Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
Als der Hay geöfnet ward, fand sich die knöcherne Spitze eines vergifteten1774.
Julius.

Pfeiles, tief im Kopfe stecken. Sie war ganz durch den Hirn-Schädel
durchgedrungen; die Wunde aber demohngeachtet so vollkommen ausgeheilet,
daß man äußerlich nicht mehr die geringste Spur einer Verletzung entdeckte.
An dieser Pfeil-Spitze war zu gleicher Zeit noch etwas Holz und Cocosfasern
befindlich; beydes aber dermaaßen verfault, daß es bey der geringsten Be-
rührung zerbröckelte. Den Fischen scheinet also das angebliche Gift dieser Pfeile,
keineswegs tödtlich zu seyn.

Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und verließen diese Insel,
von deren Haven, wir in der kurzen Zeit, kaum hatten einen Riß aufnehmen kön-
nen; astronomischen Beobachtungen zufolge liegt er unterm 16ten Grad 28 Se-
cunden südlicher Breite und in 167 Grad 56 Secunden östlicher Länge, und
ward Port Sandwich genannt. Ehe wir noch zum Rief hinaus kamen, ent-
stand eine Windstille. Wir mußten also unsre Boote aussetzen und uns hinaus
bogsieren lassen, welches endlich nach vieler angewandten Zeit und Mühe bewerk-
stelligt wurde. Die Indianer machten sich diesen zufälligen Aufschub zu Nutze und
führten uns, mit allen ihren vierzehn Canots, noch eine Menge von Waffen zu, um
tahitisches Zeug dagegen einzutauschen, welches ihnen sehr wohl behagen mußte.
Wir forderten auch heute wieder Lebensmittel; sie wollten aber, so wenig als gestern,
darauf hören, und nichts als solche Sachen weg geben, die sie leichter entbeh-
nen oder doch mit geringerer Mühe wieder schaffen konnten. Gegen Mittag waren
wir endlich zum Haven hinaus und entfernten uns von Mallicollo, mit Hülfe
eines aufsteigenden Seewindes. Nun gieng die Fahrt nach Ambrrym, das ist,
nach eben der Insel, auf welcher wir einen feuerspeyenden Berg wahrgenommen
hatten. Ob wir bey längerem Aufenthalt und mehrerer Bekanntschaft mit den Ein-
wohnern, Lebensmittel erhalten haben mögten? läßt sich wohl nicht leicht ent-
scheiden, doch ist es kaum zu vermuthen, weil sie von der Brauchbarkeit unseres
Eisengeräths keinen Begriff, und wir hingegen für ihre Lebensmittel keine andre
Waaren anzubieten hatten.

Die Insel Mallicollo ist von Norden gegen Süden ohngefähr 20 See-
Meilen lang; und der Haven, in welchem wir uns aufgehalten, an der süd-
östlichen Spitze befindlich. Im inneren des Landes liegen sehr hohe und mit

Z 2

in den Jahren 1772 bis 1775.
Als der Hay geoͤfnet ward, fand ſich die knoͤcherne Spitze eines vergifteten1774.
Julius.

Pfeiles, tief im Kopfe ſtecken. Sie war ganz durch den Hirn-Schaͤdel
durchgedrungen; die Wunde aber demohngeachtet ſo vollkommen ausgeheilet,
daß man aͤußerlich nicht mehr die geringſte Spur einer Verletzung entdeckte.
An dieſer Pfeil-Spitze war zu gleicher Zeit noch etwas Holz und Cocosfaſern
befindlich; beydes aber dermaaßen verfault, daß es bey der geringſten Be-
ruͤhrung zerbroͤckelte. Den Fiſchen ſcheinet alſo das angebliche Gift dieſer Pfeile,
keineswegs toͤdtlich zu ſeyn.

Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und verließen dieſe Inſel,
von deren Haven, wir in der kurzen Zeit, kaum hatten einen Riß aufnehmen koͤn-
nen; aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge liegt er unterm 16ten Grad 28 Se-
cunden ſuͤdlicher Breite und in 167 Grad 56 Secunden oͤſtlicher Laͤnge, und
ward Port Sandwich genannt. Ehe wir noch zum Rief hinaus kamen, ent-
ſtand eine Windſtille. Wir mußten alſo unſre Boote ausſetzen und uns hinaus
bogſieren laſſen, welches endlich nach vieler angewandten Zeit und Muͤhe bewerk-
ſtelligt wurde. Die Indianer machten ſich dieſen zufaͤlligen Aufſchub zu Nutze und
fuͤhrten uns, mit allen ihren vierzehn Canots, noch eine Menge von Waffen zu, um
tahitiſches Zeug dagegen einzutauſchen, welches ihnen ſehr wohl behagen mußte.
Wir forderten auch heute wieder Lebensmittel; ſie wollten aber, ſo wenig als geſtern,
darauf hoͤren, und nichts als ſolche Sachen weg geben, die ſie leichter entbeh-
nen oder doch mit geringerer Muͤhe wieder ſchaffen konnten. Gegen Mittag waren
wir endlich zum Haven hinaus und entfernten uns von Mallicollo, mit Huͤlfe
eines aufſteigenden Seewindes. Nun gieng die Fahrt nach Ambrrym, das iſt,
nach eben der Inſel, auf welcher wir einen feuerſpeyenden Berg wahrgenommen
hatten. Ob wir bey laͤngerem Aufenthalt und mehrerer Bekanntſchaft mit den Ein-
wohnern, Lebensmittel erhalten haben moͤgten? laͤßt ſich wohl nicht leicht ent-
ſcheiden, doch iſt es kaum zu vermuthen, weil ſie von der Brauchbarkeit unſeres
Eiſengeraͤths keinen Begriff, und wir hingegen fuͤr ihre Lebensmittel keine andre
Waaren anzubieten hatten.

Die Inſel Mallicollo iſt von Norden gegen Suͤden ohngefaͤhr 20 See-
Meilen lang; und der Haven, in welchem wir uns aufgehalten, an der ſuͤd-
oͤſtlichen Spitze befindlich. Im inneren des Landes liegen ſehr hohe und mit

Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
Als der Hay geo&#x0364;fnet ward, fand &#x017F;ich die kno&#x0364;cherne Spitze eines vergifteten<note place="right">1774.<lb/>
Julius.</note><lb/>
Pfeiles, tief im Kopfe &#x017F;tecken. Sie war ganz durch den Hirn-Scha&#x0364;del<lb/>
durchgedrungen; die Wunde aber demohngeachtet &#x017F;o vollkommen ausgeheilet,<lb/>
daß man a&#x0364;ußerlich nicht mehr die gering&#x017F;te Spur einer Verletzung entdeckte.<lb/>
An die&#x017F;er Pfeil-Spitze war zu gleicher Zeit noch etwas Holz und Cocosfa&#x017F;ern<lb/>
befindlich; beydes aber dermaaßen verfault, daß es bey der gering&#x017F;ten Be-<lb/>
ru&#x0364;hrung zerbro&#x0364;ckelte. Den Fi&#x017F;chen &#x017F;cheinet al&#x017F;o das angebliche Gift die&#x017F;er Pfeile,<lb/>
keineswegs to&#x0364;dtlich zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und verließen die&#x017F;e In&#x017F;el,<lb/>
von deren Haven, wir in der kurzen Zeit, kaum hatten einen Riß aufnehmen ko&#x0364;n-<lb/>
nen; a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Beobachtungen zufolge liegt er unterm 16ten Grad 28 Se-<lb/>
cunden &#x017F;u&#x0364;dlicher Breite und in 167 Grad 56 Secunden o&#x0364;&#x017F;tlicher La&#x0364;nge, und<lb/>
ward <hi rendition="#fr"><placeName>Port Sandwich</placeName></hi> genannt. Ehe wir noch zum Rief hinaus kamen, ent-<lb/>
&#x017F;tand eine Wind&#x017F;tille. Wir mußten al&#x017F;o un&#x017F;re Boote aus&#x017F;etzen und uns hinaus<lb/>
bog&#x017F;ieren la&#x017F;&#x017F;en, welches endlich nach vieler angewandten Zeit und Mu&#x0364;he bewerk-<lb/>
&#x017F;telligt wurde. Die Indianer machten &#x017F;ich die&#x017F;en zufa&#x0364;lligen Auf&#x017F;chub zu Nutze und<lb/>
fu&#x0364;hrten uns, mit allen ihren vierzehn Canots, noch eine Menge von Waffen zu, um<lb/>
tahiti&#x017F;ches Zeug dagegen einzutau&#x017F;chen, welches ihnen &#x017F;ehr wohl behagen mußte.<lb/>
Wir forderten auch heute wieder Lebensmittel; &#x017F;ie wollten aber, &#x017F;o wenig als ge&#x017F;tern,<lb/>
darauf ho&#x0364;ren, und nichts als &#x017F;olche Sachen weg geben, die &#x017F;ie leichter entbeh-<lb/>
nen oder doch mit geringerer Mu&#x0364;he wieder &#x017F;chaffen konnten. Gegen Mittag waren<lb/>
wir endlich zum Haven hinaus und entfernten uns von <hi rendition="#fr"><placeName>Mallicollo</placeName></hi>, mit Hu&#x0364;lfe<lb/>
eines auf&#x017F;teigenden Seewindes. Nun gieng die Fahrt nach <hi rendition="#fr"><placeName>Ambrrym</placeName></hi>, das i&#x017F;t,<lb/>
nach eben der In&#x017F;el, auf welcher wir einen feuer&#x017F;peyenden Berg wahrgenommen<lb/>
hatten. Ob wir bey la&#x0364;ngerem Aufenthalt und mehrerer Bekannt&#x017F;chaft mit den Ein-<lb/>
wohnern, Lebensmittel erhalten haben mo&#x0364;gten? la&#x0364;ßt &#x017F;ich wohl nicht leicht ent-<lb/>
&#x017F;cheiden, doch i&#x017F;t es kaum zu vermuthen, weil &#x017F;ie von der Brauchbarkeit un&#x017F;eres<lb/>
Ei&#x017F;engera&#x0364;ths keinen Begriff, und wir hingegen fu&#x0364;r ihre Lebensmittel keine andre<lb/>
Waaren anzubieten hatten.</p><lb/>
        <p>Die In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Mallicollo</placeName></hi> i&#x017F;t von Norden gegen Su&#x0364;den ohngefa&#x0364;hr 20 See-<lb/>
Meilen lang; und der Haven, in welchem wir uns aufgehalten, an der &#x017F;u&#x0364;d-<lb/>
o&#x0364;&#x017F;tlichen Spitze befindlich. Im inneren des Landes liegen &#x017F;ehr hohe und mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0193] in den Jahren 1772 bis 1775. Als der Hay geoͤfnet ward, fand ſich die knoͤcherne Spitze eines vergifteten Pfeiles, tief im Kopfe ſtecken. Sie war ganz durch den Hirn-Schaͤdel durchgedrungen; die Wunde aber demohngeachtet ſo vollkommen ausgeheilet, daß man aͤußerlich nicht mehr die geringſte Spur einer Verletzung entdeckte. An dieſer Pfeil-Spitze war zu gleicher Zeit noch etwas Holz und Cocosfaſern befindlich; beydes aber dermaaßen verfault, daß es bey der geringſten Be- ruͤhrung zerbroͤckelte. Den Fiſchen ſcheinet alſo das angebliche Gift dieſer Pfeile, keineswegs toͤdtlich zu ſeyn. 1774. Julius. Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und verließen dieſe Inſel, von deren Haven, wir in der kurzen Zeit, kaum hatten einen Riß aufnehmen koͤn- nen; aſtronomiſchen Beobachtungen zufolge liegt er unterm 16ten Grad 28 Se- cunden ſuͤdlicher Breite und in 167 Grad 56 Secunden oͤſtlicher Laͤnge, und ward Port Sandwich genannt. Ehe wir noch zum Rief hinaus kamen, ent- ſtand eine Windſtille. Wir mußten alſo unſre Boote ausſetzen und uns hinaus bogſieren laſſen, welches endlich nach vieler angewandten Zeit und Muͤhe bewerk- ſtelligt wurde. Die Indianer machten ſich dieſen zufaͤlligen Aufſchub zu Nutze und fuͤhrten uns, mit allen ihren vierzehn Canots, noch eine Menge von Waffen zu, um tahitiſches Zeug dagegen einzutauſchen, welches ihnen ſehr wohl behagen mußte. Wir forderten auch heute wieder Lebensmittel; ſie wollten aber, ſo wenig als geſtern, darauf hoͤren, und nichts als ſolche Sachen weg geben, die ſie leichter entbeh- nen oder doch mit geringerer Muͤhe wieder ſchaffen konnten. Gegen Mittag waren wir endlich zum Haven hinaus und entfernten uns von Mallicollo, mit Huͤlfe eines aufſteigenden Seewindes. Nun gieng die Fahrt nach Ambrrym, das iſt, nach eben der Inſel, auf welcher wir einen feuerſpeyenden Berg wahrgenommen hatten. Ob wir bey laͤngerem Aufenthalt und mehrerer Bekanntſchaft mit den Ein- wohnern, Lebensmittel erhalten haben moͤgten? laͤßt ſich wohl nicht leicht ent- ſcheiden, doch iſt es kaum zu vermuthen, weil ſie von der Brauchbarkeit unſeres Eiſengeraͤths keinen Begriff, und wir hingegen fuͤr ihre Lebensmittel keine andre Waaren anzubieten hatten. Die Inſel Mallicollo iſt von Norden gegen Suͤden ohngefaͤhr 20 See- Meilen lang; und der Haven, in welchem wir uns aufgehalten, an der ſuͤd- oͤſtlichen Spitze befindlich. Im inneren des Landes liegen ſehr hohe und mit Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/193
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/193>, abgerufen am 14.05.2024.