Um 8 Uhr standen wir auf, aber noch immer schwindlicht und schwer1774. Septem- ber. im Kopfe. Ich für meine Person befand mich jedoch so weit hergestellt, daß ich den ganzen Vormittag aufbleiben und 6 bis 8 Pflanzen nebst einigen Vögeln zeichnen konnte, welche wir auf den letzten Spatziergängen zusammen gebracht hatten. Doctor Sparrmann fuhr mittlerweile ans Land, um mehr dergleichen einzusammlen. Am Mittage versuchte mein Vater aus der Cajütte in die freye Luft zu gehen, und mit einigen Indianern sich zu unterreden, die ans Schif gekommen waren. Sobald sie des Fisches ansichtig wurden, der unter dem Verdecke hieng, gaben sie durch Zeichen zu verstehn, daß er Schmerzen im Magen hervorbrin- ge; auch legten sie den Kopf mit geschloßnen Augen in die Hand, um anzu- deuten, daß er Schlaf, Betäubung und endlich gar den Tod verursache. So sehr diese Aussage mit unserer Erfahrung übereinstimmte; so ließ sich doch allen- falls noch annehmen, daß sie die Sache nur in der Absicht vergrößerten, um uns den Fisch abzuschwatzen. Wir boten ihnen solchen an; sie weigerten sich aber mit dem äußersten Abscheu ihn zu nehmen, hielten die Hände vor sich, und wandten den Kopf abwärts, ja sie baten uns sogar, ihn geradenweges in die See zu werfen. Statt dessen hielten wirs aber für rathsamer, ihn in Weingeist auf- zubewahren.
Gegen Mittag mußte ich's empfindlich büßen, meine Krankheit nicht geachtet, und den ganzen Morgen gearbeitet zu haben; denn ich ward auf ein- mal mit einer solchen Ueblichkeit und Betäubung im Kopfe befallen, daß ich eilends wieder zu Bette mußte. Schweistreibende Mittel verschaften mir noch die mehreste Erleichterung, doch war das Gift zu bösartig, als daß es sogleich hätte überwältigt werden können. Nicht die Schmerzen, welche wir ausstehen mußten, nicht die Besorgniß, was für Folgen dieses Gift auf unsre Gesundheit haben würde, sondern das that uns vorzüglich wehe, daß wir nun ausser Stand waren, dieses neue Land weiter zu untersuchen, und die Naturgeschichte desselben näher zu studiren, von deren Wichtigkeit wir bereits einen so vielversprechenden Vorschmack hatten!
Am folgenden Morgen ward Lieutenant Pickersgill, mit zwey Booten nach einer westlich gelegenen Insel, Balabia genannt, die ohngefähr acht See- meilen entfernt war, abgeschickt, um die Lage und Richtung der Küste zu unter-
in den Jahren 1772 bis 1775.
Um 8 Uhr ſtanden wir auf, aber noch immer ſchwindlicht und ſchwer1774. Septem- ber. im Kopfe. Ich fuͤr meine Perſon befand mich jedoch ſo weit hergeſtellt, daß ich den ganzen Vormittag aufbleiben und 6 bis 8 Pflanzen nebſt einigen Voͤgeln zeichnen konnte, welche wir auf den letzten Spatziergaͤngen zuſammen gebracht hatten. Doctor Sparrmann fuhr mittlerweile ans Land, um mehr dergleichen einzuſammlen. Am Mittage verſuchte mein Vater aus der Cajuͤtte in die freye Luft zu gehen, und mit einigen Indianern ſich zu unterreden, die ans Schif gekommen waren. Sobald ſie des Fiſches anſichtig wurden, der unter dem Verdecke hieng, gaben ſie durch Zeichen zu verſtehn, daß er Schmerzen im Magen hervorbrin- ge; auch legten ſie den Kopf mit geſchloßnen Augen in die Hand, um anzu- deuten, daß er Schlaf, Betaͤubung und endlich gar den Tod verurſache. So ſehr dieſe Ausſage mit unſerer Erfahrung uͤbereinſtimmte; ſo ließ ſich doch allen- falls noch annehmen, daß ſie die Sache nur in der Abſicht vergroͤßerten, um uns den Fiſch abzuſchwatzen. Wir boten ihnen ſolchen an; ſie weigerten ſich aber mit dem aͤußerſten Abſcheu ihn zu nehmen, hielten die Haͤnde vor ſich, und wandten den Kopf abwaͤrts, ja ſie baten uns ſogar, ihn geradenweges in die See zu werfen. Statt deſſen hielten wirs aber fuͤr rathſamer, ihn in Weingeiſt auf- zubewahren.
Gegen Mittag mußte ich’s empfindlich buͤßen, meine Krankheit nicht geachtet, und den ganzen Morgen gearbeitet zu haben; denn ich ward auf ein- mal mit einer ſolchen Ueblichkeit und Betaͤubung im Kopfe befallen, daß ich eilends wieder zu Bette mußte. Schweistreibende Mittel verſchaften mir noch die mehreſte Erleichterung, doch war das Gift zu boͤsartig, als daß es ſogleich haͤtte uͤberwaͤltigt werden koͤnnen. Nicht die Schmerzen, welche wir ausſtehen mußten, nicht die Beſorgniß, was fuͤr Folgen dieſes Gift auf unſre Geſundheit haben wuͤrde, ſondern das that uns vorzuͤglich wehe, daß wir nun auſſer Stand waren, dieſes neue Land weiter zu unterſuchen, und die Naturgeſchichte deſſelben naͤher zu ſtudiren, von deren Wichtigkeit wir bereits einen ſo vielverſprechenden Vorſchmack hatten!
Am folgenden Morgen ward Lieutenant Pickersgill, mit zwey Booten nach einer weſtlich gelegenen Inſel, Balabia genannt, die ohngefaͤhr acht See- meilen entfernt war, abgeſchickt, um die Lage und Richtung der Kuͤſte zu unter-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Um 8 Uhr ſtanden wir auf, aber noch immer ſchwindlicht und ſchwer
im Kopfe. Ich fuͤr meine Perſon befand mich jedoch ſo weit hergeſtellt, daß
ich den ganzen Vormittag aufbleiben und 6 bis 8 Pflanzen nebſt einigen Voͤgeln
zeichnen konnte, welche wir auf den letzten Spatziergaͤngen zuſammen gebracht
hatten. Doctor Sparrmann fuhr mittlerweile ans Land, um mehr dergleichen
einzuſammlen. Am Mittage verſuchte mein Vater aus der Cajuͤtte in die freye Luft
zu gehen, und mit einigen Indianern ſich zu unterreden, die ans Schif gekommen
waren. Sobald ſie des Fiſches anſichtig wurden, der unter dem Verdecke hieng,
gaben ſie durch Zeichen zu verſtehn, daß er Schmerzen im Magen hervorbrin-
ge; auch legten ſie den Kopf mit geſchloßnen Augen in die Hand, um anzu-
deuten, daß er Schlaf, Betaͤubung und endlich gar den Tod verurſache. So
ſehr dieſe Ausſage mit unſerer Erfahrung uͤbereinſtimmte; ſo ließ ſich doch allen-
falls noch annehmen, daß ſie die Sache nur in der Abſicht vergroͤßerten, um
uns den Fiſch abzuſchwatzen. Wir boten ihnen ſolchen an; ſie weigerten ſich
aber mit dem aͤußerſten Abſcheu ihn zu nehmen, hielten die Haͤnde vor ſich, und
wandten den Kopf abwaͤrts, ja ſie baten uns ſogar, ihn geradenweges in die See
zu werfen. Statt deſſen hielten wirs aber fuͤr rathſamer, ihn in Weingeiſt auf-
zubewahren.
1774.
Septem-
ber.
Gegen Mittag mußte ich’s empfindlich buͤßen, meine Krankheit nicht
geachtet, und den ganzen Morgen gearbeitet zu haben; denn ich ward auf ein-
mal mit einer ſolchen Ueblichkeit und Betaͤubung im Kopfe befallen, daß ich
eilends wieder zu Bette mußte. Schweistreibende Mittel verſchaften mir
noch die mehreſte Erleichterung, doch war das Gift zu boͤsartig, als daß es ſogleich
haͤtte uͤberwaͤltigt werden koͤnnen. Nicht die Schmerzen, welche wir ausſtehen
mußten, nicht die Beſorgniß, was fuͤr Folgen dieſes Gift auf unſre Geſundheit
haben wuͤrde, ſondern das that uns vorzuͤglich wehe, daß wir nun auſſer Stand
waren, dieſes neue Land weiter zu unterſuchen, und die Naturgeſchichte deſſelben
naͤher zu ſtudiren, von deren Wichtigkeit wir bereits einen ſo vielverſprechenden
Vorſchmack hatten!
Am folgenden Morgen ward Lieutenant Pickersgill, mit zwey Booten
nach einer weſtlich gelegenen Inſel, Balabia genannt, die ohngefaͤhr acht See-
meilen entfernt war, abgeſchickt, um die Lage und Richtung der Kuͤſte zu unter-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/335>, abgerufen am 26.11.2024.
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