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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
lichkeiten des Lebens, auch vielleicht eine höhere Geschicklichkeit in den Künsten1774.
April.

besitzen, und sich von dieser Seite das Leben angenehmer machen können; so ist
doch andern Theils die ursprüngliche Gleichheit der Stände bey ihnen schon mehr
in Verfall gerathen, die Vornehmern der Nation leben schon auf Kosten der
Geringern, und Hohe und Niedere büßen bereits die Strafen ihrer Ausschwei-
fungen, durch Krankheiten, und andere sichtbare Gebrechen --


Scilicet improbae
Crescunt divitiae, tamen
Curtae nescio quid semper abest rei.

Hor.

Nach einem Kreuzzuge von fünftehalb Monathen, in denen wir den ge-
frornen Erdstrich bis unter dem 71sten, und den heißen, bis unter dem 91/2 Grad
südlicher Breite besucht hatten, waren die Marquesas-Inseln gewissermaßen
der erste Ort, wo wir an Fleisch und Früchten wieder einige Erfrischungen und
Stärkungen erhielten. Der kleine Vorrath süßer Kartoffeln, den wir auf
Oster-Eyland bekommen hatten, würkte zwar, unter göttlichem Beystand, so
viel, daß die mancherley Krankheiten, die uns damals droheten, nicht gleich
zum Ausbruch kamen; allein dies währete doch nur so lange, bis wir das heiße
Clima wieder erreichten. Alsdann gerieth unser Blut, das bis dahin stockend
und scharf geworden war, in eine nachtheilige Gährung, und, bey dem blassen,
ausgemergelten Ansehen der ganzen Schiffsgesellschaft, war es gewiß die höchste
Zeit, daß wir die Marquesas-Inseln erreichten; sonst würde der Schaarbock
und andere Zufälle, ohnfehlbar, eine erschreckliche Niederlage unter uns ange-
richtet haben. Bey dieser Gelegenheit müssen wir, zur Ehre des Herrn Patton,
unsres würdigen Schiffswundarztes, öffentlich rühmen, daß er, so weit mensch-
liche Vorsorge, Kunst und ein wohlthätiges, mitleidiges Herz reichen können,
die besten Mittel ergriffen, uns alle so gesund als möglich zu erhalten, indem
er dem Capitain nicht allein die dienlichsten Methoden zu Erreichung dieses End-
zwecks vorschlug, sondern auch selbst mit unabläßigem Fleis über uns wachte.
Ich kann mit Grund der Wahrheit behaupten, daß, nächst Gottes Hülfe, viele
unter uns, ihm das Leben zu verdanken haben; und daß England, die

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in den Jahren 1772 bis 1775.
lichkeiten des Lebens, auch vielleicht eine hoͤhere Geſchicklichkeit in den Kuͤnſten1774.
April.

beſitzen, und ſich von dieſer Seite das Leben angenehmer machen koͤnnen; ſo iſt
doch andern Theils die urſpruͤngliche Gleichheit der Staͤnde bey ihnen ſchon mehr
in Verfall gerathen, die Vornehmern der Nation leben ſchon auf Koſten der
Geringern, und Hohe und Niedere buͤßen bereits die Strafen ihrer Ausſchwei-
fungen, durch Krankheiten, und andere ſichtbare Gebrechen —


Scilicet improbae
Creſcunt divitiae, tamen
Curtae neſcio quid ſemper abeſt rei.

Hor.

Nach einem Kreuzzuge von fuͤnftehalb Monathen, in denen wir den ge-
frornen Erdſtrich bis unter dem 71ſten, und den heißen, bis unter dem 9½ Grad
ſuͤdlicher Breite beſucht hatten, waren die Marqueſas-Inſeln gewiſſermaßen
der erſte Ort, wo wir an Fleiſch und Fruͤchten wieder einige Erfriſchungen und
Staͤrkungen erhielten. Der kleine Vorrath ſuͤßer Kartoffeln, den wir auf
Oſter-Eyland bekommen hatten, wuͤrkte zwar, unter goͤttlichem Beyſtand, ſo
viel, daß die mancherley Krankheiten, die uns damals droheten, nicht gleich
zum Ausbruch kamen; allein dies waͤhrete doch nur ſo lange, bis wir das heiße
Clima wieder erreichten. Alsdann gerieth unſer Blut, das bis dahin ſtockend
und ſcharf geworden war, in eine nachtheilige Gaͤhrung, und, bey dem blaſſen,
ausgemergelten Anſehen der ganzen Schiffsgeſellſchaft, war es gewiß die hoͤchſte
Zeit, daß wir die Marqueſas-Inſeln erreichten; ſonſt wuͤrde der Schaarbock
und andere Zufaͤlle, ohnfehlbar, eine erſchreckliche Niederlage unter uns ange-
richtet haben. Bey dieſer Gelegenheit muͤſſen wir, zur Ehre des Herrn Patton,
unſres wuͤrdigen Schiffswundarztes, oͤffentlich ruͤhmen, daß er, ſo weit menſch-
liche Vorſorge, Kunſt und ein wohlthaͤtiges, mitleidiges Herz reichen koͤnnen,
die beſten Mittel ergriffen, uns alle ſo geſund als moͤglich zu erhalten, indem
er dem Capitain nicht allein die dienlichſten Methoden zu Erreichung dieſes End-
zwecks vorſchlug, ſondern auch ſelbſt mit unablaͤßigem Fleis uͤber uns wachte.
Ich kann mit Grund der Wahrheit behaupten, daß, naͤchſt Gottes Huͤlfe, viele
unter uns, ihm das Leben zu verdanken haben; und daß England, die

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[27/0039] in den Jahren 1772 bis 1775. lichkeiten des Lebens, auch vielleicht eine hoͤhere Geſchicklichkeit in den Kuͤnſten beſitzen, und ſich von dieſer Seite das Leben angenehmer machen koͤnnen; ſo iſt doch andern Theils die urſpruͤngliche Gleichheit der Staͤnde bey ihnen ſchon mehr in Verfall gerathen, die Vornehmern der Nation leben ſchon auf Koſten der Geringern, und Hohe und Niedere buͤßen bereits die Strafen ihrer Ausſchwei- fungen, durch Krankheiten, und andere ſichtbare Gebrechen — 1774. April. Scilicet improbae Creſcunt divitiae, tamen Curtae neſcio quid ſemper abeſt rei. Hor. Nach einem Kreuzzuge von fuͤnftehalb Monathen, in denen wir den ge- frornen Erdſtrich bis unter dem 71ſten, und den heißen, bis unter dem 9½ Grad ſuͤdlicher Breite beſucht hatten, waren die Marqueſas-Inſeln gewiſſermaßen der erſte Ort, wo wir an Fleiſch und Fruͤchten wieder einige Erfriſchungen und Staͤrkungen erhielten. Der kleine Vorrath ſuͤßer Kartoffeln, den wir auf Oſter-Eyland bekommen hatten, wuͤrkte zwar, unter goͤttlichem Beyſtand, ſo viel, daß die mancherley Krankheiten, die uns damals droheten, nicht gleich zum Ausbruch kamen; allein dies waͤhrete doch nur ſo lange, bis wir das heiße Clima wieder erreichten. Alsdann gerieth unſer Blut, das bis dahin ſtockend und ſcharf geworden war, in eine nachtheilige Gaͤhrung, und, bey dem blaſſen, ausgemergelten Anſehen der ganzen Schiffsgeſellſchaft, war es gewiß die hoͤchſte Zeit, daß wir die Marqueſas-Inſeln erreichten; ſonſt wuͤrde der Schaarbock und andere Zufaͤlle, ohnfehlbar, eine erſchreckliche Niederlage unter uns ange- richtet haben. Bey dieſer Gelegenheit muͤſſen wir, zur Ehre des Herrn Patton, unſres wuͤrdigen Schiffswundarztes, oͤffentlich ruͤhmen, daß er, ſo weit menſch- liche Vorſorge, Kunſt und ein wohlthaͤtiges, mitleidiges Herz reichen koͤnnen, die beſten Mittel ergriffen, uns alle ſo geſund als moͤglich zu erhalten, indem er dem Capitain nicht allein die dienlichſten Methoden zu Erreichung dieſes End- zwecks vorſchlug, ſondern auch ſelbſt mit unablaͤßigem Fleis uͤber uns wachte. Ich kann mit Grund der Wahrheit behaupten, daß, naͤchſt Gottes Huͤlfe, viele unter uns, ihm das Leben zu verdanken haben; und daß England, die D 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/39>, abgerufen am 24.11.2024.