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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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selbst Männer und Jünglinge fanden sich
geschmeichelt, in ihre Kreise aufgenommen
und durch sie ausgezeichnet zu werden.

Jst es nun, datz jetzt das Alter nichts
Angenehmes mehr sagt, weil die Jugend
nur unwillig hört? oder hört diese darum
nicht, weil jenes grämlicher, steifer, kurz
älter geworden?

So etwas ist stets gegenseitig. Allein
was ist der Grund davon? Jch suche diesen
in der Ungeselligkeit des Gesellschaftslebens.
Die Fähigkeit nämlich, ein andres Dasein
in uns aufzunehmen, oder auch nur es au-
ßer uns zu suchen und zu finden, ist einmal,
mit der angenehmen Nachlässigkeit heitrer,
hingebender Sinnesart, theils auch durch die
große Lust, die jeder an sich selbst hat, ver-
loren gegangen. Man kann sicher annehmen,
daß in den heutigen kleinen Cirkeln unter
Zwanzigen kaum Zweie sich befinden, die
nicht mit sich allein geblieben wären. Sie
reflectiren und observiren nur um mit der
eignen Erkenntniß zu conversiren. Diese
Art von Gesellschaftssprache ist die einzig

ſelbſt Maͤnner und Juͤnglinge fanden ſich
geſchmeichelt, in ihre Kreiſe aufgenommen
und durch ſie ausgezeichnet zu werden.

Jſt es nun, datz jetzt das Alter nichts
Angenehmes mehr ſagt, weil die Jugend
nur unwillig hoͤrt? oder hoͤrt dieſe darum
nicht, weil jenes graͤmlicher, ſteifer, kurz
aͤlter geworden?

So etwas iſt ſtets gegenſeitig. Allein
was iſt der Grund davon? Jch ſuche dieſen
in der Ungeſelligkeit des Geſellſchaftslebens.
Die Faͤhigkeit naͤmlich, ein andres Daſein
in uns aufzunehmen, oder auch nur es au-
ßer uns zu ſuchen und zu finden, iſt einmal,
mit der angenehmen Nachlaͤſſigkeit heitrer,
hingebender Sinnesart, theils auch durch die
große Luſt, die jeder an ſich ſelbſt hat, ver-
loren gegangen. Man kann ſicher annehmen,
daß in den heutigen kleinen Cirkeln unter
Zwanzigen kaum Zweie ſich befinden, die
nicht mit ſich allein geblieben waͤren. Sie
reflectiren und obſerviren nur um mit der
eignen Erkenntniß zu converſiren. Dieſe
Art von Geſellſchaftsſprache iſt die einzig

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[122/0126] ſelbſt Maͤnner und Juͤnglinge fanden ſich geſchmeichelt, in ihre Kreiſe aufgenommen und durch ſie ausgezeichnet zu werden. Jſt es nun, datz jetzt das Alter nichts Angenehmes mehr ſagt, weil die Jugend nur unwillig hoͤrt? oder hoͤrt dieſe darum nicht, weil jenes graͤmlicher, ſteifer, kurz aͤlter geworden? So etwas iſt ſtets gegenſeitig. Allein was iſt der Grund davon? Jch ſuche dieſen in der Ungeſelligkeit des Geſellſchaftslebens. Die Faͤhigkeit naͤmlich, ein andres Daſein in uns aufzunehmen, oder auch nur es au- ßer uns zu ſuchen und zu finden, iſt einmal, mit der angenehmen Nachlaͤſſigkeit heitrer, hingebender Sinnesart, theils auch durch die große Luſt, die jeder an ſich ſelbſt hat, ver- loren gegangen. Man kann ſicher annehmen, daß in den heutigen kleinen Cirkeln unter Zwanzigen kaum Zweie ſich befinden, die nicht mit ſich allein geblieben waͤren. Sie reflectiren und obſerviren nur um mit der eignen Erkenntniß zu converſiren. Dieſe Art von Geſellſchaftsſprache iſt die einzig

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/126>, abgerufen am 24.11.2024.