Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
war nicht rathsam ihnen von dem Vorfall mit den Frauensleuten etwas zu erzäh-1774.
Septem-
ber.

len, weil ihre Neugier, sie leicht zu einem neuen Versuch reizen, dieser aber für
die armen Weiber sehr unglücklich hätte ausfallen können. Wir führten sie also aus
dieser Gegend weg und zu dem Manne hin, der noch immer mit dem Haarver-
schneiden seiner Tochter beschäftigt war. Man gab ihm zu verstehen, daß uns
allen nach einem Trunk verlange, und dies begrif er nicht nur bald, sondern
zeigte auch gleich nach einem Baume hin, mit dem Andeuten, daß wir dort et-
was finden würden. Er hatte nehmlich zwölf große Coconußschaalen damit an-
gefüllt, und solche an die unteren Aeste aufgehangen. Diese Methode das Was-
ser in kleinen Vorräthen aufzubewahren scheint, im Ganzen, Mangel an selbi-
gen zu verrathen. Demohnerachtet trugen wir kein Bedenken, unsern Durst
zur Genüge zu stillen und belohnten ihn dafür durch ein Stück tahitisches Zeug,
womit er auch vollkommen zufrieden war. Nunmehro kehrten wir in zwo Par-
theyen, die eine zu Lande, die andre im Boote, nach dem Wasserplatz zurück.
Ich gesellte mich zu der ersteren und schoß unterwegens verschiedne neue Arten
von Vögeln, deren das Land eine Menge aufzuweisen hat. Nächst diesen
sanden wir auch die gewöhnliche europäische Krähe allhier. Am Wasser-
platze hatte sich eine Menge Indianer versammelt, wovon einige für ein Stück-
chen tahitisches Zeug unsre Leute aus- und nach dem Boot zurück, eine gute
Strecke weit durchs Wasser trugen. Es waren auch einige Weiber dabey,
die, ohne Furcht für ihren eifersüchtigen Männern, sich mitten unter uns wag-
ten, und an den Galanterien der Matrosen Gefallen zu finden schienen.
Sie winkten sie gemeiniglich zu sich ins Gebüsch, wann aber der glückliche Lieb-
haber ihnen dahin folgte, so liefen jene, mit unerreichbarer Behendigkeit davon
und lachten den betrogenen Adonis tapfer aus. Es hat sich auch wirklich, so
lange wir auf der Insel blieben, nicht eine einzige Frauensperson in die geringste
unanständige Vertraulichkeit mit den Europäern eingelassen, sondern ihr anschei-
nend verliebtes Wesen lief allemal nur auf einen erlaubten und muntern
Scherz hinaus.

Wir waren noch nicht lange an Boord zurück, als der Schreiber des Capi-
tains einen Fisch schickte, den ein Indianer so eben mit dem Speer geschossen und für
ein Stück tahitisches Zeug verkauft hatte. Da es eine neue Art war, so machte

R r 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
war nicht rathſam ihnen von dem Vorfall mit den Frauensleuten etwas zu erzaͤh-1774.
Septem-
ber.

len, weil ihre Neugier, ſie leicht zu einem neuen Verſuch reizen, dieſer aber fuͤr
die armen Weiber ſehr ungluͤcklich haͤtte ausfallen koͤnnen. Wir fuͤhrten ſie alſo aus
dieſer Gegend weg und zu dem Manne hin, der noch immer mit dem Haarver-
ſchneiden ſeiner Tochter beſchaͤftigt war. Man gab ihm zu verſtehen, daß uns
allen nach einem Trunk verlange, und dies begrif er nicht nur bald, ſondern
zeigte auch gleich nach einem Baume hin, mit dem Andeuten, daß wir dort et-
was finden wuͤrden. Er hatte nehmlich zwoͤlf große Coconußſchaalen damit an-
gefuͤllt, und ſolche an die unteren Aeſte aufgehangen. Dieſe Methode das Waſ-
ſer in kleinen Vorraͤthen aufzubewahren ſcheint, im Ganzen, Mangel an ſelbi-
gen zu verrathen. Demohnerachtet trugen wir kein Bedenken, unſern Durſt
zur Genuͤge zu ſtillen und belohnten ihn dafuͤr durch ein Stuͤck tahitiſches Zeug,
womit er auch vollkommen zufrieden war. Nunmehro kehrten wir in zwo Par-
theyen, die eine zu Lande, die andre im Boote, nach dem Waſſerplatz zuruͤck.
Ich geſellte mich zu der erſteren und ſchoß unterwegens verſchiedne neue Arten
von Voͤgeln, deren das Land eine Menge aufzuweiſen hat. Naͤchſt dieſen
ſanden wir auch die gewoͤhnliche europaͤiſche Kraͤhe allhier. Am Waſſer-
platze hatte ſich eine Menge Indianer verſammelt, wovon einige fuͤr ein Stuͤck-
chen tahitiſches Zeug unſre Leute aus- und nach dem Boot zuruͤck, eine gute
Strecke weit durchs Waſſer trugen. Es waren auch einige Weiber dabey,
die, ohne Furcht fuͤr ihren eiferſuͤchtigen Maͤnnern, ſich mitten unter uns wag-
ten, und an den Galanterien der Matroſen Gefallen zu finden ſchienen.
Sie winkten ſie gemeiniglich zu ſich ins Gebuͤſch, wann aber der gluͤckliche Lieb-
haber ihnen dahin folgte, ſo liefen jene, mit unerreichbarer Behendigkeit davon
und lachten den betrogenen Adonis tapfer aus. Es hat ſich auch wirklich, ſo
lange wir auf der Inſel blieben, nicht eine einzige Frauensperſon in die geringſte
unanſtaͤndige Vertraulichkeit mit den Europaͤern eingelaſſen, ſondern ihr anſchei-
nend verliebtes Weſen lief allemal nur auf einen erlaubten und muntern
Scherz hinaus.

Wir waren noch nicht lange an Boord zuruͤck, als der Schreiber des Capi-
tains einen Fiſch ſchickte, den ein Indianer ſo eben mit dem Speer geſchoſſen und fuͤr
ein Stuͤck tahitiſches Zeug verkauft hatte. Da es eine neue Art war, ſo machte

R r 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0333" n="317"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
war nicht rath&#x017F;am ihnen von dem Vorfall mit den Frauensleuten etwas zu erza&#x0364;h-<note place="right">1774.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note><lb/>
len, weil ihre Neugier, &#x017F;ie leicht zu einem neuen Ver&#x017F;uch reizen, die&#x017F;er aber fu&#x0364;r<lb/>
die armen Weiber &#x017F;ehr unglu&#x0364;cklich ha&#x0364;tte ausfallen ko&#x0364;nnen. Wir fu&#x0364;hrten &#x017F;ie al&#x017F;o aus<lb/>
die&#x017F;er Gegend weg und zu dem Manne hin, der noch immer mit dem Haarver-<lb/>
&#x017F;chneiden &#x017F;einer Tochter be&#x017F;cha&#x0364;ftigt war. Man gab ihm zu ver&#x017F;tehen, daß uns<lb/>
allen nach einem Trunk verlange, und dies begrif er nicht nur bald, &#x017F;ondern<lb/>
zeigte auch gleich nach einem Baume hin, mit dem Andeuten, daß wir dort et-<lb/>
was finden wu&#x0364;rden. Er hatte nehmlich zwo&#x0364;lf große Coconuß&#x017F;chaalen damit an-<lb/>
gefu&#x0364;llt, und &#x017F;olche an die unteren Ae&#x017F;te aufgehangen. Die&#x017F;e Methode das Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er in kleinen Vorra&#x0364;then aufzubewahren &#x017F;cheint, im Ganzen, Mangel an &#x017F;elbi-<lb/>
gen zu verrathen. Demohnerachtet trugen wir kein Bedenken, un&#x017F;ern Dur&#x017F;t<lb/>
zur Genu&#x0364;ge zu &#x017F;tillen und belohnten ihn dafu&#x0364;r durch ein Stu&#x0364;ck tahiti&#x017F;ches Zeug,<lb/>
womit er auch vollkommen zufrieden war. Nunmehro kehrten wir in zwo Par-<lb/>
theyen, die eine zu Lande, die andre im Boote, nach dem Wa&#x017F;&#x017F;erplatz zuru&#x0364;ck.<lb/>
Ich ge&#x017F;ellte mich zu der er&#x017F;teren und &#x017F;choß unterwegens ver&#x017F;chiedne neue Arten<lb/>
von Vo&#x0364;geln, deren das Land eine Menge aufzuwei&#x017F;en hat. Na&#x0364;ch&#x017F;t die&#x017F;en<lb/>
&#x017F;anden wir auch die gewo&#x0364;hnliche europa&#x0364;i&#x017F;che Kra&#x0364;he allhier. Am Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
platze hatte &#x017F;ich eine Menge Indianer ver&#x017F;ammelt, wovon einige fu&#x0364;r ein Stu&#x0364;ck-<lb/>
chen tahiti&#x017F;ches Zeug un&#x017F;re Leute aus- und nach dem Boot zuru&#x0364;ck, eine gute<lb/>
Strecke weit durchs Wa&#x017F;&#x017F;er trugen. Es waren auch einige Weiber dabey,<lb/>
die, ohne Furcht fu&#x0364;r ihren eifer&#x017F;u&#x0364;chtigen Ma&#x0364;nnern, &#x017F;ich mitten unter uns wag-<lb/>
ten, und an den Galanterien der Matro&#x017F;en Gefallen zu finden &#x017F;chienen.<lb/>
Sie winkten &#x017F;ie gemeiniglich zu &#x017F;ich ins Gebu&#x0364;&#x017F;ch, wann aber der glu&#x0364;ckliche Lieb-<lb/>
haber ihnen dahin folgte, &#x017F;o liefen jene, mit unerreichbarer Behendigkeit davon<lb/>
und lachten den betrogenen Adonis tapfer aus. Es hat &#x017F;ich auch wirklich, &#x017F;o<lb/>
lange wir auf der In&#x017F;el blieben, nicht eine einzige Frauensper&#x017F;on in die gering&#x017F;te<lb/>
unan&#x017F;ta&#x0364;ndige Vertraulichkeit mit den Europa&#x0364;ern eingela&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern ihr an&#x017F;chei-<lb/>
nend verliebtes We&#x017F;en lief allemal nur auf einen erlaubten und muntern<lb/>
Scherz hinaus.</p><lb/>
        <p>Wir waren noch nicht lange an Boord zuru&#x0364;ck, als der Schreiber des Capi-<lb/>
tains einen Fi&#x017F;ch &#x017F;chickte, den ein Indianer &#x017F;o eben mit dem Speer ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en und fu&#x0364;r<lb/>
ein Stu&#x0364;ck tahiti&#x017F;ches Zeug verkauft hatte. Da es eine neue Art war, &#x017F;o machte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R r 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0333] in den Jahren 1772 bis 1775. war nicht rathſam ihnen von dem Vorfall mit den Frauensleuten etwas zu erzaͤh- len, weil ihre Neugier, ſie leicht zu einem neuen Verſuch reizen, dieſer aber fuͤr die armen Weiber ſehr ungluͤcklich haͤtte ausfallen koͤnnen. Wir fuͤhrten ſie alſo aus dieſer Gegend weg und zu dem Manne hin, der noch immer mit dem Haarver- ſchneiden ſeiner Tochter beſchaͤftigt war. Man gab ihm zu verſtehen, daß uns allen nach einem Trunk verlange, und dies begrif er nicht nur bald, ſondern zeigte auch gleich nach einem Baume hin, mit dem Andeuten, daß wir dort et- was finden wuͤrden. Er hatte nehmlich zwoͤlf große Coconußſchaalen damit an- gefuͤllt, und ſolche an die unteren Aeſte aufgehangen. Dieſe Methode das Waſ- ſer in kleinen Vorraͤthen aufzubewahren ſcheint, im Ganzen, Mangel an ſelbi- gen zu verrathen. Demohnerachtet trugen wir kein Bedenken, unſern Durſt zur Genuͤge zu ſtillen und belohnten ihn dafuͤr durch ein Stuͤck tahitiſches Zeug, womit er auch vollkommen zufrieden war. Nunmehro kehrten wir in zwo Par- theyen, die eine zu Lande, die andre im Boote, nach dem Waſſerplatz zuruͤck. Ich geſellte mich zu der erſteren und ſchoß unterwegens verſchiedne neue Arten von Voͤgeln, deren das Land eine Menge aufzuweiſen hat. Naͤchſt dieſen ſanden wir auch die gewoͤhnliche europaͤiſche Kraͤhe allhier. Am Waſſer- platze hatte ſich eine Menge Indianer verſammelt, wovon einige fuͤr ein Stuͤck- chen tahitiſches Zeug unſre Leute aus- und nach dem Boot zuruͤck, eine gute Strecke weit durchs Waſſer trugen. Es waren auch einige Weiber dabey, die, ohne Furcht fuͤr ihren eiferſuͤchtigen Maͤnnern, ſich mitten unter uns wag- ten, und an den Galanterien der Matroſen Gefallen zu finden ſchienen. Sie winkten ſie gemeiniglich zu ſich ins Gebuͤſch, wann aber der gluͤckliche Lieb- haber ihnen dahin folgte, ſo liefen jene, mit unerreichbarer Behendigkeit davon und lachten den betrogenen Adonis tapfer aus. Es hat ſich auch wirklich, ſo lange wir auf der Inſel blieben, nicht eine einzige Frauensperſon in die geringſte unanſtaͤndige Vertraulichkeit mit den Europaͤern eingelaſſen, ſondern ihr anſchei- nend verliebtes Weſen lief allemal nur auf einen erlaubten und muntern Scherz hinaus. 1774. Septem- ber. Wir waren noch nicht lange an Boord zuruͤck, als der Schreiber des Capi- tains einen Fiſch ſchickte, den ein Indianer ſo eben mit dem Speer geſchoſſen und fuͤr ein Stuͤck tahitiſches Zeug verkauft hatte. Da es eine neue Art war, ſo machte R r 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/333
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/333>, abgerufen am 20.05.2024.