Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1775.
Julius.
stens vier Pfund Sterling werth, so daß er an 1200 Pf. Sterling jährlich ein-
nimmt. Jede Insel steht unter einem Capitan-Mor, oder Commendanten,
der die Aufsicht über das Polizeywesen, die Miliz und die Einkünfte hat. Ein
Juiz oder Richter steht den Civil-Gesetzen auf jeder Insel vor; man appellirt
von ihm an ein höheres Gericht in Terceira, und von diesem wiederum nach
Lissabon, an das oberste Gericht. Die Einwohner sollen sehr streitsüchtig seyn,
und daher den Advocaten viel zu thun geben.

Die Insel Corvo, die kleinste der Azoren, enthält kaum sechs hundert
Einwohner, die größtentheils Weizen bauen, und Schweine mästen, davon sie
jährlich eine geringe Quantität Speck ausführen.

Die Insel Flores ist etwas größer, fruchtbarer und volkreicher, und
führt ohngefähr 600 Muys Weizen, und etwas Speck aus. Allein da auf die-
sen beyden Inseln kein Wein gebauet wird, so müssen sie sich damit von Fayal aus
versehen. Vor vielen Jahren scheiterte ein großes reichbeladnes Spanisches
Kriegsschiff an der Küste von Flores. Doch ward die Mannschaft und die La-
dung gerettet. Diese Spanier brachten die venerische Krankheit auf die Insel,
woselbst man sie zuvor gar nicht gekannt hatte; und weil das Frauenzimmer ihren
reichen Geschenken nicht widerstehen konnte, so waren in kurzer Zeit alle Ein-
wohner ohne Ausnahme angesteckt. Um für dies Verbrechen gewissermaßen zu
büßen, bauten sie mit großen Kosten eine Kirche, welche jetzt für das schönste
Gebäude in den Azoren gehalten wird. Die Seuche hat sich indessen so wie in
Peru, und hie und da in Siberien, also auch auf dieser Insel dermaßen fort-
gepflanzt, daß niemand davon frey ist.

Fayal ist eine der größern Azoren, indem sie von Ost nach Westen neun
große Seemeilen (leagues) lang, und viere breit ist. Der jetzige Commendant
oder Capitan-Mor, hieß Senhor Thomas Francisco Brum de Silveyra.
Man hielt ihn für geizig und geldgierig, und versicherte uns, daß er aus keiner an-
dern Ursache beständig auf dem Lande wohne, als um dadurch den Umgang mit
Fremden und Einwohnern zu vermeiden. Der Richter von Fayal ward mit dem
neuen General-Gouverneur aus Portugal erwartet. Das Haupt der Geistlich-
keit wird auf dieser Insel nur Oviedor (auditor) genannt, und war Pfarrer
an der Hauptkirche in der Stadt.


Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
Julius.
ſtens vier Pfund Sterling werth, ſo daß er an 1200 Pf. Sterling jaͤhrlich ein-
nimmt. Jede Inſel ſteht unter einem Capitan-Mor, oder Commendanten,
der die Aufſicht uͤber das Polizeyweſen, die Miliz und die Einkuͤnfte hat. Ein
Juiz oder Richter ſteht den Civil-Geſetzen auf jeder Inſel vor; man appellirt
von ihm an ein hoͤheres Gericht in Terceira, und von dieſem wiederum nach
Liſſabon, an das oberſte Gericht. Die Einwohner ſollen ſehr ſtreitſuͤchtig ſeyn,
und daher den Advocaten viel zu thun geben.

Die Inſel Corvo, die kleinſte der Azoren, enthaͤlt kaum ſechs hundert
Einwohner, die groͤßtentheils Weizen bauen, und Schweine maͤſten, davon ſie
jaͤhrlich eine geringe Quantitaͤt Speck ausfuͤhren.

Die Inſel Flores iſt etwas groͤßer, fruchtbarer und volkreicher, und
fuͤhrt ohngefaͤhr 600 Muys Weizen, und etwas Speck aus. Allein da auf die-
ſen beyden Inſeln kein Wein gebauet wird, ſo muͤſſen ſie ſich damit von Fayal aus
verſehen. Vor vielen Jahren ſcheiterte ein großes reichbeladnes Spaniſches
Kriegsſchiff an der Kuͤſte von Flores. Doch ward die Mannſchaft und die La-
dung gerettet. Dieſe Spanier brachten die veneriſche Krankheit auf die Inſel,
woſelbſt man ſie zuvor gar nicht gekannt hatte; und weil das Frauenzimmer ihren
reichen Geſchenken nicht widerſtehen konnte, ſo waren in kurzer Zeit alle Ein-
wohner ohne Ausnahme angeſteckt. Um fuͤr dies Verbrechen gewiſſermaßen zu
buͤßen, bauten ſie mit großen Koſten eine Kirche, welche jetzt fuͤr das ſchoͤnſte
Gebaͤude in den Azoren gehalten wird. Die Seuche hat ſich indeſſen ſo wie in
Peru, und hie und da in Siberien, alſo auch auf dieſer Inſel dermaßen fort-
gepflanzt, daß niemand davon frey iſt.

Fayal iſt eine der groͤßern Azoren, indem ſie von Oſt nach Weſten neun
große Seemeilen (leagues) lang, und viere breit iſt. Der jetzige Commendant
oder Capitan-Mor, hieß Senhor Thomas Francisco Brum de Silveyra.
Man hielt ihn fuͤr geizig und geldgierig, und verſicherte uns, daß er aus keiner an-
dern Urſache beſtaͤndig auf dem Lande wohne, als um dadurch den Umgang mit
Fremden und Einwohnern zu vermeiden. Der Richter von Fayal ward mit dem
neuen General-Gouverneur aus Portugal erwartet. Das Haupt der Geiſtlich-
keit wird auf dieſer Inſel nur Oviedor (auditor) genannt, und war Pfarrer
an der Hauptkirche in der Stadt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0476" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1775.<lb/>
Julius.</note>&#x017F;tens vier Pfund Sterling werth, &#x017F;o daß er an 1200 Pf. Sterling ja&#x0364;hrlich ein-<lb/>
nimmt. Jede In&#x017F;el &#x017F;teht unter einem Capitan-Mor, oder Commendanten,<lb/>
der die Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber das Polizeywe&#x017F;en, die Miliz und die Einku&#x0364;nfte hat. Ein<lb/><hi rendition="#fr">Juiz</hi> oder Richter &#x017F;teht den Civil-Ge&#x017F;etzen auf jeder In&#x017F;el vor; man appellirt<lb/>
von ihm an ein ho&#x0364;heres Gericht in <placeName>Terceira</placeName>, und von die&#x017F;em wiederum nach<lb/><placeName>Li&#x017F;&#x017F;abon</placeName>, an das ober&#x017F;te Gericht. Die Einwohner &#x017F;ollen &#x017F;ehr &#x017F;treit&#x017F;u&#x0364;chtig &#x017F;eyn,<lb/>
und daher den Advocaten viel zu thun geben.</p><lb/>
        <p>Die In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Corvo</placeName></hi>, die klein&#x017F;te der <placeName>Azoren</placeName>, entha&#x0364;lt kaum &#x017F;echs hundert<lb/>
Einwohner, die gro&#x0364;ßtentheils Weizen bauen, und Schweine ma&#x0364;&#x017F;ten, davon &#x017F;ie<lb/>
ja&#x0364;hrlich eine geringe Quantita&#x0364;t Speck ausfu&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>Die In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Flores</placeName></hi> i&#x017F;t etwas gro&#x0364;ßer, fruchtbarer und volkreicher, und<lb/>
fu&#x0364;hrt ohngefa&#x0364;hr 600 Muys Weizen, und etwas Speck aus. Allein da auf die-<lb/>
&#x017F;en beyden In&#x017F;eln kein Wein gebauet wird, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich damit von <placeName>Fayal</placeName> aus<lb/>
ver&#x017F;ehen. Vor vielen Jahren &#x017F;cheiterte ein großes reichbeladnes Spani&#x017F;ches<lb/>
Kriegs&#x017F;chiff an der Ku&#x0364;&#x017F;te von <placeName>Flores</placeName>. Doch ward die Mann&#x017F;chaft und die La-<lb/>
dung gerettet. Die&#x017F;e Spanier brachten die veneri&#x017F;che Krankheit auf die In&#x017F;el,<lb/>
wo&#x017F;elb&#x017F;t man &#x017F;ie zuvor gar nicht gekannt hatte; und weil das Frauenzimmer ihren<lb/>
reichen Ge&#x017F;chenken nicht wider&#x017F;tehen konnte, &#x017F;o waren in kurzer Zeit alle Ein-<lb/>
wohner ohne Ausnahme ange&#x017F;teckt. Um fu&#x0364;r dies Verbrechen gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen zu<lb/>
bu&#x0364;ßen, bauten &#x017F;ie mit großen Ko&#x017F;ten eine Kirche, welche jetzt fu&#x0364;r das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
Geba&#x0364;ude in den <placeName>Azoren</placeName> gehalten wird. Die Seuche hat &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o wie in<lb/><placeName>Peru</placeName>, und hie und da in <placeName>Siberien</placeName>, al&#x017F;o auch auf die&#x017F;er In&#x017F;el dermaßen fort-<lb/>
gepflanzt, daß niemand davon frey i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr"><placeName>Fayal</placeName></hi> i&#x017F;t eine der gro&#x0364;ßern <placeName>Azoren</placeName>, indem &#x017F;ie von O&#x017F;t nach We&#x017F;ten neun<lb/>
große Seemeilen (<hi rendition="#aq">leagues</hi>) lang, und viere breit i&#x017F;t. Der jetzige Commendant<lb/>
oder Capitan-Mor, hieß <hi rendition="#fr">Senhor <persName>Thomas Francisco Brum de Silveyra</persName></hi>.<lb/>
Man hielt ihn fu&#x0364;r geizig und geldgierig, und ver&#x017F;icherte uns, daß er aus keiner an-<lb/>
dern Ur&#x017F;ache be&#x017F;ta&#x0364;ndig auf dem Lande wohne, als um dadurch den Umgang mit<lb/>
Fremden und Einwohnern zu vermeiden. Der Richter von <placeName>Fayal</placeName> ward mit dem<lb/>
neuen General-Gouverneur aus <placeName>Portugal</placeName> erwartet. Das Haupt der Gei&#x017F;tlich-<lb/>
keit wird auf die&#x017F;er In&#x017F;el nur <hi rendition="#aq">Oviedor (<hi rendition="#i">auditor</hi>)</hi> genannt, und war Pfarrer<lb/>
an der Hauptkirche in der Stadt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0476] Forſter’s Reiſe um die Welt ſtens vier Pfund Sterling werth, ſo daß er an 1200 Pf. Sterling jaͤhrlich ein- nimmt. Jede Inſel ſteht unter einem Capitan-Mor, oder Commendanten, der die Aufſicht uͤber das Polizeyweſen, die Miliz und die Einkuͤnfte hat. Ein Juiz oder Richter ſteht den Civil-Geſetzen auf jeder Inſel vor; man appellirt von ihm an ein hoͤheres Gericht in Terceira, und von dieſem wiederum nach Liſſabon, an das oberſte Gericht. Die Einwohner ſollen ſehr ſtreitſuͤchtig ſeyn, und daher den Advocaten viel zu thun geben. 1775. Julius. Die Inſel Corvo, die kleinſte der Azoren, enthaͤlt kaum ſechs hundert Einwohner, die groͤßtentheils Weizen bauen, und Schweine maͤſten, davon ſie jaͤhrlich eine geringe Quantitaͤt Speck ausfuͤhren. Die Inſel Flores iſt etwas groͤßer, fruchtbarer und volkreicher, und fuͤhrt ohngefaͤhr 600 Muys Weizen, und etwas Speck aus. Allein da auf die- ſen beyden Inſeln kein Wein gebauet wird, ſo muͤſſen ſie ſich damit von Fayal aus verſehen. Vor vielen Jahren ſcheiterte ein großes reichbeladnes Spaniſches Kriegsſchiff an der Kuͤſte von Flores. Doch ward die Mannſchaft und die La- dung gerettet. Dieſe Spanier brachten die veneriſche Krankheit auf die Inſel, woſelbſt man ſie zuvor gar nicht gekannt hatte; und weil das Frauenzimmer ihren reichen Geſchenken nicht widerſtehen konnte, ſo waren in kurzer Zeit alle Ein- wohner ohne Ausnahme angeſteckt. Um fuͤr dies Verbrechen gewiſſermaßen zu buͤßen, bauten ſie mit großen Koſten eine Kirche, welche jetzt fuͤr das ſchoͤnſte Gebaͤude in den Azoren gehalten wird. Die Seuche hat ſich indeſſen ſo wie in Peru, und hie und da in Siberien, alſo auch auf dieſer Inſel dermaßen fort- gepflanzt, daß niemand davon frey iſt. Fayal iſt eine der groͤßern Azoren, indem ſie von Oſt nach Weſten neun große Seemeilen (leagues) lang, und viere breit iſt. Der jetzige Commendant oder Capitan-Mor, hieß Senhor Thomas Francisco Brum de Silveyra. Man hielt ihn fuͤr geizig und geldgierig, und verſicherte uns, daß er aus keiner an- dern Urſache beſtaͤndig auf dem Lande wohne, als um dadurch den Umgang mit Fremden und Einwohnern zu vermeiden. Der Richter von Fayal ward mit dem neuen General-Gouverneur aus Portugal erwartet. Das Haupt der Geiſtlich- keit wird auf dieſer Inſel nur Oviedor (auditor) genannt, und war Pfarrer an der Hauptkirche in der Stadt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/476
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/476>, abgerufen am 24.11.2024.