1774. April.Früchte -- alles war bezaubernd und erfüllte uns mit theilnehmender Freude. Und wie süß ist nicht das Vergnügen, das ein Mensch von unverdorbnem Her- zen bey dem Glück seines Nebenmenschen fühlt! Es ist ohnfehlbar eine der schönsten Empfindungen, welche uns vor andern Geschöpfen adelt.
Am folgenden Morgen statteten der Capitain und mein Vater, dem Könige O-Tu, zu Parre, abermals einen Besuch ab. Sie fanden Tohah, den Ad- miral der Flotte, bey ihm, und der König übernahm es selbst, sie mit einander bekannt zu machen. Der Capitain lud sie ein, zu ihm an Bord zu kommen, und das thaten sie auch noch desselben Vormittages. Sowohl über, als unter dem Ver- deck wurden alle Winkel des Schiffs besichtigt, hauptsächlich dem Admiral Tohah zu gefallen, weil dieser noch nie auf einem europäischen Schiffe gewesen war. Er betrachtete die Menge neuer Gegenstände, besonders die Stärke und Größe der inneren Balken, der Maste und der Taue, mit mehr Aufmerksamkeit als bis da- hin andre Tahitier gethan hatten. Unser Takelwerk gefiel ihm so ausnehmend, daß er sich verschiedne Artikel, als Taue und Anker, ausbat. Er war jetzt um nichts besser als andre Bewohner dieser glücklichen Insel gekleidet, und gieng, der Anwesenheit des Königs wegen, bis auf die Hüften nackt. Sein Ansehen war in dieser Absicht vom gestrigen so sehr verschieden, daß ich Mühe hatte, ihn wieder zu kennen. Er kam mir heute sehr dickbäuchicht vor, welches ich gestern unter dem weiten und langen Krieges-Kleide, nicht wahrgenommen hatte. Sein Haar war silbergrau, und in seinen Minen fand ich etwas der- maaßen Gefälliges und Gutherziges, als ich noch nirgends auf diesen Inseln an- getroffen hatte. Der König sowohl als sein Admiral blieben bey uns zu Mit- tage, und aßen, von allem was ihnen vorgesetzt ward, mit herzlichem Appetite. O-Tu war nicht mehr der schüchterne, mistrauische Mann, der er sonst gewe- sen. Er schien bey uns zu Hause zu seyn, und machte sich ein Vergnügen dar- aus, Tohah in unsern Gebräuchen Unterricht zu geben. Er zeigte ihm, wie er Salz zum Fleische nehmen und Wein trinken müsse, trug auch kein Be- denken, ihm zum Exempel ein Glas voll auszuleeren, und scherzte sehr lebhaft mit seinem Admiral, den er gern überredet hätte, den rothen Wein für Blut anzusehn. Tohah kostete von unserm Grog, (einem Gemische von Branndtwein und Wasser,) verlangte aber bald Brandtewein allein zu haben, den er E-Wai no
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. April.Fruͤchte — alles war bezaubernd und erfuͤllte uns mit theilnehmender Freude. Und wie ſuͤß iſt nicht das Vergnuͤgen, das ein Menſch von unverdorbnem Her- zen bey dem Gluͤck ſeines Nebenmenſchen fuͤhlt! Es iſt ohnfehlbar eine der ſchoͤnſten Empfindungen, welche uns vor andern Geſchoͤpfen adelt.
Am folgenden Morgen ſtatteten der Capitain und mein Vater, dem Koͤnige O-Tu, zu Parre, abermals einen Beſuch ab. Sie fanden Tohah, den Ad- miral der Flotte, bey ihm, und der Koͤnig uͤbernahm es ſelbſt, ſie mit einander bekannt zu machen. Der Capitain lud ſie ein, zu ihm an Bord zu kommen, und das thaten ſie auch noch deſſelben Vormittages. Sowohl uͤber, als unter dem Ver- deck wurden alle Winkel des Schiffs beſichtigt, hauptſaͤchlich dem Admiral Tohah zu gefallen, weil dieſer noch nie auf einem europaͤiſchen Schiffe geweſen war. Er betrachtete die Menge neuer Gegenſtaͤnde, beſonders die Staͤrke und Groͤße der inneren Balken, der Maſte und der Taue, mit mehr Aufmerkſamkeit als bis da- hin andre Tahitier gethan hatten. Unſer Takelwerk gefiel ihm ſo ausnehmend, daß er ſich verſchiedne Artikel, als Taue und Anker, ausbat. Er war jetzt um nichts beſſer als andre Bewohner dieſer gluͤcklichen Inſel gekleidet, und gieng, der Anweſenheit des Koͤnigs wegen, bis auf die Huͤften nackt. Sein Anſehen war in dieſer Abſicht vom geſtrigen ſo ſehr verſchieden, daß ich Muͤhe hatte, ihn wieder zu kennen. Er kam mir heute ſehr dickbaͤuchicht vor, welches ich geſtern unter dem weiten und langen Krieges-Kleide, nicht wahrgenommen hatte. Sein Haar war ſilbergrau, und in ſeinen Minen fand ich etwas der- maaßen Gefaͤlliges und Gutherziges, als ich noch nirgends auf dieſen Inſeln an- getroffen hatte. Der Koͤnig ſowohl als ſein Admiral blieben bey uns zu Mit- tage, und aßen, von allem was ihnen vorgeſetzt ward, mit herzlichem Appetite. O-Tu war nicht mehr der ſchuͤchterne, mistrauiſche Mann, der er ſonſt gewe- ſen. Er ſchien bey uns zu Hauſe zu ſeyn, und machte ſich ein Vergnuͤgen dar- aus, Tohah in unſern Gebraͤuchen Unterricht zu geben. Er zeigte ihm, wie er Salz zum Fleiſche nehmen und Wein trinken muͤſſe, trug auch kein Be- denken, ihm zum Exempel ein Glas voll auszuleeren, und ſcherzte ſehr lebhaft mit ſeinem Admiral, den er gern uͤberredet haͤtte, den rothen Wein fuͤr Blut anzuſehn. Tohah koſtete von unſerm Grog, (einem Gemiſche von Branndtwein und Waſſer,) verlangte aber bald Brandtewein allein zu haben, den er E-Wai no
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Fruͤchte — alles war bezaubernd und erfuͤllte uns mit theilnehmender Freude.
Und wie ſuͤß iſt nicht das Vergnuͤgen, das ein Menſch von unverdorbnem Her-
zen bey dem Gluͤck ſeines Nebenmenſchen fuͤhlt! Es iſt ohnfehlbar eine der
ſchoͤnſten Empfindungen, welche uns vor andern Geſchoͤpfen adelt.
1774.
April.
Am folgenden Morgen ſtatteten der Capitain und mein Vater, dem Koͤnige
O-Tu, zu Parre, abermals einen Beſuch ab. Sie fanden Tohah, den Ad-
miral der Flotte, bey ihm, und der Koͤnig uͤbernahm es ſelbſt, ſie mit einander
bekannt zu machen. Der Capitain lud ſie ein, zu ihm an Bord zu kommen, und
das thaten ſie auch noch deſſelben Vormittages. Sowohl uͤber, als unter dem Ver-
deck wurden alle Winkel des Schiffs beſichtigt, hauptſaͤchlich dem Admiral Tohah
zu gefallen, weil dieſer noch nie auf einem europaͤiſchen Schiffe geweſen war. Er
betrachtete die Menge neuer Gegenſtaͤnde, beſonders die Staͤrke und Groͤße der
inneren Balken, der Maſte und der Taue, mit mehr Aufmerkſamkeit als bis da-
hin andre Tahitier gethan hatten. Unſer Takelwerk gefiel ihm ſo ausnehmend,
daß er ſich verſchiedne Artikel, als Taue und Anker, ausbat. Er war
jetzt um nichts beſſer als andre Bewohner dieſer gluͤcklichen Inſel gekleidet, und
gieng, der Anweſenheit des Koͤnigs wegen, bis auf die Huͤften nackt. Sein
Anſehen war in dieſer Abſicht vom geſtrigen ſo ſehr verſchieden, daß ich Muͤhe
hatte, ihn wieder zu kennen. Er kam mir heute ſehr dickbaͤuchicht vor, welches
ich geſtern unter dem weiten und langen Krieges-Kleide, nicht wahrgenommen
hatte. Sein Haar war ſilbergrau, und in ſeinen Minen fand ich etwas der-
maaßen Gefaͤlliges und Gutherziges, als ich noch nirgends auf dieſen Inſeln an-
getroffen hatte. Der Koͤnig ſowohl als ſein Admiral blieben bey uns zu Mit-
tage, und aßen, von allem was ihnen vorgeſetzt ward, mit herzlichem Appetite.
O-Tu war nicht mehr der ſchuͤchterne, mistrauiſche Mann, der er ſonſt gewe-
ſen. Er ſchien bey uns zu Hauſe zu ſeyn, und machte ſich ein Vergnuͤgen dar-
aus, Tohah in unſern Gebraͤuchen Unterricht zu geben. Er zeigte ihm, wie
er Salz zum Fleiſche nehmen und Wein trinken muͤſſe, trug auch kein Be-
denken, ihm zum Exempel ein Glas voll auszuleeren, und ſcherzte ſehr lebhaft mit
ſeinem Admiral, den er gern uͤberredet haͤtte, den rothen Wein fuͤr Blut anzuſehn.
Tohah koſtete von unſerm Grog, (einem Gemiſche von Branndtwein und
Waſſer,) verlangte aber bald Brandtewein allein zu haben, den er E-Wai no
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/64>, abgerufen am 16.08.2024.
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