Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
April.
chen sie ihren Feind in der Ferne zu erreichen wissen. Nächst den hundert und
neun und funfzig doppelten Krieges-Canots zählten wir, ausserhalb der Linie,
noch siebenzig kleinere, die auch mehrentheils doppelt und mit einem Dach auf
dem Hintertheil versehen waren, theils um den Befehlshabern zum Nachtlager,
theils aber auch, um als Proviant-Schiffe zu dienen. Noch andre lagen vol-
ler Pisang-Blätter, und nach der Aussage der Insulaner waren diese für die
Todten bestimmt. Sie nannten dieselben E-wa-no t' Eatua, d. i. Canots
der Gottheit
. Die große Menge der hier versammleten Leute war ungleich
mehr zu bewundern, als die Pracht des Aufzuges. Nach einem sehr mäßigen
Anschlage mußte die Bemannung der Flotte, wenigstens aus funfzehnhundert
Kriegern und viertausend Ruderern bestehen, diejenigen ungerechnet, welche sich
in den Proviant-Booten und am Strande befanden.

Wir hätten die Absicht einer so großen Zurüstung gern wißen mögen,
konnten aber vor der Hand nichts davon erfahren. Da der König den Distrikt
O-Parre verlassen und nach Matavai-Bay gegangen war; so kehrten wir,
ohne ihn gesprochen zu haben, gegen Mittag an Bord zurück. Hier fanden
wir viel Befehlshaber, unter andern auch Potatau, der mit uns speißte und
über Tische erzählte: die ganze Rüstung sey auf die Insel Eimeo gemünzt, de-
ren Befehlshaber ein Vasal von O-Tuh sey, aber sich empört habe. Zugleich
hörten wir, zu unserer noch größern Verwunderung, die Flotte, die wir gesehen,
sey bloß das Contingent des Districts Atahuru, und alle übrigen Districte,
könnten, nach Maaßgabe ihrer Größe, eine verhältnißmäßige Anzahl von Schif-
fen in See stellen. Dies gab uns über die wahre Volksmenge der Insel einen
neuen Aufschluß, und überzeugte uns augenscheinlich, daß sie ungleich ansehnlicher
sey, als wir bisher geglaubet hatten. Nach dem mäßigsten Anschlage müssen auf den
beyden Halb-Inseln von Tahiti ein hundert und zwanzig tausend Menschen
wohnen. *)


*) Auch dieser Anschlag ist immer noch zu gering. Wir sahen nemlich in der Folge, daß die
Flotte des kleinsten Districts aus nicht weniger denn vier und vierzig Kriegs-Canots, nebst
zwanzig bis fünf und zwanzig kleinern Fahrzeugen bestand, mithin mußte das Contingent
des Districts Atahuru, welches wir bey obiger Berechnung zum Grunde gelegt hatten, nicht
vollzählig gewesen seyn.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
April.
chen ſie ihren Feind in der Ferne zu erreichen wiſſen. Naͤchſt den hundert und
neun und funfzig doppelten Krieges-Canots zaͤhlten wir, auſſerhalb der Linie,
noch ſiebenzig kleinere, die auch mehrentheils doppelt und mit einem Dach auf
dem Hintertheil verſehen waren, theils um den Befehlshabern zum Nachtlager,
theils aber auch, um als Proviant-Schiffe zu dienen. Noch andre lagen vol-
ler Piſang-Blaͤtter, und nach der Ausſage der Inſulaner waren dieſe fuͤr die
Todten beſtimmt. Sie nannten dieſelben E-wa-no t’ Eatua, d. i. Canots
der Gottheit
. Die große Menge der hier verſammleten Leute war ungleich
mehr zu bewundern, als die Pracht des Aufzuges. Nach einem ſehr maͤßigen
Anſchlage mußte die Bemannung der Flotte, wenigſtens aus funfzehnhundert
Kriegern und viertauſend Ruderern beſtehen, diejenigen ungerechnet, welche ſich
in den Proviant-Booten und am Strande befanden.

Wir haͤtten die Abſicht einer ſo großen Zuruͤſtung gern wißen moͤgen,
konnten aber vor der Hand nichts davon erfahren. Da der Koͤnig den Diſtrikt
O-Parre verlaſſen und nach Matavai-Bay gegangen war; ſo kehrten wir,
ohne ihn geſprochen zu haben, gegen Mittag an Bord zuruͤck. Hier fanden
wir viel Befehlshaber, unter andern auch Potatau, der mit uns ſpeißte und
uͤber Tiſche erzaͤhlte: die ganze Ruͤſtung ſey auf die Inſel Eimeo gemuͤnzt, de-
ren Befehlshaber ein Vaſal von O-Tuh ſey, aber ſich empoͤrt habe. Zugleich
hoͤrten wir, zu unſerer noch groͤßern Verwunderung, die Flotte, die wir geſehen,
ſey bloß das Contingent des Diſtricts Atahuru, und alle uͤbrigen Diſtricte,
koͤnnten, nach Maaßgabe ihrer Groͤße, eine verhaͤltnißmaͤßige Anzahl von Schif-
fen in See ſtellen. Dies gab uns uͤber die wahre Volksmenge der Inſel einen
neuen Aufſchluß, und uͤberzeugte uns augenſcheinlich, daß ſie ungleich anſehnlicher
ſey, als wir bisher geglaubet hatten. Nach dem maͤßigſten Anſchlage muͤſſen auf den
beyden Halb-Inſeln von Tahiti ein hundert und zwanzig tauſend Menſchen
wohnen. *)


*) Auch dieſer Anſchlag iſt immer noch zu gering. Wir ſahen nemlich in der Folge, daß die
Flotte des kleinſten Diſtricts aus nicht weniger denn vier und vierzig Kriegs-Canots, nebſt
zwanzig bis fuͤnf und zwanzig kleinern Fahrzeugen beſtand, mithin mußte das Contingent
des Diſtricts Atahuru, welches wir bey obiger Berechnung zum Grunde gelegt hatten, nicht
vollzaͤhlig geweſen ſeyn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
April.</note>chen &#x017F;ie ihren Feind in der Ferne zu erreichen wi&#x017F;&#x017F;en. Na&#x0364;ch&#x017F;t den hundert und<lb/>
neun und funfzig doppelten Krieges-Canots za&#x0364;hlten wir, au&#x017F;&#x017F;erhalb der Linie,<lb/>
noch &#x017F;iebenzig kleinere, die auch mehrentheils doppelt und mit einem Dach auf<lb/>
dem Hintertheil ver&#x017F;ehen waren, theils um den Befehlshabern zum Nachtlager,<lb/>
theils aber auch, um als Proviant-Schiffe zu dienen. Noch andre lagen vol-<lb/>
ler <hi rendition="#fr">Pi&#x017F;ang-Bla&#x0364;tter</hi>, und nach der Aus&#x017F;age der In&#x017F;ulaner waren die&#x017F;e fu&#x0364;r die<lb/>
Todten be&#x017F;timmt. Sie nannten die&#x017F;elben <hi rendition="#fr">E-wa-no t&#x2019; Eatua</hi>, d. i. <hi rendition="#fr">Canots<lb/>
der Gottheit</hi>. Die große Menge der hier ver&#x017F;ammleten Leute war ungleich<lb/>
mehr zu bewundern, als die Pracht des Aufzuges. Nach einem &#x017F;ehr ma&#x0364;ßigen<lb/>
An&#x017F;chlage mußte die Bemannung der Flotte, wenig&#x017F;tens aus funfzehnhundert<lb/>
Kriegern und viertau&#x017F;end Ruderern be&#x017F;tehen, diejenigen ungerechnet, welche &#x017F;ich<lb/>
in den Proviant-Booten und am Strande befanden.</p><lb/>
        <p>Wir ha&#x0364;tten die Ab&#x017F;icht einer &#x017F;o großen Zuru&#x0364;&#x017F;tung gern wißen mo&#x0364;gen,<lb/>
konnten aber vor der Hand nichts davon erfahren. Da der Ko&#x0364;nig den Di&#x017F;trikt<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>O-Parre</placeName></hi> verla&#x017F;&#x017F;en und nach <hi rendition="#fr"><placeName>Matavai-Bay</placeName></hi> gegangen war; &#x017F;o kehrten wir,<lb/>
ohne ihn ge&#x017F;prochen zu haben, gegen Mittag an Bord zuru&#x0364;ck. Hier fanden<lb/>
wir viel Befehlshaber, unter andern auch <hi rendition="#fr"><persName>Potatau</persName></hi>, der mit uns &#x017F;peißte und<lb/>
u&#x0364;ber Ti&#x017F;che erza&#x0364;hlte: die ganze Ru&#x0364;&#x017F;tung &#x017F;ey auf die In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Eimeo</placeName></hi> gemu&#x0364;nzt, de-<lb/>
ren Befehlshaber ein Va&#x017F;al von <hi rendition="#fr"><persName>O-Tuh</persName></hi> &#x017F;ey, aber &#x017F;ich empo&#x0364;rt habe. Zugleich<lb/>
ho&#x0364;rten wir, zu un&#x017F;erer noch gro&#x0364;ßern Verwunderung, die Flotte, die wir ge&#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;ey bloß das Contingent des Di&#x017F;tricts <hi rendition="#fr"><placeName>Atahuru</placeName></hi>, und alle u&#x0364;brigen Di&#x017F;tricte,<lb/>
ko&#x0364;nnten, nach Maaßgabe ihrer Gro&#x0364;ße, eine verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßige Anzahl von Schif-<lb/>
fen in See &#x017F;tellen. Dies gab uns u&#x0364;ber die wahre Volksmenge der In&#x017F;el einen<lb/>
neuen Auf&#x017F;chluß, und u&#x0364;berzeugte uns augen&#x017F;cheinlich, daß &#x017F;ie ungleich an&#x017F;ehnlicher<lb/>
&#x017F;ey, als wir bisher geglaubet hatten. Nach dem ma&#x0364;ßig&#x017F;ten An&#x017F;chlage mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auf den<lb/>
beyden Halb-In&#x017F;eln von <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> ein hundert und zwanzig tau&#x017F;end Men&#x017F;chen<lb/>
wohnen. <note place="foot" n="*)">Auch die&#x017F;er An&#x017F;chlag i&#x017F;t immer noch zu gering. Wir &#x017F;ahen nemlich in der Folge, daß die<lb/>
Flotte des klein&#x017F;ten Di&#x017F;tricts aus nicht weniger denn vier und vierzig Kriegs-Canots, neb&#x017F;t<lb/>
zwanzig bis fu&#x0364;nf und zwanzig kleinern Fahrzeugen be&#x017F;tand, mithin mußte das Contingent<lb/>
des Di&#x017F;tricts <placeName>Atahuru</placeName>, welches wir bey obiger Berechnung zum Grunde gelegt hatten, nicht<lb/>
vollza&#x0364;hlig gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0062] Forſter’s Reiſe um die Welt chen ſie ihren Feind in der Ferne zu erreichen wiſſen. Naͤchſt den hundert und neun und funfzig doppelten Krieges-Canots zaͤhlten wir, auſſerhalb der Linie, noch ſiebenzig kleinere, die auch mehrentheils doppelt und mit einem Dach auf dem Hintertheil verſehen waren, theils um den Befehlshabern zum Nachtlager, theils aber auch, um als Proviant-Schiffe zu dienen. Noch andre lagen vol- ler Piſang-Blaͤtter, und nach der Ausſage der Inſulaner waren dieſe fuͤr die Todten beſtimmt. Sie nannten dieſelben E-wa-no t’ Eatua, d. i. Canots der Gottheit. Die große Menge der hier verſammleten Leute war ungleich mehr zu bewundern, als die Pracht des Aufzuges. Nach einem ſehr maͤßigen Anſchlage mußte die Bemannung der Flotte, wenigſtens aus funfzehnhundert Kriegern und viertauſend Ruderern beſtehen, diejenigen ungerechnet, welche ſich in den Proviant-Booten und am Strande befanden. 1774. April. Wir haͤtten die Abſicht einer ſo großen Zuruͤſtung gern wißen moͤgen, konnten aber vor der Hand nichts davon erfahren. Da der Koͤnig den Diſtrikt O-Parre verlaſſen und nach Matavai-Bay gegangen war; ſo kehrten wir, ohne ihn geſprochen zu haben, gegen Mittag an Bord zuruͤck. Hier fanden wir viel Befehlshaber, unter andern auch Potatau, der mit uns ſpeißte und uͤber Tiſche erzaͤhlte: die ganze Ruͤſtung ſey auf die Inſel Eimeo gemuͤnzt, de- ren Befehlshaber ein Vaſal von O-Tuh ſey, aber ſich empoͤrt habe. Zugleich hoͤrten wir, zu unſerer noch groͤßern Verwunderung, die Flotte, die wir geſehen, ſey bloß das Contingent des Diſtricts Atahuru, und alle uͤbrigen Diſtricte, koͤnnten, nach Maaßgabe ihrer Groͤße, eine verhaͤltnißmaͤßige Anzahl von Schif- fen in See ſtellen. Dies gab uns uͤber die wahre Volksmenge der Inſel einen neuen Aufſchluß, und uͤberzeugte uns augenſcheinlich, daß ſie ungleich anſehnlicher ſey, als wir bisher geglaubet hatten. Nach dem maͤßigſten Anſchlage muͤſſen auf den beyden Halb-Inſeln von Tahiti ein hundert und zwanzig tauſend Menſchen wohnen. *) *) Auch dieſer Anſchlag iſt immer noch zu gering. Wir ſahen nemlich in der Folge, daß die Flotte des kleinſten Diſtricts aus nicht weniger denn vier und vierzig Kriegs-Canots, nebſt zwanzig bis fuͤnf und zwanzig kleinern Fahrzeugen beſtand, mithin mußte das Contingent des Diſtricts Atahuru, welches wir bey obiger Berechnung zum Grunde gelegt hatten, nicht vollzaͤhlig geweſen ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/62
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/62>, abgerufen am 27.11.2024.