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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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sprünglichen Grundzügen nichts als ein ver-
worrenes Gemisch zurückbleibt. Es dörrt
jedweder Lebensquell aus, wenn er von den
verborgenen Strömungen abgeschnitten, nur
äußern Zufluß erwartet. Man begegnet
häufig Leuten, die an sich guthmüthig, doch
in den meisten Beziehungen lau, nichtig, er-
müdend sind, und so hölzern zu andern Men-
schen stehen, daß ihr Umgang eine Last, wenn
nicht gar ein tiefergehendes Unglück ist.

Andrer Seits finden wir heftige, eigen-
willige, leidenschaftliche Gemüther, die Welt
und Mitmenschen, das ganze Universum,
wenn es sein könnte, nur auf sich selbst zu
beziehen scheinen. Man nennt sie Egoisten,
und geht ihnen aus dem Wege. Nun, und
mit allem dem treffen wir nach einer Reihe
von Jahren wieder mit ihnen zusammen,
so finden wir sie ganz und gar verändert.
Ein ernstes, tragisches Geschick hat sie erzo-
gen. Sie mußten so viel vergessen lernen.
Sie endeten damit, sich selbst zu vergessen.
Unbefangen und freier im Jnnern traten ih-
nen Gott und die Menschen näher. Sie

ſpruͤnglichen Grundzuͤgen nichts als ein ver-
worrenes Gemiſch zuruͤckbleibt. Es doͤrrt
jedweder Lebensquell aus, wenn er von den
verborgenen Stroͤmungen abgeſchnitten, nur
aͤußern Zufluß erwartet. Man begegnet
haͤufig Leuten, die an ſich guthmuͤthig, doch
in den meiſten Beziehungen lau, nichtig, er-
muͤdend ſind, und ſo hoͤlzern zu andern Men-
ſchen ſtehen, daß ihr Umgang eine Laſt, wenn
nicht gar ein tiefergehendes Ungluͤck iſt.

Andrer Seits finden wir heftige, eigen-
willige, leidenſchaftliche Gemuͤther, die Welt
und Mitmenſchen, das ganze Univerſum,
wenn es ſein koͤnnte, nur auf ſich ſelbſt zu
beziehen ſcheinen. Man nennt ſie Egoiſten,
und geht ihnen aus dem Wege. Nun, und
mit allem dem treffen wir nach einer Reihe
von Jahren wieder mit ihnen zuſammen,
ſo finden wir ſie ganz und gar veraͤndert.
Ein ernſtes, tragiſches Geſchick hat ſie erzo-
gen. Sie mußten ſo viel vergeſſen lernen.
Sie endeten damit, ſich ſelbſt zu vergeſſen.
Unbefangen und freier im Jnnern traten ih-
nen Gott und die Menſchen naͤher. Sie

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[267/0271] ſpruͤnglichen Grundzuͤgen nichts als ein ver- worrenes Gemiſch zuruͤckbleibt. Es doͤrrt jedweder Lebensquell aus, wenn er von den verborgenen Stroͤmungen abgeſchnitten, nur aͤußern Zufluß erwartet. Man begegnet haͤufig Leuten, die an ſich guthmuͤthig, doch in den meiſten Beziehungen lau, nichtig, er- muͤdend ſind, und ſo hoͤlzern zu andern Men- ſchen ſtehen, daß ihr Umgang eine Laſt, wenn nicht gar ein tiefergehendes Ungluͤck iſt. Andrer Seits finden wir heftige, eigen- willige, leidenſchaftliche Gemuͤther, die Welt und Mitmenſchen, das ganze Univerſum, wenn es ſein koͤnnte, nur auf ſich ſelbſt zu beziehen ſcheinen. Man nennt ſie Egoiſten, und geht ihnen aus dem Wege. Nun, und mit allem dem treffen wir nach einer Reihe von Jahren wieder mit ihnen zuſammen, ſo finden wir ſie ganz und gar veraͤndert. Ein ernſtes, tragiſches Geſchick hat ſie erzo- gen. Sie mußten ſo viel vergeſſen lernen. Sie endeten damit, ſich ſelbſt zu vergeſſen. Unbefangen und freier im Jnnern traten ih- nen Gott und die Menſchen naͤher. Sie

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/271>, abgerufen am 24.11.2024.