Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Septem- ber.ich mich unverzüglich darüber her, ihn zu beschreiben und zu zeichnen. Er ge- hörte zu dem Geschlecht, welches Linnäus Tetraodon nennet, und wovon ver- schiedne Arten für giftig gehalten werden. Wir liessen uns dieses gegen den Capi- tain verlauten, zumal da man sich zu seiner häßlichen Gestalt und besonders zu dem dicken Kopf nicht viel Gutes versehen konnte; der Capitain behauptete aber, er habe eben diese Art auf seiner vorigen Reise an der Küste von Neu-Holland an- getroffen, und ohne allen Schaden gegessen. Wir freuten uns also schon im voraus, morgen eine frische Mahlzeit davon zu bekommen, und setzten uns am Abend ganz getrost zu Tische, um vorläufig die Leber zu verzehren. Sie war groß genug, aber von so öhlichtem Geschmack, daß der Capitain, mein Vater und ich nur ein Paar Bissen davon assen; Doctor Sparrmann hingegen wollte sie gar nicht einmal kosten. Gleich nach der Mahlzeit begaben wir uns zu Bett, und zwar deshalb so frühzeitig, um gleich mit Tagesanbruch wieder ans Land zu gehn. Allein, schon gegen drey Uhr des Morgens, weckte meinen Vater eine sehr un- behagliche Empfindung aus dem Schlafe; Hände und Füße waren ihm gleich- sam erstarrt und als er aufzustehen versuchte, konnte er, des heftigen Schwin- dels wegen, sich kaum auf den Füßen halten. Er kroch indeß so gut er konnte fort, um Doctor Sparrmann seine Ueblichkeit zu klagen, der im Steuerraume schlief. Capitain Cooks Schlafstelle war von jener nur vermittelst einer dün- nen Scheidewand abgesondert. Auch dieser wachte, und da er gleiche Zufälle fühlte als mein Vater, so machte er sich ebenfalls zum Bette heraus, konnte aber, ohne sich anzuhalten, auf keinem Fuße stehen. Mir gieng es nicht um ein Haar besser, doch hielt der betäubende Schwindel mich ohne Be- wußtseyn meiner Empfindung noch fest im Schlafe. Mein Vater besorgte die- ses; er kam also an mein Bett, ermunterte mich mit Gewalt, und nun fühlte ich erst wie übel mir zu Muthe war. Wir schleppten uns allerseits in die große Cajütte, und liessen unsern Wundarzt, Herrn Patton, hohlen. Er fand uns würklich in mißlichen Umständen; todt blas, äußerst matt, heftige Beklem- mung auf der Brust, und alle Glieder betäubt, gleichsam ganz ohne Em- pfindung. Brechmittel waren das erste, was angewandt wurde. Bey mir und meinem Vater thaten sie ziemlich gute, bey Capitain Cook hingegen nur sehr wenige Würkung. Darauf mußten wir schweistreibende Arzney nehmen und wieder zu Bette gehn. Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Septem- ber.ich mich unverzuͤglich daruͤber her, ihn zu beſchreiben und zu zeichnen. Er ge- hoͤrte zu dem Geſchlecht, welches Linnaͤus Tetraodon nennet, und wovon ver- ſchiedne Arten fuͤr giftig gehalten werden. Wir lieſſen uns dieſes gegen den Capi- tain verlauten, zumal da man ſich zu ſeiner haͤßlichen Geſtalt und beſonders zu dem dicken Kopf nicht viel Gutes verſehen konnte; der Capitain behauptete aber, er habe eben dieſe Art auf ſeiner vorigen Reiſe an der Kuͤſte von Neu-Holland an- getroffen, und ohne allen Schaden gegeſſen. Wir freuten uns alſo ſchon im voraus, morgen eine friſche Mahlzeit davon zu bekommen, und ſetzten uns am Abend ganz getroſt zu Tiſche, um vorlaͤufig die Leber zu verzehren. Sie war groß genug, aber von ſo oͤhlichtem Geſchmack, daß der Capitain, mein Vater und ich nur ein Paar Biſſen davon aſſen; Doctor Sparrmann hingegen wollte ſie gar nicht einmal koſten. Gleich nach der Mahlzeit begaben wir uns zu Bett, und zwar deshalb ſo fruͤhzeitig, um gleich mit Tagesanbruch wieder ans Land zu gehn. Allein, ſchon gegen drey Uhr des Morgens, weckte meinen Vater eine ſehr un- behagliche Empfindung aus dem Schlafe; Haͤnde und Fuͤße waren ihm gleich- ſam erſtarrt und als er aufzuſtehen verſuchte, konnte er, des heftigen Schwin- dels wegen, ſich kaum auf den Fuͤßen halten. Er kroch indeß ſo gut er konnte fort, um Doctor Sparrmann ſeine Ueblichkeit zu klagen, der im Steuerraume ſchlief. Capitain Cooks Schlafſtelle war von jener nur vermittelſt einer duͤn- nen Scheidewand abgeſondert. Auch dieſer wachte, und da er gleiche Zufaͤlle fuͤhlte als mein Vater, ſo machte er ſich ebenfalls zum Bette heraus, konnte aber, ohne ſich anzuhalten, auf keinem Fuße ſtehen. Mir gieng es nicht um ein Haar beſſer, doch hielt der betaͤubende Schwindel mich ohne Be- wußtſeyn meiner Empfindung noch feſt im Schlafe. Mein Vater beſorgte die- ſes; er kam alſo an mein Bett, ermunterte mich mit Gewalt, und nun fuͤhlte ich erſt wie uͤbel mir zu Muthe war. Wir ſchleppten uns allerſeits in die große Cajuͤtte, und lieſſen unſern Wundarzt, Herrn Patton, hohlen. Er fand uns wuͤrklich in mißlichen Umſtaͤnden; todt blas, aͤußerſt matt, heftige Beklem- mung auf der Bruſt, und alle Glieder betaͤubt, gleichſam ganz ohne Em- pfindung. Brechmittel waren das erſte, was angewandt wurde. Bey mir und meinem Vater thaten ſie ziemlich gute, bey Capitain Cook hingegen nur ſehr wenige Wuͤrkung. Darauf mußten wir ſchweistreibende Arzney nehmen und wieder zu Bette gehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0334" n="318"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Septem-<lb/> ber.</note>ich mich unverzuͤglich daruͤber her, ihn zu beſchreiben und zu zeichnen. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
ich mich unverzuͤglich daruͤber her, ihn zu beſchreiben und zu zeichnen. Er ge-
hoͤrte zu dem Geſchlecht, welches Linnaͤus Tetraodon nennet, und wovon ver-
ſchiedne Arten fuͤr giftig gehalten werden. Wir lieſſen uns dieſes gegen den Capi-
tain verlauten, zumal da man ſich zu ſeiner haͤßlichen Geſtalt und beſonders zu dem
dicken Kopf nicht viel Gutes verſehen konnte; der Capitain behauptete aber, er
habe eben dieſe Art auf ſeiner vorigen Reiſe an der Kuͤſte von Neu-Holland an-
getroffen, und ohne allen Schaden gegeſſen. Wir freuten uns alſo ſchon im
voraus, morgen eine friſche Mahlzeit davon zu bekommen, und ſetzten uns am
Abend ganz getroſt zu Tiſche, um vorlaͤufig die Leber zu verzehren. Sie war groß
genug, aber von ſo oͤhlichtem Geſchmack, daß der Capitain, mein Vater und ich
nur ein Paar Biſſen davon aſſen; Doctor Sparrmann hingegen wollte ſie gar
nicht einmal koſten. Gleich nach der Mahlzeit begaben wir uns zu Bett, und
zwar deshalb ſo fruͤhzeitig, um gleich mit Tagesanbruch wieder ans Land zu gehn.
Allein, ſchon gegen drey Uhr des Morgens, weckte meinen Vater eine ſehr un-
behagliche Empfindung aus dem Schlafe; Haͤnde und Fuͤße waren ihm gleich-
ſam erſtarrt und als er aufzuſtehen verſuchte, konnte er, des heftigen Schwin-
dels wegen, ſich kaum auf den Fuͤßen halten. Er kroch indeß ſo gut er konnte
fort, um Doctor Sparrmann ſeine Ueblichkeit zu klagen, der im Steuerraume
ſchlief. Capitain Cooks Schlafſtelle war von jener nur vermittelſt einer duͤn-
nen Scheidewand abgeſondert. Auch dieſer wachte, und da er gleiche Zufaͤlle
fuͤhlte als mein Vater, ſo machte er ſich ebenfalls zum Bette heraus, konnte
aber, ohne ſich anzuhalten, auf keinem Fuße ſtehen. Mir gieng es nicht um
ein Haar beſſer, doch hielt der betaͤubende Schwindel mich ohne Be-
wußtſeyn meiner Empfindung noch feſt im Schlafe. Mein Vater beſorgte die-
ſes; er kam alſo an mein Bett, ermunterte mich mit Gewalt, und nun fuͤhlte
ich erſt wie uͤbel mir zu Muthe war. Wir ſchleppten uns allerſeits in die große
Cajuͤtte, und lieſſen unſern Wundarzt, Herrn Patton, hohlen. Er fand uns
wuͤrklich in mißlichen Umſtaͤnden; todt blas, aͤußerſt matt, heftige Beklem-
mung auf der Bruſt, und alle Glieder betaͤubt, gleichſam ganz ohne Em-
pfindung. Brechmittel waren das erſte, was angewandt wurde. Bey mir und
meinem Vater thaten ſie ziemlich gute, bey Capitain Cook hingegen nur ſehr
wenige Wuͤrkung. Darauf mußten wir ſchweistreibende Arzney nehmen und
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