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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1775.
Julius.
noch einen Spatziergang. Wir giengen beym Capuciner-Kloster des h. Antonii,
auf dem Hügel, vorüber, und nahmen ein paar lebhafte kleine Burschen zu
Wegweisern an, weil wir einen Bach oder ein Flüßgen zu sehen wünschten, wo-
durch die Landschaft natürlicher Weise verschönert werden mußte. Nachdem wir
einige romantische Hügel und Wälder zurückgelassen, woselbst Herr Hodges ver-
schiedne Zeichnungen machte, so sahen wir eine schöne fruchtbare Ebene vor uns
liegen, die ganz mit Kornfeldern und Wiesen bedeckt war, und woselbst in einem
Wäldchen von Espen und Buchen das Dorf Nossa Senhora de la Luz lag.
An diesem Orte trennten wir uns, und nur die Herren Patton und Hodges
giengen mit mir an dem so lange gesuchten Bach. Wir wurden anfänglich ziem-
lich in unsrer Erwartung betrogen, indem wir nur das breite und tiefe Lager ei-
nes starken Stroms erblickten, darinn an einer Seite ein kleiner unbeträchtlicher
Bach zwischen den Klippen und Kieseln hinabrieselte. Allein auf Zureden
unsrer kleinen Wegweiser, giengen wir endlich hinunter, und kamen bald an eine
Quelle, woselbst mehrere Mädchen Wasser schöpften. Wir bemerkten eine unter
ihnen, deren Kleidung und weißere Haut sie vor den andern als eine Person von
höherm Range auszeichnete, dabey ihr auch immer der Titel Senhora beygelegt
ward. Indessen hatte sie deshalb gar kein Vorrecht, sondern füllte ihre Eimer so
gut, wie die andern. Wir fanden viel Vergnügen an diesem Ueberbleibsel von
patriarchalischer Einfalt, die um so merkwürdiger in einem gesitteten Lande war,
wo Stolz und Faulheit die Unterscheidungszeichen des höheren Standes gewor-
den sind. Wir giengen in dem Lager dieses Regenbachs fort, welches, wie man
uns versicherte, im Winter ganz mit Wasser angefüllt ist, indem um die Jahrs-
zeit starke Regengüsse sehr gewöhnlich sind. Die Einwohner erwarteten eben
jetzt einen Regen, und hatten daher viele Bündel Flachs in das trockne Lager
des Flusses gelegt, um sie da einweichen zu lassen. Dieser Flachs war lang,
und allem Anschein nach von vorzüglicher Güte, und wird auf der Insel selbst
zu grober Leinwand gemacht. Wir kamen sehr ermüdet in die Stadt zurück, da
es schon anfieng finster zu werden. Unterweges hielten wir bey der Hütte eines
Bauren an, wo wir den gemeinen Landwein schmeckten, der zwar etwas herb,
aber übrigens gesund und gut war. Der Regen, den die Leute erwartet hatten,
fiel würklich gleich nach unsrer Rückkunft ein; und man sagte, er wäre zu dieser

Jahres-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
Julius.
noch einen Spatziergang. Wir giengen beym Capuciner-Kloſter des h. Antonii,
auf dem Huͤgel, voruͤber, und nahmen ein paar lebhafte kleine Burſchen zu
Wegweiſern an, weil wir einen Bach oder ein Fluͤßgen zu ſehen wuͤnſchten, wo-
durch die Landſchaft natuͤrlicher Weiſe verſchoͤnert werden mußte. Nachdem wir
einige romantiſche Huͤgel und Waͤlder zuruͤckgelaſſen, woſelbſt Herr Hodges ver-
ſchiedne Zeichnungen machte, ſo ſahen wir eine ſchoͤne fruchtbare Ebene vor uns
liegen, die ganz mit Kornfeldern und Wieſen bedeckt war, und woſelbſt in einem
Waͤldchen von Espen und Buchen das Dorf Noſſa Senhora de la Luz lag.
An dieſem Orte trennten wir uns, und nur die Herren Patton und Hodges
giengen mit mir an dem ſo lange geſuchten Bach. Wir wurden anfaͤnglich ziem-
lich in unſrer Erwartung betrogen, indem wir nur das breite und tiefe Lager ei-
nes ſtarken Stroms erblickten, darinn an einer Seite ein kleiner unbetraͤchtlicher
Bach zwiſchen den Klippen und Kieſeln hinabrieſelte. Allein auf Zureden
unſrer kleinen Wegweiſer, giengen wir endlich hinunter, und kamen bald an eine
Quelle, woſelbſt mehrere Maͤdchen Waſſer ſchoͤpften. Wir bemerkten eine unter
ihnen, deren Kleidung und weißere Haut ſie vor den andern als eine Perſon von
hoͤherm Range auszeichnete, dabey ihr auch immer der Titel Senhora beygelegt
ward. Indeſſen hatte ſie deshalb gar kein Vorrecht, ſondern fuͤllte ihre Eimer ſo
gut, wie die andern. Wir fanden viel Vergnuͤgen an dieſem Ueberbleibſel von
patriarchaliſcher Einfalt, die um ſo merkwuͤrdiger in einem geſitteten Lande war,
wo Stolz und Faulheit die Unterſcheidungszeichen des hoͤheren Standes gewor-
den ſind. Wir giengen in dem Lager dieſes Regenbachs fort, welches, wie man
uns verſicherte, im Winter ganz mit Waſſer angefuͤllt iſt, indem um die Jahrs-
zeit ſtarke Regenguͤſſe ſehr gewoͤhnlich ſind. Die Einwohner erwarteten eben
jetzt einen Regen, und hatten daher viele Buͤndel Flachs in das trockne Lager
des Fluſſes gelegt, um ſie da einweichen zu laſſen. Dieſer Flachs war lang,
und allem Anſchein nach von vorzuͤglicher Guͤte, und wird auf der Inſel ſelbſt
zu grober Leinwand gemacht. Wir kamen ſehr ermuͤdet in die Stadt zuruͤck, da
es ſchon anfieng finſter zu werden. Unterweges hielten wir bey der Huͤtte eines
Bauren an, wo wir den gemeinen Landwein ſchmeckten, der zwar etwas herb,
aber uͤbrigens geſund und gut war. Der Regen, den die Leute erwartet hatten,
fiel wuͤrklich gleich nach unſrer Ruͤckkunft ein; und man ſagte, er waͤre zu dieſer

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[456/0474] Forſter’s Reiſe um die Welt noch einen Spatziergang. Wir giengen beym Capuciner-Kloſter des h. Antonii, auf dem Huͤgel, voruͤber, und nahmen ein paar lebhafte kleine Burſchen zu Wegweiſern an, weil wir einen Bach oder ein Fluͤßgen zu ſehen wuͤnſchten, wo- durch die Landſchaft natuͤrlicher Weiſe verſchoͤnert werden mußte. Nachdem wir einige romantiſche Huͤgel und Waͤlder zuruͤckgelaſſen, woſelbſt Herr Hodges ver- ſchiedne Zeichnungen machte, ſo ſahen wir eine ſchoͤne fruchtbare Ebene vor uns liegen, die ganz mit Kornfeldern und Wieſen bedeckt war, und woſelbſt in einem Waͤldchen von Espen und Buchen das Dorf Noſſa Senhora de la Luz lag. An dieſem Orte trennten wir uns, und nur die Herren Patton und Hodges giengen mit mir an dem ſo lange geſuchten Bach. Wir wurden anfaͤnglich ziem- lich in unſrer Erwartung betrogen, indem wir nur das breite und tiefe Lager ei- nes ſtarken Stroms erblickten, darinn an einer Seite ein kleiner unbetraͤchtlicher Bach zwiſchen den Klippen und Kieſeln hinabrieſelte. Allein auf Zureden unſrer kleinen Wegweiſer, giengen wir endlich hinunter, und kamen bald an eine Quelle, woſelbſt mehrere Maͤdchen Waſſer ſchoͤpften. Wir bemerkten eine unter ihnen, deren Kleidung und weißere Haut ſie vor den andern als eine Perſon von hoͤherm Range auszeichnete, dabey ihr auch immer der Titel Senhora beygelegt ward. Indeſſen hatte ſie deshalb gar kein Vorrecht, ſondern fuͤllte ihre Eimer ſo gut, wie die andern. Wir fanden viel Vergnuͤgen an dieſem Ueberbleibſel von patriarchaliſcher Einfalt, die um ſo merkwuͤrdiger in einem geſitteten Lande war, wo Stolz und Faulheit die Unterſcheidungszeichen des hoͤheren Standes gewor- den ſind. Wir giengen in dem Lager dieſes Regenbachs fort, welches, wie man uns verſicherte, im Winter ganz mit Waſſer angefuͤllt iſt, indem um die Jahrs- zeit ſtarke Regenguͤſſe ſehr gewoͤhnlich ſind. Die Einwohner erwarteten eben jetzt einen Regen, und hatten daher viele Buͤndel Flachs in das trockne Lager des Fluſſes gelegt, um ſie da einweichen zu laſſen. Dieſer Flachs war lang, und allem Anſchein nach von vorzuͤglicher Guͤte, und wird auf der Inſel ſelbſt zu grober Leinwand gemacht. Wir kamen ſehr ermuͤdet in die Stadt zuruͤck, da es ſchon anfieng finſter zu werden. Unterweges hielten wir bey der Huͤtte eines Bauren an, wo wir den gemeinen Landwein ſchmeckten, der zwar etwas herb, aber uͤbrigens geſund und gut war. Der Regen, den die Leute erwartet hatten, fiel wuͤrklich gleich nach unſrer Ruͤckkunft ein; und man ſagte, er waͤre zu dieſer Jahres- 1775. Julius.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/474>, abgerufen am 24.11.2024.