bereitet, was nie zu berechnen, nie unbe- dingt vorher zu sagen ist, soll dann die Ge- genwart nicht das Recht haben, dasjenige was in ihr störend mit vielem anderm zu- sammenfällt, dreist anzufassen, unbeschöni- gend herauszuheben, und es in seiner Ver- unstaltung zu zeigen?
Allein, aufrichtig gestanden, glaube ich auch noch gar nicht, an eine Ueberschweng- lichkeit, die so lange vergeblich nach Maaß und Gleichgewicht suchen müßte. Mir kommt vielmehr vor, als hätten wir nur die Stel- lung verändert, und durch die schiefe Lage alles in uns so durch einander geschüttelt, daß wir auf einer Seite mit dem Zuviel nicht auszukommen wissen, wenn wir in tau- send Hinsicht wieder Mangel und Unzuläng- lichkeit spühren. Verschobene Verhält- nisse, sie sind unsre Krankheit, und diese macht auch die Sprache, wie das Gespräch stotternd, undeutlich ohne Folge und Wohl- laut.
Nicht Bücher und Rednerkünste, nicht auswendig gelernte Gedichte und poetische
bereitet, was nie zu berechnen, nie unbe- dingt vorher zu ſagen iſt, ſoll dann die Ge- genwart nicht das Recht haben, dasjenige was in ihr ſtoͤrend mit vielem anderm zu- ſammenfaͤllt, dreiſt anzufaſſen, unbeſchoͤni- gend herauszuheben, und es in ſeiner Ver- unſtaltung zu zeigen?
Allein, aufrichtig geſtanden, glaube ich auch noch gar nicht, an eine Ueberſchweng- lichkeit, die ſo lange vergeblich nach Maaß und Gleichgewicht ſuchen muͤßte. Mir kommt vielmehr vor, als haͤtten wir nur die Stel- lung veraͤndert, und durch die ſchiefe Lage alles in uns ſo durch einander geſchuͤttelt, daß wir auf einer Seite mit dem Zuviel nicht auszukommen wiſſen, wenn wir in tau- ſend Hinſicht wieder Mangel und Unzulaͤng- lichkeit ſpuͤhren. Verſchobene Verhaͤlt- niſſe, ſie ſind unſre Krankheit, und dieſe macht auch die Sprache, wie das Geſpraͤch ſtotternd, undeutlich ohne Folge und Wohl- laut.
Nicht Buͤcher und Rednerkuͤnſte, nicht auswendig gelernte Gedichte und poetiſche
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bereitet, was nie zu berechnen, nie unbe-
dingt vorher zu ſagen iſt, ſoll dann die Ge-
genwart nicht das Recht haben, dasjenige
was in ihr ſtoͤrend mit vielem anderm zu-
ſammenfaͤllt, dreiſt anzufaſſen, unbeſchoͤni-
gend herauszuheben, und es in ſeiner Ver-
unſtaltung zu zeigen?
Allein, aufrichtig geſtanden, glaube ich
auch noch gar nicht, an eine Ueberſchweng-
lichkeit, die ſo lange vergeblich nach Maaß
und Gleichgewicht ſuchen muͤßte. Mir kommt
vielmehr vor, als haͤtten wir nur die Stel-
lung veraͤndert, und durch die ſchiefe Lage
alles in uns ſo durch einander geſchuͤttelt,
daß wir auf einer Seite mit dem Zuviel
nicht auszukommen wiſſen, wenn wir in tau-
ſend Hinſicht wieder Mangel und Unzulaͤng-
lichkeit ſpuͤhren. Verſchobene Verhaͤlt-
niſſe, ſie ſind unſre Krankheit, und dieſe
macht auch die Sprache, wie das Geſpraͤch
ſtotternd, undeutlich ohne Folge und Wohl-
laut.
Nicht Buͤcher und Rednerkuͤnſte, nicht
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/48>, abgerufen am 16.07.2024.
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