Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
Septem-
ber.
und fuhr in seinem Geschäft fort, welches darinn bestand, das Haar des Mäd-
chens mit einem geschärften Stück schönen, durchsichtigen Quarz zu verschneiden.
Ich machte ihnen mit etlichen schwarzen Glaskorallen eine große Freude, und
gieng darauf, um sie destoweniger zu beunruhigen, nach den übrigen Hütten zu.
Diese standen so nahe beysammen, daß der zwischen inne liegende, zum Theil
eingezäunte Platz, kaum zehn Fuß ins Gevierte hielt. In selbigem traf ich drey
Frauenspersonen an, eine von mittlerm Alter, die andern etwas jünger, die
im Begrif standen ein Feuer unter einem der oberwähnten großen irdenen Töpfe
anzuzünden. Sobald sie mich gewahr wurden, winkten sie, ich möchte mich
entfernen; weil es mir aber darum zu thun war, ihre Art zu kochen näher zu
untersuchen, so gieng ich, ohne auf ihr Winken zu achten, herein, und fand den
Topf voll trocknen Grases und grüner Blätter, in welches einige kleine Yam-
wurzeln gewickelt waren. Diese Wurzeln werden also in dem Topfe gleichsam
gebacken, so wie es bey den Tahitiern, unterhalb der Erde, vermittelst geheiz-
ter Steine, geschiehet. Sie wollten mir kaum Zeit lassen, dies zu untersuchen,
sondern winckten ohne Aufhören, daß ich fortgehen möchte, und zogen, nachdem
sie auf ihre Hütten gezeigt, die Finger einige Mahl unterm Halse hin und zurück,
um, wie es schien, mir zu verstehn zu geben, daß sie ohnfehlbar erstickt oder er-
drosselt würden, wenn man sie mit einem Fremden allein bemerkte. Diese Zei-
chen dünckten mich zu bestimmt und zu ernsthaft um nicht darauf zu achten; ich
begnügte mich also einen Blick in die Hütten zu thun, die aber ganz ledig waren,
und gieng darauf ins Gehölz zurück, woselbst mir Doctor Sparrmann entgegen
kam. Er war der Meynung, daß ich mich, in der Bedeutung dieser Zeichen,
wohl geirrt haben könnte, und daß es der Mühe werth sey, sie nochmals zu
untersuchen; wir kehrten deshalb beyde um, und fanden die Weiber noch an
demselben Orte. Ein kleines Geschenk von etlichen Glascorallen machte ihnen
zwar große Freude, doch konnte es ihre Besorgniß nicht aufheben, sondern sie
wiederholten immer noch die vorigen Zeichen. Ueberdem schien es, als ob sie
uns jetzt mit einer recht flehentlichen Miene bäten, ihre Verlegenheit nicht aufs
äußerste zu treiben. Wir entfernten uns daher, und ich durfte an der Richtig-
keit meiner vorigen Auslegung wohl nicht mehr zweifeln. Mittlerweile hatte
uns der Rest unsrer Gesellschaft eingehohlt, und klagte über großen Durst, Es

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Septem-
ber.
und fuhr in ſeinem Geſchaͤft fort, welches darinn beſtand, das Haar des Maͤd-
chens mit einem geſchaͤrften Stuͤck ſchoͤnen, durchſichtigen Quarz zu verſchneiden.
Ich machte ihnen mit etlichen ſchwarzen Glaskorallen eine große Freude, und
gieng darauf, um ſie deſtoweniger zu beunruhigen, nach den uͤbrigen Huͤtten zu.
Dieſe ſtanden ſo nahe beyſammen, daß der zwiſchen inne liegende, zum Theil
eingezaͤunte Platz, kaum zehn Fuß ins Gevierte hielt. In ſelbigem traf ich drey
Frauensperſonen an, eine von mittlerm Alter, die andern etwas juͤnger, die
im Begrif ſtanden ein Feuer unter einem der oberwaͤhnten großen irdenen Toͤpfe
anzuzuͤnden. Sobald ſie mich gewahr wurden, winkten ſie, ich moͤchte mich
entfernen; weil es mir aber darum zu thun war, ihre Art zu kochen naͤher zu
unterſuchen, ſo gieng ich, ohne auf ihr Winken zu achten, herein, und fand den
Topf voll trocknen Graſes und gruͤner Blaͤtter, in welches einige kleine Yam-
wurzeln gewickelt waren. Dieſe Wurzeln werden alſo in dem Topfe gleichſam
gebacken, ſo wie es bey den Tahitiern, unterhalb der Erde, vermittelſt geheiz-
ter Steine, geſchiehet. Sie wollten mir kaum Zeit laſſen, dies zu unterſuchen,
ſondern winckten ohne Aufhoͤren, daß ich fortgehen moͤchte, und zogen, nachdem
ſie auf ihre Huͤtten gezeigt, die Finger einige Mahl unterm Halſe hin und zuruͤck,
um, wie es ſchien, mir zu verſtehn zu geben, daß ſie ohnfehlbar erſtickt oder er-
droſſelt wuͤrden, wenn man ſie mit einem Fremden allein bemerkte. Dieſe Zei-
chen duͤnckten mich zu beſtimmt und zu ernſthaft um nicht darauf zu achten; ich
begnuͤgte mich alſo einen Blick in die Huͤtten zu thun, die aber ganz ledig waren,
und gieng darauf ins Gehoͤlz zuruͤck, woſelbſt mir Doctor Sparrmann entgegen
kam. Er war der Meynung, daß ich mich, in der Bedeutung dieſer Zeichen,
wohl geirrt haben koͤnnte, und daß es der Muͤhe werth ſey, ſie nochmals zu
unterſuchen; wir kehrten deshalb beyde um, und fanden die Weiber noch an
demſelben Orte. Ein kleines Geſchenk von etlichen Glascorallen machte ihnen
zwar große Freude, doch konnte es ihre Beſorgniß nicht aufheben, ſondern ſie
wiederholten immer noch die vorigen Zeichen. Ueberdem ſchien es, als ob ſie
uns jetzt mit einer recht flehentlichen Miene baͤten, ihre Verlegenheit nicht aufs
aͤußerſte zu treiben. Wir entfernten uns daher, und ich durfte an der Richtig-
keit meiner vorigen Auslegung wohl nicht mehr zweifeln. Mittlerweile hatte
uns der Reſt unſrer Geſellſchaft eingehohlt, und klagte uͤber großen Durſt, Es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note>und fuhr in &#x017F;einem Ge&#x017F;cha&#x0364;ft fort, welches darinn be&#x017F;tand, das Haar des Ma&#x0364;d-<lb/>
chens mit einem ge&#x017F;cha&#x0364;rften Stu&#x0364;ck &#x017F;cho&#x0364;nen, durch&#x017F;ichtigen Quarz zu ver&#x017F;chneiden.<lb/>
Ich machte ihnen mit etlichen &#x017F;chwarzen Glaskorallen eine große Freude, und<lb/>
gieng darauf, um &#x017F;ie de&#x017F;toweniger zu beunruhigen, nach den u&#x0364;brigen Hu&#x0364;tten zu.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;tanden &#x017F;o nahe bey&#x017F;ammen, daß der zwi&#x017F;chen inne liegende, zum Theil<lb/>
eingeza&#x0364;unte Platz, kaum zehn Fuß ins Gevierte hielt. In &#x017F;elbigem traf ich drey<lb/>
Frauensper&#x017F;onen an, eine von mittlerm Alter, die andern etwas ju&#x0364;nger, die<lb/>
im Begrif &#x017F;tanden ein Feuer unter einem der oberwa&#x0364;hnten großen irdenen To&#x0364;pfe<lb/>
anzuzu&#x0364;nden. Sobald &#x017F;ie mich gewahr wurden, winkten &#x017F;ie, ich mo&#x0364;chte mich<lb/>
entfernen; weil es mir aber darum zu thun war, ihre Art zu kochen na&#x0364;her zu<lb/>
unter&#x017F;uchen, &#x017F;o gieng ich, ohne auf ihr Winken zu achten, herein, und fand den<lb/>
Topf voll trocknen Gra&#x017F;es und gru&#x0364;ner Bla&#x0364;tter, in welches einige kleine Yam-<lb/>
wurzeln gewickelt waren. Die&#x017F;e Wurzeln werden al&#x017F;o in dem Topfe gleich&#x017F;am<lb/>
gebacken, &#x017F;o wie es bey den <hi rendition="#fr">Tahitiern, unterhalb</hi> der Erde, vermittel&#x017F;t geheiz-<lb/>
ter Steine, ge&#x017F;chiehet. Sie wollten mir kaum Zeit la&#x017F;&#x017F;en, dies zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
&#x017F;ondern winckten ohne Aufho&#x0364;ren, daß ich fortgehen mo&#x0364;chte, und zogen, nachdem<lb/>
&#x017F;ie auf ihre Hu&#x0364;tten gezeigt, die Finger einige Mahl unterm Hal&#x017F;e hin und zuru&#x0364;ck,<lb/>
um, wie es &#x017F;chien, mir zu ver&#x017F;tehn zu geben, daß &#x017F;ie ohnfehlbar er&#x017F;tickt oder er-<lb/>
dro&#x017F;&#x017F;elt wu&#x0364;rden, wenn man &#x017F;ie mit einem Fremden allein bemerkte. Die&#x017F;e Zei-<lb/>
chen du&#x0364;nckten mich zu be&#x017F;timmt und zu ern&#x017F;thaft um nicht darauf zu achten; ich<lb/>
begnu&#x0364;gte mich al&#x017F;o einen Blick in die Hu&#x0364;tten zu thun, die aber ganz ledig waren,<lb/>
und gieng darauf ins Geho&#x0364;lz zuru&#x0364;ck, wo&#x017F;elb&#x017F;t mir Doctor <hi rendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi> entgegen<lb/>
kam. Er war der Meynung, daß ich mich, in der Bedeutung die&#x017F;er Zeichen,<lb/>
wohl geirrt haben ko&#x0364;nnte, und daß es der Mu&#x0364;he werth &#x017F;ey, &#x017F;ie nochmals zu<lb/>
unter&#x017F;uchen; wir kehrten deshalb beyde um, und fanden die Weiber noch an<lb/>
dem&#x017F;elben Orte. Ein kleines Ge&#x017F;chenk von etlichen Glascorallen machte ihnen<lb/>
zwar große Freude, doch konnte es ihre Be&#x017F;orgniß nicht aufheben, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
wiederholten immer noch die vorigen Zeichen. Ueberdem &#x017F;chien es, als ob &#x017F;ie<lb/>
uns jetzt mit einer recht flehentlichen Miene ba&#x0364;ten, ihre Verlegenheit nicht aufs<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;te zu treiben. Wir entfernten uns daher, und ich durfte an der Richtig-<lb/>
keit meiner vorigen Auslegung wohl nicht mehr zweifeln. Mittlerweile hatte<lb/>
uns der Re&#x017F;t un&#x017F;rer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eingehohlt, und klagte u&#x0364;ber großen Dur&#x017F;t, Es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0332] Forſter’s Reiſe um die Welt und fuhr in ſeinem Geſchaͤft fort, welches darinn beſtand, das Haar des Maͤd- chens mit einem geſchaͤrften Stuͤck ſchoͤnen, durchſichtigen Quarz zu verſchneiden. Ich machte ihnen mit etlichen ſchwarzen Glaskorallen eine große Freude, und gieng darauf, um ſie deſtoweniger zu beunruhigen, nach den uͤbrigen Huͤtten zu. Dieſe ſtanden ſo nahe beyſammen, daß der zwiſchen inne liegende, zum Theil eingezaͤunte Platz, kaum zehn Fuß ins Gevierte hielt. In ſelbigem traf ich drey Frauensperſonen an, eine von mittlerm Alter, die andern etwas juͤnger, die im Begrif ſtanden ein Feuer unter einem der oberwaͤhnten großen irdenen Toͤpfe anzuzuͤnden. Sobald ſie mich gewahr wurden, winkten ſie, ich moͤchte mich entfernen; weil es mir aber darum zu thun war, ihre Art zu kochen naͤher zu unterſuchen, ſo gieng ich, ohne auf ihr Winken zu achten, herein, und fand den Topf voll trocknen Graſes und gruͤner Blaͤtter, in welches einige kleine Yam- wurzeln gewickelt waren. Dieſe Wurzeln werden alſo in dem Topfe gleichſam gebacken, ſo wie es bey den Tahitiern, unterhalb der Erde, vermittelſt geheiz- ter Steine, geſchiehet. Sie wollten mir kaum Zeit laſſen, dies zu unterſuchen, ſondern winckten ohne Aufhoͤren, daß ich fortgehen moͤchte, und zogen, nachdem ſie auf ihre Huͤtten gezeigt, die Finger einige Mahl unterm Halſe hin und zuruͤck, um, wie es ſchien, mir zu verſtehn zu geben, daß ſie ohnfehlbar erſtickt oder er- droſſelt wuͤrden, wenn man ſie mit einem Fremden allein bemerkte. Dieſe Zei- chen duͤnckten mich zu beſtimmt und zu ernſthaft um nicht darauf zu achten; ich begnuͤgte mich alſo einen Blick in die Huͤtten zu thun, die aber ganz ledig waren, und gieng darauf ins Gehoͤlz zuruͤck, woſelbſt mir Doctor Sparrmann entgegen kam. Er war der Meynung, daß ich mich, in der Bedeutung dieſer Zeichen, wohl geirrt haben koͤnnte, und daß es der Muͤhe werth ſey, ſie nochmals zu unterſuchen; wir kehrten deshalb beyde um, und fanden die Weiber noch an demſelben Orte. Ein kleines Geſchenk von etlichen Glascorallen machte ihnen zwar große Freude, doch konnte es ihre Beſorgniß nicht aufheben, ſondern ſie wiederholten immer noch die vorigen Zeichen. Ueberdem ſchien es, als ob ſie uns jetzt mit einer recht flehentlichen Miene baͤten, ihre Verlegenheit nicht aufs aͤußerſte zu treiben. Wir entfernten uns daher, und ich durfte an der Richtig- keit meiner vorigen Auslegung wohl nicht mehr zweifeln. Mittlerweile hatte uns der Reſt unſrer Geſellſchaft eingehohlt, und klagte uͤber großen Durſt, Es 1774. Septem- ber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/332
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/332>, abgerufen am 20.05.2024.