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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
April.
der plötzliche Anblick einer nahen Felsenkluft sie zurück schreckte. Noch hö-
her hinauf erstreckte sich der Wald über den ganzen Berg, und da gab es Pflan-
zen, dergleichen ihnen in den niedrigern Gegenden nirgends vorgekommen warm.
Als sie die nächste Bergspitze erstiegen hatten, fanden sie eine sehr gefährliche
Stelle vor sich, und zu gleicher Zeit brach ein heftiger Regen ein; Tahea nahm
diese Gelegenheit wahr, und gab ihnen zu verstehen, daß sie nicht füglich wei-
ter kommen könnten. Um es jedoch nicht unversucht zu lassen, legten sie ihre
schweren Säcke mit Pflanzen und Lebensmitteln an dieser Stelle ab, nahmen
nichts als ein Gewehr mit sich, und erreichten auf solche Art, in Zeit von einer
halben Stunde, würklich den obersten Gipfel des Berges. Da nun mittlerweile
der Regen nachgelassen, und die Wolken sich zertheilt hatten, so konnten sie weit
ins Meer, und bis nach den Inseln Huaheine, Tethuroa, und Tabbua-
mann
hinsehen. Die unter ihren Füßen liegende fruchtbare Ebene und das
Thal Matavai, von einem Fluß durchschlängelt, gewähreten ihnen den reitzend-
sten Anblick. Hingegen, war auf der Südseite der Insel, der vielen Wolken
halber, nicht das Geringste zu unterscheiden. In wenig Augenblicken ward
auch das Uebrige des Horizonts wieder bedeckt, und es fiel ein dicker Nebel ein,
davon sie bis auf die Haut naß wurden. Beym Heruntersteigen hatte mein Va-
ter das Unglück, auf einer felsichten Stelle zu fallen, und ein Bein so schmerz-
haft zu verwunden, daß er darüber fast in Ohnmacht gesunken wäre. Indessen
erhohlte er sich wieder, und versuchte weiter zu gehen, fand aber, daß der
Schmerz am Fuße nur das kleinste Uebel sey, und daß er bey diesem Fall leyder
noch einen andern Schaden erlitten hatte, um dessenwillen er bis auf den
heutigen Tag eine Bandage tragen muß! Im Herabsteigen stützte er
sich auf seinen treuen Führer Tahea, und um vier Uhr Nachmittags
waren sie alle wieder an Bord. Die obersten Berge bestehen, ihrer
Aussage nach aus einer sehr festen und zähen Thon-Erde, in welcher
die Pflanzen vortreflich gedeihen, und in den Wäldern giebt es aller-
hand unbekannte Kräuter- und Holz-Arten. Unter den letzteren suchten
sie die wohlriechende Gattung ausfindig zu machen, womit die Tahitier ihr Oel
parfümiren. Tahea zeigte ihnen auch unterschiedne Gewächse, deren sie sich
zu diesem Endzweck bedienen; die kostbarste Art aber konnte oder wollte er

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
April.
der ploͤtzliche Anblick einer nahen Felſenkluft ſie zuruͤck ſchreckte. Noch hoͤ-
her hinauf erſtreckte ſich der Wald uͤber den ganzen Berg, und da gab es Pflan-
zen, dergleichen ihnen in den niedrigern Gegenden nirgends vorgekommen warm.
Als ſie die naͤchſte Bergſpitze erſtiegen hatten, fanden ſie eine ſehr gefaͤhrliche
Stelle vor ſich, und zu gleicher Zeit brach ein heftiger Regen ein; Tahea nahm
dieſe Gelegenheit wahr, und gab ihnen zu verſtehen, daß ſie nicht fuͤglich wei-
ter kommen koͤnnten. Um es jedoch nicht unverſucht zu laſſen, legten ſie ihre
ſchweren Saͤcke mit Pflanzen und Lebensmitteln an dieſer Stelle ab, nahmen
nichts als ein Gewehr mit ſich, und erreichten auf ſolche Art, in Zeit von einer
halben Stunde, wuͤrklich den oberſten Gipfel des Berges. Da nun mittlerweile
der Regen nachgelaſſen, und die Wolken ſich zertheilt hatten, ſo konnten ſie weit
ins Meer, und bis nach den Inſeln Huaheine, Tethuroa, und Tabbua-
mann
hinſehen. Die unter ihren Fuͤßen liegende fruchtbare Ebene und das
Thal Matavai, von einem Fluß durchſchlaͤngelt, gewaͤhreten ihnen den reitzend-
ſten Anblick. Hingegen, war auf der Suͤdſeite der Inſel, der vielen Wolken
halber, nicht das Geringſte zu unterſcheiden. In wenig Augenblicken ward
auch das Uebrige des Horizonts wieder bedeckt, und es fiel ein dicker Nebel ein,
davon ſie bis auf die Haut naß wurden. Beym Herunterſteigen hatte mein Va-
ter das Ungluͤck, auf einer felſichten Stelle zu fallen, und ein Bein ſo ſchmerz-
haft zu verwunden, daß er daruͤber faſt in Ohnmacht geſunken waͤre. Indeſſen
erhohlte er ſich wieder, und verſuchte weiter zu gehen, fand aber, daß der
Schmerz am Fuße nur das kleinſte Uebel ſey, und daß er bey dieſem Fall leyder
noch einen andern Schaden erlitten hatte, um deſſenwillen er bis auf den
heutigen Tag eine Bandage tragen muß! Im Herabſteigen ſtuͤtzte er
ſich auf ſeinen treuen Fuͤhrer Tahea, und um vier Uhr Nachmittags
waren ſie alle wieder an Bord. Die oberſten Berge beſtehen, ihrer
Ausſage nach aus einer ſehr feſten und zaͤhen Thon-Erde, in welcher
die Pflanzen vortreflich gedeihen, und in den Waͤldern giebt es aller-
hand unbekannte Kraͤuter- und Holz-Arten. Unter den letzteren ſuchten
ſie die wohlriechende Gattung ausfindig zu machen, womit die Tahitier ihr Oel
parfuͤmiren. Tahea zeigte ihnen auch unterſchiedne Gewaͤchſe, deren ſie ſich
zu dieſem Endzweck bedienen; die koſtbarſte Art aber konnte oder wollte er

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[62/0074] Forſter’s Reiſe um die Welt der ploͤtzliche Anblick einer nahen Felſenkluft ſie zuruͤck ſchreckte. Noch hoͤ- her hinauf erſtreckte ſich der Wald uͤber den ganzen Berg, und da gab es Pflan- zen, dergleichen ihnen in den niedrigern Gegenden nirgends vorgekommen warm. Als ſie die naͤchſte Bergſpitze erſtiegen hatten, fanden ſie eine ſehr gefaͤhrliche Stelle vor ſich, und zu gleicher Zeit brach ein heftiger Regen ein; Tahea nahm dieſe Gelegenheit wahr, und gab ihnen zu verſtehen, daß ſie nicht fuͤglich wei- ter kommen koͤnnten. Um es jedoch nicht unverſucht zu laſſen, legten ſie ihre ſchweren Saͤcke mit Pflanzen und Lebensmitteln an dieſer Stelle ab, nahmen nichts als ein Gewehr mit ſich, und erreichten auf ſolche Art, in Zeit von einer halben Stunde, wuͤrklich den oberſten Gipfel des Berges. Da nun mittlerweile der Regen nachgelaſſen, und die Wolken ſich zertheilt hatten, ſo konnten ſie weit ins Meer, und bis nach den Inſeln Huaheine, Tethuroa, und Tabbua- mann hinſehen. Die unter ihren Fuͤßen liegende fruchtbare Ebene und das Thal Matavai, von einem Fluß durchſchlaͤngelt, gewaͤhreten ihnen den reitzend- ſten Anblick. Hingegen, war auf der Suͤdſeite der Inſel, der vielen Wolken halber, nicht das Geringſte zu unterſcheiden. In wenig Augenblicken ward auch das Uebrige des Horizonts wieder bedeckt, und es fiel ein dicker Nebel ein, davon ſie bis auf die Haut naß wurden. Beym Herunterſteigen hatte mein Va- ter das Ungluͤck, auf einer felſichten Stelle zu fallen, und ein Bein ſo ſchmerz- haft zu verwunden, daß er daruͤber faſt in Ohnmacht geſunken waͤre. Indeſſen erhohlte er ſich wieder, und verſuchte weiter zu gehen, fand aber, daß der Schmerz am Fuße nur das kleinſte Uebel ſey, und daß er bey dieſem Fall leyder noch einen andern Schaden erlitten hatte, um deſſenwillen er bis auf den heutigen Tag eine Bandage tragen muß! Im Herabſteigen ſtuͤtzte er ſich auf ſeinen treuen Fuͤhrer Tahea, und um vier Uhr Nachmittags waren ſie alle wieder an Bord. Die oberſten Berge beſtehen, ihrer Ausſage nach aus einer ſehr feſten und zaͤhen Thon-Erde, in welcher die Pflanzen vortreflich gedeihen, und in den Waͤldern giebt es aller- hand unbekannte Kraͤuter- und Holz-Arten. Unter den letzteren ſuchten ſie die wohlriechende Gattung ausfindig zu machen, womit die Tahitier ihr Oel parfuͤmiren. Tahea zeigte ihnen auch unterſchiedne Gewaͤchſe, deren ſie ſich zu dieſem Endzweck bedienen; die koſtbarſte Art aber konnte oder wollte er 1774. April.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/74>, abgerufen am 24.11.2024.