1775. Januar.Sammelplatz unzählicher Vögel verschiedner Art, vom größten Albatrosse bis zum kleinsten Sturm-Finken. Dies brachte ihm den Nahmen Bird-Island (Vogel-Insel) zu Wege. Um das Schiff flatterten große Schaaren von Seeraben, Pinguins, Tauchern und anderm Seegeflügel, ließen sich manchmahl auf den Wasser nieder, und schienen überhaupt in diesem kalten Erdstrich recht zu Hause zu seyn. Außerdem gab es auch Meerschweine, und viele See- hunde allhier; letztere besuchen diesen öden Strand, vermuthlich um dort ihre Jungen zu werfen.
So lange es hell blieb, setzten wir unsern Lauf längst der nordöstlichen Küste fort, legten mit Einbruch der Nacht bey und giengen erst des Morgens um drey Uhr wieder unter Seegel. Das Land hatte ein äußerst rauhes und wüstes Ansehen. Die Berge waren so schroff und gähe, als wir sie noch nirgend gefunden, die Gipfel bestanden aus zackigen Felsenspitzen, und alle Zwischenräume waren mit Schnee angefüllt. Nach Verlauf einiger Stunden kamen wir bey einer Bay vorüber, die wegen etlicher darinn vorhandenen kleinen, grün bewachsenen Inseln, die Bay der Eilande benannt wurde. Bald nachher kam eine zwote Bay zum Vorschein, auf die wir sogleich hinsteuerten, zumahl da zwo bis drey Meilen weit von der Küste überall Grund zu finden war. Gegen neun Uhr ließ der Capitain ein Boot in See setzen und fuhr nebst einem See-Cadetten, meinem Vater, Dr. Sparrmann und mir nach der Bay. In der Mündung dürfen selbst die größten Schiffe nicht besorgen auf den Grund zu gerathen, denn der war mit einer Senkschnur von 34 Faden nicht zu erreichen. Im innersten der Bay fanden wir eine Masse festen dichten Eises, dergleichen man wohl in den Spitzbergischen Häven antrift *). Dieser Eisklumpen hatte viel ähnliches mit den herumschwimmenden Eilanden, die in hohen südlichen Breiten in unzählba- rer Menge vorhanden sind. Unmittelbar an der See war das Ufer zwar ohne Schnee, aber doch ganz wüst und unfruchtbar, und an vielen Orten senkrecht. Indessen fanden wir eine lange hervorragende Spitze, wo das Boot ohne Besorg- niß vor den Wellen anlegen konnte, und hier stiegen wir aus. Der Strand war sehr steinigt, und voller Seehunde, in deren Mitte ein ungeheuer großes Thier lag, welches wir von weiten für ein Felsenstück hielten. Als wir näher hinzu-
*) S. des Capitain Phipps, jetzigen Lords Mulgrave, Reise gegen den Nordpol. 1775.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1775. Januar.Sammelplatz unzaͤhlicher Voͤgel verſchiedner Art, vom groͤßten Albatroſſe bis zum kleinſten Sturm-Finken. Dies brachte ihm den Nahmen Bird-Island (Vogel-Inſel) zu Wege. Um das Schiff flatterten große Schaaren von Seeraben, Pinguins, Tauchern und anderm Seegefluͤgel, ließen ſich manchmahl auf den Waſſer nieder, und ſchienen uͤberhaupt in dieſem kalten Erdſtrich recht zu Hauſe zu ſeyn. Außerdem gab es auch Meerſchweine, und viele See- hunde allhier; letztere beſuchen dieſen oͤden Strand, vermuthlich um dort ihre Jungen zu werfen.
So lange es hell blieb, ſetzten wir unſern Lauf laͤngſt der nordoͤſtlichen Kuͤſte fort, legten mit Einbruch der Nacht bey und giengen erſt des Morgens um drey Uhr wieder unter Seegel. Das Land hatte ein aͤußerſt rauhes und wuͤſtes Anſehen. Die Berge waren ſo ſchroff und gaͤhe, als wir ſie noch nirgend gefunden, die Gipfel beſtanden aus zackigen Felſenſpitzen, und alle Zwiſchenraͤume waren mit Schnee angefuͤllt. Nach Verlauf einiger Stunden kamen wir bey einer Bay voruͤber, die wegen etlicher darinn vorhandenen kleinen, gruͤn bewachſenen Inſeln, die Bay der Eilande benannt wurde. Bald nachher kam eine zwote Bay zum Vorſchein, auf die wir ſogleich hinſteuerten, zumahl da zwo bis drey Meilen weit von der Kuͤſte uͤberall Grund zu finden war. Gegen neun Uhr ließ der Capitain ein Boot in See ſetzen und fuhr nebſt einem See-Cadetten, meinem Vater, Dr. Sparrmann und mir nach der Bay. In der Muͤndung duͤrfen ſelbſt die groͤßten Schiffe nicht beſorgen auf den Grund zu gerathen, denn der war mit einer Senkſchnur von 34 Faden nicht zu erreichen. Im innerſten der Bay fanden wir eine Maſſe feſten dichten Eiſes, dergleichen man wohl in den Spitzbergiſchen Haͤven antrift *). Dieſer Eisklumpen hatte viel aͤhnliches mit den herumſchwimmenden Eilanden, die in hohen ſuͤdlichen Breiten in unzaͤhlba- rer Menge vorhanden ſind. Unmittelbar an der See war das Ufer zwar ohne Schnee, aber doch ganz wuͤſt und unfruchtbar, und an vielen Orten ſenkrecht. Indeſſen fanden wir eine lange hervorragende Spitze, wo das Boot ohne Beſorg- niß vor den Wellen anlegen konnte, und hier ſtiegen wir aus. Der Strand war ſehr ſteinigt, und voller Seehunde, in deren Mitte ein ungeheuer großes Thier lag, welches wir von weiten fuͤr ein Felſenſtuͤck hielten. Als wir naͤher hinzu-
*) S. des Capitain Phipps, jetzigen Lords Mulgrave, Reiſe gegen den Nordpol. 1775.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0430"n="412"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1775.<lb/>
Januar.</note>Sammelplatz unzaͤhlicher Voͤgel verſchiedner Art, vom groͤßten Albatroſſe bis<lb/>
zum kleinſten Sturm-Finken. Dies brachte ihm den Nahmen <hirendition="#i"><hirendition="#aq"><placeName>Bird-Island</placeName></hi></hi><lb/>
(<hirendition="#fr">Vogel-Inſel</hi>) zu Wege. Um das Schiff flatterten große Schaaren von<lb/>
Seeraben, Pinguins, Tauchern und anderm <choice><sic>Seegefluͤgel; ſie lieſſen</sic><corr>Seegefluͤgel, ließen</corr></choice>ſich manchmahl<lb/>
auf den Waſſer nieder, und ſchienen uͤberhaupt in dieſem kalten Erdſtrich<lb/>
recht zu Hauſe zu ſeyn. Außerdem gab es auch Meerſchweine, und viele See-<lb/>
hunde allhier; letztere beſuchen dieſen oͤden Strand, vermuthlich um dort ihre<lb/>
Jungen zu werfen.</p><lb/><p>So lange es hell blieb, ſetzten wir unſern Lauf laͤngſt der nordoͤſtlichen<lb/>
Kuͤſte fort, legten mit Einbruch der Nacht bey und giengen erſt des Morgens um<lb/>
drey Uhr wieder unter Seegel. Das Land hatte ein aͤußerſt rauhes und wuͤſtes<lb/>
Anſehen. Die Berge waren ſo ſchroff und gaͤhe, als wir ſie noch nirgend gefunden,<lb/>
die Gipfel beſtanden aus zackigen Felſenſpitzen, und alle Zwiſchenraͤume waren<lb/>
mit Schnee angefuͤllt. Nach Verlauf einiger Stunden kamen wir bey einer<lb/>
Bay voruͤber, die wegen etlicher darinn vorhandenen kleinen, gruͤn bewachſenen<lb/>
Inſeln, die <hirendition="#fr"><placeName>Bay der Eilande</placeName></hi> benannt wurde. Bald nachher kam eine zwote<lb/>
Bay zum Vorſchein, auf die wir ſogleich hinſteuerten, zumahl da zwo bis drey<lb/>
Meilen weit von der Kuͤſte uͤberall Grund zu finden war. Gegen neun Uhr ließ<lb/>
der Capitain ein Boot in See ſetzen und fuhr nebſt einem See-Cadetten, meinem<lb/>
Vater, Dr. <hirendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi> und mir nach der Bay. In der Muͤndung duͤrfen<lb/>ſelbſt die groͤßten Schiffe nicht beſorgen auf den Grund zu gerathen, denn der<lb/>
war mit einer Senkſchnur von 34 Faden nicht zu erreichen. Im innerſten der<lb/>
Bay fanden wir eine Maſſe feſten dichten Eiſes, dergleichen man wohl in den<lb/>
Spitzbergiſchen Haͤven antrift <noteplace="foot"n="*)">S. des Capitain <hirendition="#aq"><persName>Phipps</persName>,</hi> jetzigen Lords <hirendition="#aq"><persName>Mulgrave</persName>,</hi> Reiſe gegen den <placeName>Nordpol</placeName>. 1775.</note>. Dieſer Eisklumpen hatte viel aͤhnliches mit<lb/>
den herumſchwimmenden Eilanden, die in hohen ſuͤdlichen Breiten in unzaͤhlba-<lb/>
rer Menge vorhanden ſind. Unmittelbar an der See war das Ufer zwar ohne<lb/>
Schnee, aber doch ganz wuͤſt und unfruchtbar, und an vielen Orten ſenkrecht.<lb/>
Indeſſen fanden wir eine lange hervorragende Spitze, wo das Boot ohne Beſorg-<lb/>
niß vor den Wellen anlegen konnte, und hier ſtiegen wir aus. Der Strand war<lb/>ſehr ſteinigt, und voller Seehunde, in deren Mitte ein ungeheuer großes Thier<lb/>
lag, welches wir von weiten fuͤr ein Felſenſtuͤck hielten. Als wir naͤher hinzu-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[412/0430]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Sammelplatz unzaͤhlicher Voͤgel verſchiedner Art, vom groͤßten Albatroſſe bis
zum kleinſten Sturm-Finken. Dies brachte ihm den Nahmen Bird-Island
(Vogel-Inſel) zu Wege. Um das Schiff flatterten große Schaaren von
Seeraben, Pinguins, Tauchern und anderm Seegefluͤgel, ließen ſich manchmahl
auf den Waſſer nieder, und ſchienen uͤberhaupt in dieſem kalten Erdſtrich
recht zu Hauſe zu ſeyn. Außerdem gab es auch Meerſchweine, und viele See-
hunde allhier; letztere beſuchen dieſen oͤden Strand, vermuthlich um dort ihre
Jungen zu werfen.
1775.
Januar.
So lange es hell blieb, ſetzten wir unſern Lauf laͤngſt der nordoͤſtlichen
Kuͤſte fort, legten mit Einbruch der Nacht bey und giengen erſt des Morgens um
drey Uhr wieder unter Seegel. Das Land hatte ein aͤußerſt rauhes und wuͤſtes
Anſehen. Die Berge waren ſo ſchroff und gaͤhe, als wir ſie noch nirgend gefunden,
die Gipfel beſtanden aus zackigen Felſenſpitzen, und alle Zwiſchenraͤume waren
mit Schnee angefuͤllt. Nach Verlauf einiger Stunden kamen wir bey einer
Bay voruͤber, die wegen etlicher darinn vorhandenen kleinen, gruͤn bewachſenen
Inſeln, die Bay der Eilande benannt wurde. Bald nachher kam eine zwote
Bay zum Vorſchein, auf die wir ſogleich hinſteuerten, zumahl da zwo bis drey
Meilen weit von der Kuͤſte uͤberall Grund zu finden war. Gegen neun Uhr ließ
der Capitain ein Boot in See ſetzen und fuhr nebſt einem See-Cadetten, meinem
Vater, Dr. Sparrmann und mir nach der Bay. In der Muͤndung duͤrfen
ſelbſt die groͤßten Schiffe nicht beſorgen auf den Grund zu gerathen, denn der
war mit einer Senkſchnur von 34 Faden nicht zu erreichen. Im innerſten der
Bay fanden wir eine Maſſe feſten dichten Eiſes, dergleichen man wohl in den
Spitzbergiſchen Haͤven antrift *). Dieſer Eisklumpen hatte viel aͤhnliches mit
den herumſchwimmenden Eilanden, die in hohen ſuͤdlichen Breiten in unzaͤhlba-
rer Menge vorhanden ſind. Unmittelbar an der See war das Ufer zwar ohne
Schnee, aber doch ganz wuͤſt und unfruchtbar, und an vielen Orten ſenkrecht.
Indeſſen fanden wir eine lange hervorragende Spitze, wo das Boot ohne Beſorg-
niß vor den Wellen anlegen konnte, und hier ſtiegen wir aus. Der Strand war
ſehr ſteinigt, und voller Seehunde, in deren Mitte ein ungeheuer großes Thier
lag, welches wir von weiten fuͤr ein Felſenſtuͤck hielten. Als wir naͤher hinzu-
*) S. des Capitain Phipps, jetzigen Lords Mulgrave, Reiſe gegen den Nordpol. 1775.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/430>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.