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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1775.
März.
Windes drinnen auszuspähen; und die allgemeine Unruhe lies sich fast gar nicht
beschreiben. Unsere Reise hatte jetzt 27 Monathe nach der Abreise vom Cap ge-
dauert; seit welcher Zeit wir in keinem Europäischen Haven angelegt, und uns größ-
tentheils von gesalzenem Fleisch genährt hatten. Wenn wir alle die Tage zusammen-
rechneten, die wir in diesem langen Zeitraum, am Lande zugebracht, konnten
wir nicht über 180 oder kaum ein halbes Jahr herausbringen. Dies war un-
sre einzige Erfrischungszeit gewesen, und auch während dieser Tage, erhielten
wir nicht immer frische Lebensmittel, z. B. während der Zeit, da wir die letzten
Entdeckungen im stillen Meere machten. Der Lauf von Neu-Seeland nach dem
Cap der guten Hofnung war der längste und schwerste, den wir je unternommen;
denn die wenigen Erfrischungen im Christmeß-Haven, und auf den Neu-Jahrs-
Eilanden
, waren nicht zureichend, der ganzen Mannschaft mehr als vier bis fünf
frische Mahlzeiten zu geben. Setzen wir noch hinzu, den Mangel an so einem
gesunden Essen als unser Sauerkraut war, und die allmählig zunehmende Fäul-
nis des Pöckel-Fleisches, so wird man sich nicht wundern, daß die Unbequem-
lichkeiten unsrer unnatürlichen Lage, uns gegen das Ende dieser Reise mehr als
jemahls drückten. Indem wir uns einem Orte näherten, der mit Europa in
Verbindung stand, so beunruhigten uns verschiedne Gedanken noch mehr. Wer
Verwandte, oder Eltern hinterlassen hatte, befürchtete, daß einige in seiner Ab-
wesenheit gestorben seyn mögten; und es war nur zu wahrscheinlich, daß dieser
Zeitraum viele schätzbare Verbindungen aufgelöset, die Zahl unsrer Freunde ge-
mindert, und uns den Trost und die Annehmlichkeiten ihres Umgangs entrissen
haben würde.

Des veränderlichen Windes ohnerachtet, gieng die Fahrt so gut von stat-
ten, daß wir schon am 15ten unsre warmen Kleider ablegen mußten, indem wir
uns damals zwischen dem fünf und sechs und dreyßigsten Grad der Südlichen Breite
befanden. Am folgenden Morgen erblickten wir ober dem Winde ein Schif;
und drey Stunden darnach ein zweytes. Jedermann strengte seine Augen an,
diese angenehmen Gegenstände anzugaffen; ein sicherer Beweis, daß wir uns
alle nach Umgang mit Europäern sehnten, so sehr wir auch unsre Herzenswünsche
bisher unterdrückt hatten. Jetzt aber war es nicht länger möglich zu schweigen;
jeder brach in die feurigsten Wünsche aus; man verlangte nur einen Laut von

den

Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
Maͤrz.
Windes drinnen auszuſpaͤhen; und die allgemeine Unruhe lies ſich faſt gar nicht
beſchreiben. Unſere Reiſe hatte jetzt 27 Monathe nach der Abreiſe vom Cap ge-
dauert; ſeit welcher Zeit wir in keinem Europaͤiſchen Haven angelegt, und uns groͤß-
tentheils von geſalzenem Fleiſch genaͤhrt hatten. Wenn wir alle die Tage zuſammen-
rechneten, die wir in dieſem langen Zeitraum, am Lande zugebracht, konnten
wir nicht uͤber 180 oder kaum ein halbes Jahr herausbringen. Dies war un-
ſre einzige Erfriſchungszeit geweſen, und auch waͤhrend dieſer Tage, erhielten
wir nicht immer friſche Lebensmittel, z. B. waͤhrend der Zeit, da wir die letzten
Entdeckungen im ſtillen Meere machten. Der Lauf von Neu-Seeland nach dem
Cap der guten Hofnung war der laͤngſte und ſchwerſte, den wir je unternommen;
denn die wenigen Erfriſchungen im Chriſtmeß-Haven, und auf den Neu-Jahrs-
Eilanden
, waren nicht zureichend, der ganzen Mannſchaft mehr als vier bis fuͤnf
friſche Mahlzeiten zu geben. Setzen wir noch hinzu, den Mangel an ſo einem
geſunden Eſſen als unſer Sauerkraut war, und die allmaͤhlig zunehmende Faͤul-
nis des Poͤckel-Fleiſches, ſo wird man ſich nicht wundern, daß die Unbequem-
lichkeiten unſrer unnatuͤrlichen Lage, uns gegen das Ende dieſer Reiſe mehr als
jemahls druͤckten. Indem wir uns einem Orte naͤherten, der mit Europa in
Verbindung ſtand, ſo beunruhigten uns verſchiedne Gedanken noch mehr. Wer
Verwandte, oder Eltern hinterlaſſen hatte, befuͤrchtete, daß einige in ſeiner Ab-
weſenheit geſtorben ſeyn moͤgten; und es war nur zu wahrſcheinlich, daß dieſer
Zeitraum viele ſchaͤtzbare Verbindungen aufgeloͤſet, die Zahl unſrer Freunde ge-
mindert, und uns den Troſt und die Annehmlichkeiten ihres Umgangs entriſſen
haben wuͤrde.

Des veraͤnderlichen Windes ohnerachtet, gieng die Fahrt ſo gut von ſtat-
ten, daß wir ſchon am 15ten unſre warmen Kleider ablegen mußten, indem wir
uns damals zwiſchen dem fuͤnf und ſechs und dreyßigſten Grad der Suͤdlichen Breite
befanden. Am folgenden Morgen erblickten wir ober dem Winde ein Schif;
und drey Stunden darnach ein zweytes. Jedermann ſtrengte ſeine Augen an,
dieſe angenehmen Gegenſtaͤnde anzugaffen; ein ſicherer Beweis, daß wir uns
alle nach Umgang mit Europaͤern ſehnten, ſo ſehr wir auch unſre Herzenswuͤnſche
bisher unterdruͤckt hatten. Jetzt aber war es nicht laͤnger moͤglich zu ſchweigen;
jeder brach in die feurigſten Wuͤnſche aus; man verlangte nur einen Laut von

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[424/0442] Forſter’s Reiſe um die Welt Windes drinnen auszuſpaͤhen; und die allgemeine Unruhe lies ſich faſt gar nicht beſchreiben. Unſere Reiſe hatte jetzt 27 Monathe nach der Abreiſe vom Cap ge- dauert; ſeit welcher Zeit wir in keinem Europaͤiſchen Haven angelegt, und uns groͤß- tentheils von geſalzenem Fleiſch genaͤhrt hatten. Wenn wir alle die Tage zuſammen- rechneten, die wir in dieſem langen Zeitraum, am Lande zugebracht, konnten wir nicht uͤber 180 oder kaum ein halbes Jahr herausbringen. Dies war un- ſre einzige Erfriſchungszeit geweſen, und auch waͤhrend dieſer Tage, erhielten wir nicht immer friſche Lebensmittel, z. B. waͤhrend der Zeit, da wir die letzten Entdeckungen im ſtillen Meere machten. Der Lauf von Neu-Seeland nach dem Cap der guten Hofnung war der laͤngſte und ſchwerſte, den wir je unternommen; denn die wenigen Erfriſchungen im Chriſtmeß-Haven, und auf den Neu-Jahrs- Eilanden, waren nicht zureichend, der ganzen Mannſchaft mehr als vier bis fuͤnf friſche Mahlzeiten zu geben. Setzen wir noch hinzu, den Mangel an ſo einem geſunden Eſſen als unſer Sauerkraut war, und die allmaͤhlig zunehmende Faͤul- nis des Poͤckel-Fleiſches, ſo wird man ſich nicht wundern, daß die Unbequem- lichkeiten unſrer unnatuͤrlichen Lage, uns gegen das Ende dieſer Reiſe mehr als jemahls druͤckten. Indem wir uns einem Orte naͤherten, der mit Europa in Verbindung ſtand, ſo beunruhigten uns verſchiedne Gedanken noch mehr. Wer Verwandte, oder Eltern hinterlaſſen hatte, befuͤrchtete, daß einige in ſeiner Ab- weſenheit geſtorben ſeyn moͤgten; und es war nur zu wahrſcheinlich, daß dieſer Zeitraum viele ſchaͤtzbare Verbindungen aufgeloͤſet, die Zahl unſrer Freunde ge- mindert, und uns den Troſt und die Annehmlichkeiten ihres Umgangs entriſſen haben wuͤrde. 1775. Maͤrz. Des veraͤnderlichen Windes ohnerachtet, gieng die Fahrt ſo gut von ſtat- ten, daß wir ſchon am 15ten unſre warmen Kleider ablegen mußten, indem wir uns damals zwiſchen dem fuͤnf und ſechs und dreyßigſten Grad der Suͤdlichen Breite befanden. Am folgenden Morgen erblickten wir ober dem Winde ein Schif; und drey Stunden darnach ein zweytes. Jedermann ſtrengte ſeine Augen an, dieſe angenehmen Gegenſtaͤnde anzugaffen; ein ſicherer Beweis, daß wir uns alle nach Umgang mit Europaͤern ſehnten, ſo ſehr wir auch unſre Herzenswuͤnſche bisher unterdruͤckt hatten. Jetzt aber war es nicht laͤnger moͤglich zu ſchweigen; jeder brach in die feurigſten Wuͤnſche aus; man verlangte nur einen Laut von den

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/442>, abgerufen am 28.11.2024.