hinauf, zu der wunderlichsten Höhe ge- schroben, plötzlich gewendet, und in einer Breite und Fläche angehalten, in welcher er vollends unterzugehen droht.
Die Schwingungen unsers geistigen Kreislaufes, gleichen mehr und mehr denen der Erde, in den letzten Wintertagen. Die Abschnitte der Lebensthätigkeit werden kür- zer, der Abend ist dem Morgen ganz nahe gerückt, das Begonnene findet unvollen- det sein Ziel.
Vielleicht wäre es in diesem Zustande der Gegenwart rathsam, den kommenden Tag, gleich ahnungsvoll Träumende, mit ru-
nur eines gewiſſen Maaßes der Steigerung faͤhig iſt, die hoͤchſte Spannung gleichwohl doch nur augenblicklich ſpannt, das Neue ſogleich alt wird, das Verlangen aber unge- meſſen ſchwillt, die Erfuͤllung ſtets zuruͤck- bleibt, ſo muß unausgeſetzter Wechſel in den Hervorbringungen, ſogenannter ſchoͤner Lit- teratur dasjenige erſetzen, was dieſer an Schwung und Phantaſie abgeht. Der Ge- ſchmack wird daher ruͤck- und vorwaͤrts ge- hetzt, hinauf, zu der wunderlichſten Hoͤhe ge- ſchroben, ploͤtzlich gewendet, und in einer Breite und Flaͤche angehalten, in welcher er vollends unterzugehen droht.
Die Schwingungen unſers geiſtigen Kreislaufes, gleichen mehr und mehr denen der Erde, in den letzten Wintertagen. Die Abſchnitte der Lebensthaͤtigkeit werden kuͤr- zer, der Abend iſt dem Morgen ganz nahe geruͤckt, das Begonnene findet unvollen- det ſein Ziel.
Vielleicht waͤre es in dieſem Zuſtande der Gegenwart rathſam, den kommenden Tag, gleich ahnungsvoll Traͤumende, mit ru-
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nur eines gewiſſen Maaßes der Steigerung
faͤhig iſt, die hoͤchſte Spannung gleichwohl
doch nur augenblicklich ſpannt, das Neue
ſogleich alt wird, das Verlangen aber unge-
meſſen ſchwillt, die Erfuͤllung ſtets zuruͤck-
bleibt, ſo muß unausgeſetzter Wechſel in den
Hervorbringungen, ſogenannter ſchoͤner Lit-
teratur dasjenige erſetzen, was dieſer an
Schwung und Phantaſie abgeht. Der Ge-
ſchmack wird daher ruͤck- und vorwaͤrts ge-
hetzt, hinauf, zu der wunderlichſten Hoͤhe ge-
ſchroben, ploͤtzlich gewendet, und in einer
Breite und Flaͤche angehalten, in welcher er
vollends unterzugehen droht.
Die Schwingungen unſers geiſtigen
Kreislaufes, gleichen mehr und mehr denen
der Erde, in den letzten Wintertagen. Die
Abſchnitte der Lebensthaͤtigkeit werden kuͤr-
zer, der Abend iſt dem Morgen ganz nahe
geruͤckt, das Begonnene findet unvollen-
det ſein Ziel.
Vielleicht waͤre es in dieſem Zuſtande
der Gegenwart rathſam, den kommenden
Tag, gleich ahnungsvoll Traͤumende, mit ru-
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/58>, abgerufen am 27.07.2024.
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