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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
weder von Menschen noch von Pflanzungen die geringste Spur zu finden. Dem-1774.
August.

ohnerachtet folgten wir dem schlängelnden Pfade immer höher und gelangten
nach Verlauf einer Viertel-Stunde, an einen kleinen freyen Platz, der mit
dem feinsten Rasen bewachsen und rings umher von schönen wilden Bäumen
eingeschlossen war. Außerdem daß die Sonnenstrahlen hier um desto kräftiger
würkten, weil der Wind nirgends Zugang finden konnte, ward die Hitze noch
durch einen heißen Dampf vermehrt, dessen durchdringender Schwefel-Ge-
ruch uns bald seinen unterirdischen Ursprung verrieth. Wir fanden ihn nem-
lich zwischen den Aesten der Feigenbäume, die in vortreflichem Wuchse stan-
den, von einem kleinen Haufen weislichter Erde empor steigen. Diese war
nicht, wie sie beym ersten Anblick zu seyn schien, eine Art von Kalk, sondern
ein wirklicher Ton mit gediegenem Schwefel vermischt, und hatte, gleich dem
Alaun, einen caustischen, oder zusammenziehenden Geschmack. Wenn man mit
einem Stocke darinn scharrte, so kam der Rauch häufiger hervor und für Hitze
konnte man die Füße kaum auf dem Boden leiden. Als wir noch eine gute
Ecke höher stiegen, brachte uns der Weg wiederum auf einen solchen freyen
Platz, der etwas abhängig war, aber weder Gras noch andre Pflanzen trug.
An einer Stelle desselben bestand das Erdreich aus rothem Bolus oder Ocker,
womit die Einwohner sich zu schminken pflegen, und an zween andern Flecken
stieg von einem Häufgen Erde, hier eben solcher Schwefeldampf empor,
jedoch nicht so häufig auch nicht von so starkem Geruch als unten. Der
Ton sahe hier etwas grünlicher aus, welches ohne Zweifel von dem darinn
enthaltenen Schwefel herrühren mochte. Mittlerweile war der Vulcan
unruhiger geworden als jemals, und bey jeder Explosion desselben, stieg
aus diesen unterirrdischen Schwefelgruben der Dampf in größerer Menge
als sonst, gleich einer dicken weißen Wolke, hervor. Dieser Umstand schien
anzuzeigen, daß zwischen beyden Oertern, entweder eine förmliche Gemein-
schaft vorhanden seyn, oder, daß die inneren gewaltsamen Erschütterungen des
feuerspeyenden Berges, sich auf irgend eine andre, mittelbare Weise, bis
nach diesen Schwefel-Behältern fortpflanzen müßten. Was den Vulcan selbst
betrifft, so bemerkten wir heute zum zweytenmal, daß er nach Regengüssen am un-
ruhigsten zu werden pflegte; vermuthlich bringt also der Regen dergleichen

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in den Jahren 1772 bis 1775.
weder von Menſchen noch von Pflanzungen die geringſte Spur zu finden. Dem-1774.
Auguſt.

ohnerachtet folgten wir dem ſchlaͤngelnden Pfade immer hoͤher und gelangten
nach Verlauf einer Viertel-Stunde, an einen kleinen freyen Platz, der mit
dem feinſten Raſen bewachſen und rings umher von ſchoͤnen wilden Baͤumen
eingeſchloſſen war. Außerdem daß die Sonnenſtrahlen hier um deſto kraͤftiger
wuͤrkten, weil der Wind nirgends Zugang finden konnte, ward die Hitze noch
durch einen heißen Dampf vermehrt, deſſen durchdringender Schwefel-Ge-
ruch uns bald ſeinen unterirdiſchen Urſprung verrieth. Wir fanden ihn nem-
lich zwiſchen den Aeſten der Feigenbaͤume, die in vortreflichem Wuchſe ſtan-
den, von einem kleinen Haufen weislichter Erde empor ſteigen. Dieſe war
nicht, wie ſie beym erſten Anblick zu ſeyn ſchien, eine Art von Kalk, ſondern
ein wirklicher Ton mit gediegenem Schwefel vermiſcht, und hatte, gleich dem
Alaun, einen cauſtiſchen, oder zuſammenziehenden Geſchmack. Wenn man mit
einem Stocke darinn ſcharrte, ſo kam der Rauch haͤufiger hervor und fuͤr Hitze
konnte man die Fuͤße kaum auf dem Boden leiden. Als wir noch eine gute
Ecke hoͤher ſtiegen, brachte uns der Weg wiederum auf einen ſolchen freyen
Platz, der etwas abhaͤngig war, aber weder Gras noch andre Pflanzen trug.
An einer Stelle deſſelben beſtand das Erdreich aus rothem Bolus oder Ocker,
womit die Einwohner ſich zu ſchminken pflegen, und an zween andern Flecken
ſtieg von einem Haͤufgen Erde, hier eben ſolcher Schwefeldampf empor,
jedoch nicht ſo haͤufig auch nicht von ſo ſtarkem Geruch als unten. Der
Ton ſahe hier etwas gruͤnlicher aus, welches ohne Zweifel von dem darinn
enthaltenen Schwefel herruͤhren mochte. Mittlerweile war der Vulcan
unruhiger geworden als jemals, und bey jeder Exploſion deſſelben, ſtieg
aus dieſen unterirrdiſchen Schwefelgruben der Dampf in groͤßerer Menge
als ſonſt, gleich einer dicken weißen Wolke, hervor. Dieſer Umſtand ſchien
anzuzeigen, daß zwiſchen beyden Oertern, entweder eine foͤrmliche Gemein-
ſchaft vorhanden ſeyn, oder, daß die inneren gewaltſamen Erſchuͤtterungen des
feuerſpeyenden Berges, ſich auf irgend eine andre, mittelbare Weiſe, bis
nach dieſen Schwefel-Behaͤltern fortpflanzen muͤßten. Was den Vulcan ſelbſt
betrifft, ſo bemerkten wir heute zum zweytenmal, daß er nach Regenguͤſſen am un-
ruhigſten zu werden pflegte; vermuthlich bringt alſo der Regen dergleichen

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[235/0249] in den Jahren 1772 bis 1775. weder von Menſchen noch von Pflanzungen die geringſte Spur zu finden. Dem- ohnerachtet folgten wir dem ſchlaͤngelnden Pfade immer hoͤher und gelangten nach Verlauf einer Viertel-Stunde, an einen kleinen freyen Platz, der mit dem feinſten Raſen bewachſen und rings umher von ſchoͤnen wilden Baͤumen eingeſchloſſen war. Außerdem daß die Sonnenſtrahlen hier um deſto kraͤftiger wuͤrkten, weil der Wind nirgends Zugang finden konnte, ward die Hitze noch durch einen heißen Dampf vermehrt, deſſen durchdringender Schwefel-Ge- ruch uns bald ſeinen unterirdiſchen Urſprung verrieth. Wir fanden ihn nem- lich zwiſchen den Aeſten der Feigenbaͤume, die in vortreflichem Wuchſe ſtan- den, von einem kleinen Haufen weislichter Erde empor ſteigen. Dieſe war nicht, wie ſie beym erſten Anblick zu ſeyn ſchien, eine Art von Kalk, ſondern ein wirklicher Ton mit gediegenem Schwefel vermiſcht, und hatte, gleich dem Alaun, einen cauſtiſchen, oder zuſammenziehenden Geſchmack. Wenn man mit einem Stocke darinn ſcharrte, ſo kam der Rauch haͤufiger hervor und fuͤr Hitze konnte man die Fuͤße kaum auf dem Boden leiden. Als wir noch eine gute Ecke hoͤher ſtiegen, brachte uns der Weg wiederum auf einen ſolchen freyen Platz, der etwas abhaͤngig war, aber weder Gras noch andre Pflanzen trug. An einer Stelle deſſelben beſtand das Erdreich aus rothem Bolus oder Ocker, womit die Einwohner ſich zu ſchminken pflegen, und an zween andern Flecken ſtieg von einem Haͤufgen Erde, hier eben ſolcher Schwefeldampf empor, jedoch nicht ſo haͤufig auch nicht von ſo ſtarkem Geruch als unten. Der Ton ſahe hier etwas gruͤnlicher aus, welches ohne Zweifel von dem darinn enthaltenen Schwefel herruͤhren mochte. Mittlerweile war der Vulcan unruhiger geworden als jemals, und bey jeder Exploſion deſſelben, ſtieg aus dieſen unterirrdiſchen Schwefelgruben der Dampf in groͤßerer Menge als ſonſt, gleich einer dicken weißen Wolke, hervor. Dieſer Umſtand ſchien anzuzeigen, daß zwiſchen beyden Oertern, entweder eine foͤrmliche Gemein- ſchaft vorhanden ſeyn, oder, daß die inneren gewaltſamen Erſchuͤtterungen des feuerſpeyenden Berges, ſich auf irgend eine andre, mittelbare Weiſe, bis nach dieſen Schwefel-Behaͤltern fortpflanzen muͤßten. Was den Vulcan ſelbſt betrifft, ſo bemerkten wir heute zum zweytenmal, daß er nach Regenguͤſſen am un- ruhigſten zu werden pflegte; vermuthlich bringt alſo der Regen dergleichen 1774. Auguſt. G g 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/249>, abgerufen am 10.05.2024.