Ein großer Vortheil war es, daß die Sonnenhitze durch die schnelle Be-1774. März. wegung der Luft gemäßigt und erträglich gemacht wurde, so daß man mit Ver- gnügen auf dem Verdecke herumgehen konnte. Dies stärkte wenigstens eini- germaßen unsern Muth, und unsre Kranken, die jetzt im eigentlichen Verstande von Wind und Hoffnung lebten; denn sie hatten sonst nichts woran sie sich hät- ten laben können. Der Vorrath von Pflanzen- und Kräuterwerk, den wir auf Oster-Eyland hatten einlegen können, war verzehrt, und also mußte man, ent- weder von neuem mit dem elenden Pöckelfleisch vorlieb zu nehmen, das wäh- rend der dreyjährigen Reise Saft und Kraft verloren hatte, oder, sich entschlies- sen, bey schmalen Portionen von trocknem Brod, Hunger und Kummer zu leiden. Wir wünschten daher recht sehnlich, von allen diesen Unannehmlichkeiten so bald als möglich befreyet zu werden, und das Thermometer unsrer Erwartungen stieg und fiel nach den Graden des ab- oder zunehmenden Windes. Alle vorrä- thige Nachrichten von Mendanna's Reisen wurden sorgfältig zu Rathe gezo- gen. In sofern die darinn angegebne unbestimmte Entfernung der Marquesas von der Peruanischen Küste einem jeden Freyheit ließ, seinen Hoffnungen, Wün- schen und Vermuthungen nachzuhängen, hatten wir auch sicher alle Tage, we- nigftens eine neue Berechnung ihrer Länge vor uns. Fünf Tage hintereinander durchseegelten wir die unterschiednen Lagen, die unsre neuen Geographen diesen Inseln angewiesen. Einige unsrer Reisegefährten, die entweder schlau genug gewesen waren, ihre eigne Meynungen heimlich zu halten, oder auch freymüthig gestanden, daß der Innhalt jener Nachrichten viel zu unbestimmt wäre, eine Hypothese darauf bauen zu können, schienen sich darüber lustig zu machen, daß von unsren, auf dergleichen Muthmaßungen gegründeten Hoffnungen eine nach der andern zu Wasser wurde.
Während dieser Fahrt hatten wir einige schöne Abende, vornemlich bemerkten wir am 3ten April, bey untergehender Sonne, daß Himmel und Wolken in mannigfaltig spielendem Grün erschienen. Eine gleiche Bemerkung hatte Fre- zier schon vorher gemachet, und im Grunde sind Erscheinungen dieser Art nichts Außerordentliches, wenn die Luft mit häufigen Dünsten erfüllet ist, welches zwi- schen den Wendezirkeln oft sich zu ereignen pfleget. An demselbigen Tage fien- gen wir einen kleinen Saugefisch(Echineis Remora), der an einem fliegen-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Ein großer Vortheil war es, daß die Sonnenhitze durch die ſchnelle Be-1774. Maͤrz. wegung der Luft gemaͤßigt und ertraͤglich gemacht wurde, ſo daß man mit Ver- gnuͤgen auf dem Verdecke herumgehen konnte. Dies ſtaͤrkte wenigſtens eini- germaßen unſern Muth, und unſre Kranken, die jetzt im eigentlichen Verſtande von Wind und Hoffnung lebten; denn ſie hatten ſonſt nichts woran ſie ſich haͤt- ten laben koͤnnen. Der Vorrath von Pflanzen- und Kraͤuterwerk, den wir auf Oſter-Eyland hatten einlegen koͤnnen, war verzehrt, und alſo mußte man, ent- weder von neuem mit dem elenden Poͤckelfleiſch vorlieb zu nehmen, das waͤh- rend der dreyjaͤhrigen Reiſe Saft und Kraft verloren hatte, oder, ſich entſchlieſ- ſen, bey ſchmalen Portionen von trocknem Brod, Hunger und Kummer zu leiden. Wir wuͤnſchten daher recht ſehnlich, von allen dieſen Unannehmlichkeiten ſo bald als moͤglich befreyet zu werden, und das Thermometer unſrer Erwartungen ſtieg und fiel nach den Graden des ab- oder zunehmenden Windes. Alle vorraͤ- thige Nachrichten von Mendanna’s Reiſen wurden ſorgfaͤltig zu Rathe gezo- gen. In ſofern die darinn angegebne unbeſtimmte Entfernung der Marqueſas von der Peruaniſchen Kuͤſte einem jeden Freyheit ließ, ſeinen Hoffnungen, Wuͤn- ſchen und Vermuthungen nachzuhaͤngen, hatten wir auch ſicher alle Tage, we- nigftens eine neue Berechnung ihrer Laͤnge vor uns. Fuͤnf Tage hintereinander durchſeegelten wir die unterſchiednen Lagen, die unſre neuen Geographen dieſen Inſeln angewieſen. Einige unſrer Reiſegefaͤhrten, die entweder ſchlau genug geweſen waren, ihre eigne Meynungen heimlich zu halten, oder auch freymuͤthig geſtanden, daß der Innhalt jener Nachrichten viel zu unbeſtimmt waͤre, eine Hypotheſe darauf bauen zu koͤnnen, ſchienen ſich daruͤber luſtig zu machen, daß von unſren, auf dergleichen Muthmaßungen gegruͤndeten Hoffnungen eine nach der andern zu Waſſer wurde.
Waͤhrend dieſer Fahrt hatten wir einige ſchoͤne Abende, vornemlich bemerkten wir am 3ten April, bey untergehender Sonne, daß Himmel und Wolken in mannigfaltig ſpielendem Gruͤn erſchienen. Eine gleiche Bemerkung hatte Fre- zier ſchon vorher gemachet, und im Grunde ſind Erſcheinungen dieſer Art nichts Außerordentliches, wenn die Luft mit haͤufigen Duͤnſten erfuͤllet iſt, welches zwi- ſchen den Wendezirkeln oft ſich zu ereignen pfleget. An demſelbigen Tage fien- gen wir einen kleinen Saugefiſch(Echineis Remora), der an einem fliegen-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Ein großer Vortheil war es, daß die Sonnenhitze durch die ſchnelle Be-
wegung der Luft gemaͤßigt und ertraͤglich gemacht wurde, ſo daß man mit Ver-
gnuͤgen auf dem Verdecke herumgehen konnte. Dies ſtaͤrkte wenigſtens eini-
germaßen unſern Muth, und unſre Kranken, die jetzt im eigentlichen Verſtande
von Wind und Hoffnung lebten; denn ſie hatten ſonſt nichts woran ſie ſich haͤt-
ten laben koͤnnen. Der Vorrath von Pflanzen- und Kraͤuterwerk, den wir auf
Oſter-Eyland hatten einlegen koͤnnen, war verzehrt, und alſo mußte man, ent-
weder von neuem mit dem elenden Poͤckelfleiſch vorlieb zu nehmen, das waͤh-
rend der dreyjaͤhrigen Reiſe Saft und Kraft verloren hatte, oder, ſich entſchlieſ-
ſen, bey ſchmalen Portionen von trocknem Brod, Hunger und Kummer zu leiden.
Wir wuͤnſchten daher recht ſehnlich, von allen dieſen Unannehmlichkeiten ſo
bald als moͤglich befreyet zu werden, und das Thermometer unſrer Erwartungen
ſtieg und fiel nach den Graden des ab- oder zunehmenden Windes. Alle vorraͤ-
thige Nachrichten von Mendanna’s Reiſen wurden ſorgfaͤltig zu Rathe gezo-
gen. In ſofern die darinn angegebne unbeſtimmte Entfernung der Marqueſas
von der Peruaniſchen Kuͤſte einem jeden Freyheit ließ, ſeinen Hoffnungen, Wuͤn-
ſchen und Vermuthungen nachzuhaͤngen, hatten wir auch ſicher alle Tage, we-
nigftens eine neue Berechnung ihrer Laͤnge vor uns. Fuͤnf Tage hintereinander
durchſeegelten wir die unterſchiednen Lagen, die unſre neuen Geographen dieſen
Inſeln angewieſen. Einige unſrer Reiſegefaͤhrten, die entweder ſchlau genug
geweſen waren, ihre eigne Meynungen heimlich zu halten, oder auch freymuͤthig
geſtanden, daß der Innhalt jener Nachrichten viel zu unbeſtimmt waͤre,
eine Hypotheſe darauf bauen zu koͤnnen, ſchienen ſich daruͤber luſtig zu machen,
daß von unſren, auf dergleichen Muthmaßungen gegruͤndeten Hoffnungen eine
nach der andern zu Waſſer wurde.
1774.
Maͤrz.
Waͤhrend dieſer Fahrt hatten wir einige ſchoͤne Abende, vornemlich bemerkten
wir am 3ten April, bey untergehender Sonne, daß Himmel und Wolken in
mannigfaltig ſpielendem Gruͤn erſchienen. Eine gleiche Bemerkung hatte Fre-
zier ſchon vorher gemachet, und im Grunde ſind Erſcheinungen dieſer Art nichts
Außerordentliches, wenn die Luft mit haͤufigen Duͤnſten erfuͤllet iſt, welches zwi-
ſchen den Wendezirkeln oft ſich zu ereignen pfleget. An demſelbigen Tage fien-
gen wir einen kleinen Saugefiſch (Echineis Remora), der an einem fliegen-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/15>, abgerufen am 25.11.2024.
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