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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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frommes Herz ist ein Schatz auf Er-
den
. Wem er gegeben ward, der soll
ihn hegen als das köstlichste von allen Gü-
tern, welche die reichste und schöpferischte
Phantasie dem menschlichen Verlangen vor-
spiegeln kann?

Alle göttliche Gaben kommen uns,
wir wissen nicht wie? Auch die höchste. Oft
wird diese unter wirren und ängstigenden
Träumen in unsre Hand gelegt. Wir haben
sie empfangen. Wir werden uns dessen mit
Entzücken bewußt. Jst es gleichwohl mit
dem großen, unermeßlichen Geschenke mehr,
als eine Prüfung, ob wir dessen würdig sind?
Erkennen wir seinen Werth genug, um ihn
über alles Andre hochzuhalten? Wird nicht
bald den unruhig umhergreifenden Händen
entgleiten, was sie achtlos und lässig zu be-
wahren vergaßen?

Eine schöne Natur-Anlage, der reine
Einklang eines harmonisch gestimmten Jnnern,
angeborne Güte, Sanftmuth und Freund-
lichkeit können gestört, unterbrochen, miß-
geleitet werden, so daß von allen den ur-

frommes Herz iſt ein Schatz auf Er-
den
. Wem er gegeben ward, der ſoll
ihn hegen als das koͤſtlichſte von allen Guͤ-
tern, welche die reichſte und ſchoͤpferiſchte
Phantaſie dem menſchlichen Verlangen vor-
ſpiegeln kann?

Alle goͤttliche Gaben kommen uns,
wir wiſſen nicht wie? Auch die hoͤchſte. Oft
wird dieſe unter wirren und aͤngſtigenden
Traͤumen in unſre Hand gelegt. Wir haben
ſie empfangen. Wir werden uns deſſen mit
Entzuͤcken bewußt. Jſt es gleichwohl mit
dem großen, unermeßlichen Geſchenke mehr,
als eine Pruͤfung, ob wir deſſen wuͤrdig ſind?
Erkennen wir ſeinen Werth genug, um ihn
uͤber alles Andre hochzuhalten? Wird nicht
bald den unruhig umhergreifenden Haͤnden
entgleiten, was ſie achtlos und laͤſſig zu be-
wahren vergaßen?

Eine ſchoͤne Natur-Anlage, der reine
Einklang eines harmoniſch geſtimmten Jnnern,
angeborne Guͤte, Sanftmuth und Freund-
lichkeit koͤnnen geſtoͤrt, unterbrochen, miß-
geleitet werden, ſo daß von allen den ur-

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[266/0270] frommes Herz iſt ein Schatz auf Er- den. Wem er gegeben ward, der ſoll ihn hegen als das koͤſtlichſte von allen Guͤ- tern, welche die reichſte und ſchoͤpferiſchte Phantaſie dem menſchlichen Verlangen vor- ſpiegeln kann? Alle goͤttliche Gaben kommen uns, wir wiſſen nicht wie? Auch die hoͤchſte. Oft wird dieſe unter wirren und aͤngſtigenden Traͤumen in unſre Hand gelegt. Wir haben ſie empfangen. Wir werden uns deſſen mit Entzuͤcken bewußt. Jſt es gleichwohl mit dem großen, unermeßlichen Geſchenke mehr, als eine Pruͤfung, ob wir deſſen wuͤrdig ſind? Erkennen wir ſeinen Werth genug, um ihn uͤber alles Andre hochzuhalten? Wird nicht bald den unruhig umhergreifenden Haͤnden entgleiten, was ſie achtlos und laͤſſig zu be- wahren vergaßen? Eine ſchoͤne Natur-Anlage, der reine Einklang eines harmoniſch geſtimmten Jnnern, angeborne Guͤte, Sanftmuth und Freund- lichkeit koͤnnen geſtoͤrt, unterbrochen, miß- geleitet werden, ſo daß von allen den ur-

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/270>, abgerufen am 24.11.2024.