Die Opfer, welche den Göttern dieser Inseln dargebracht werden, be-1774. Junius. stehen in gahr gemachten Schweinen und Hühnern, wie auch allerhand Arten von andern Lebensmitteln. Die niedrigern, besonders aber die bösen Geister, werden bloß durch eine Art von Gezisch verehrt. Einige derselben sollen des Nachts in die Häuser kommen und die Einwohner ums Leben bringen; andre sollen sich auf einer gewissen unbewohnten Insel, Namens Mannua, in Gestalt starker, großer Männer aufhalten, schrecklich funkelnde Augen haben und einen jeden verschlingen, der ihrer Küste zu nahe kömmt. Diese Fabel scheint indessen nicht sowohl zu ihrer Götterlehre zu gehören, als vielmehr eine Anspielung auf Men- schenfresser zu seyn, deren es, wie ich oben schon bemerkt, vor undenklichen Zeiten, auf diesen Inseln mag gegeben haben.
Capitain Cook hat über die Religionsverfassung dieser Insulaner eine wichtige Entdeckung gemacht, davon mir aber bey unserm Aufenthalt in der Südsee nichts bekannt geworden. Ich will daher nicht Anstand nehmen, sie zum Besten meiner Leser, mit des Verfassers eignen Worten hier einzurücken:
"Da ich (sagt Capitain Cook) nicht ohne Grund vermuthete, daß die "Tahitische Religion in manchen Fällen Menschen-Opfer vorschreibe, so gieng "ich einmal mit Capitain Fourneaux nach einem Marai oder Begräbnißplatz in "Matavai, und nahm, wie ich bey ähnlichen Gelegenheiten immer zu thun "pflegte, einen meiner Leute mit, der die Landessprache ziemlich gut verstand. "Etliche Eingebohrne, darunter einer ein ganz gescheuter Mann zu seyn schien, "folgten uns. Auf dem Platze stand ein Tupapau, oder Gerüst, worauf ein "Todter, nebst einigen Speisen lag; welches alles meiner Wißbegierde zu statten "zu kommen schien. Ich sing an, kurze Fragen zu thun; z. B. ob die Pisangs- "und andre Früchte, dem Eatua (der Gottheit) dargebracht wären? Ob man "dem Eatua Schweine, Hunde, Hühner u. s. f. opferte? Auf alle diese Fra- "gen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, ob man dem Eatua denn "auch "Menschen" opferte? Mein Tahitier antwortete gleich Taata-ino, "d. i. böse Menschen würden geopfert, nachdem sie erst (Tiparrahai) d. i. zu "Tode geprügelt worden. Ich fragte weiter, ob man nicht auch zuweilen gute, "rechtschaffne Leute auf diese Art umbrächte? Nein, nur Taata-ino. Wer- "den auch Erihs jemals geopfert? Er antwortete, die haben ja Schweine, dem
Forster's Reise n. d. W. zweyter Th. Q
in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Opfer, welche den Goͤttern dieſer Inſeln dargebracht werden, be-1774. Junius. ſtehen in gahr gemachten Schweinen und Huͤhnern, wie auch allerhand Arten von andern Lebensmitteln. Die niedrigern, beſonders aber die boͤſen Geiſter, werden bloß durch eine Art von Geziſch verehrt. Einige derſelben ſollen des Nachts in die Haͤuſer kommen und die Einwohner ums Leben bringen; andre ſollen ſich auf einer gewiſſen unbewohnten Inſel, Namens Mannua, in Geſtalt ſtarker, großer Maͤnner aufhalten, ſchrecklich funkelnde Augen haben und einen jeden verſchlingen, der ihrer Kuͤſte zu nahe koͤmmt. Dieſe Fabel ſcheint indeſſen nicht ſowohl zu ihrer Goͤtterlehre zu gehoͤren, als vielmehr eine Anſpielung auf Men- ſchenfreſſer zu ſeyn, deren es, wie ich oben ſchon bemerkt, vor undenklichen Zeiten, auf dieſen Inſeln mag gegeben haben.
Capitain Cook hat uͤber die Religionsverfaſſung dieſer Inſulaner eine wichtige Entdeckung gemacht, davon mir aber bey unſerm Aufenthalt in der Suͤdſee nichts bekannt geworden. Ich will daher nicht Anſtand nehmen, ſie zum Beſten meiner Leſer, mit des Verfaſſers eignen Worten hier einzuruͤcken:
„Da ich (ſagt Capitain Cook) nicht ohne Grund vermuthete, daß die „Tahitiſche Religion in manchen Faͤllen Menſchen-Opfer vorſchreibe, ſo gieng „ich einmal mit Capitain Fourneaux nach einem Marai oder Begraͤbnißplatz in „Matavaï, und nahm, wie ich bey aͤhnlichen Gelegenheiten immer zu thun „pflegte, einen meiner Leute mit, der die Landesſprache ziemlich gut verſtand. „Etliche Eingebohrne, darunter einer ein ganz geſcheuter Mann zu ſeyn ſchien, „folgten uns. Auf dem Platze ſtand ein Tupapau, oder Geruͤſt, worauf ein „Todter, nebſt einigen Speiſen lag; welches alles meiner Wißbegierde zu ſtatten „zu kommen ſchien. Ich ſing an, kurze Fragen zu thun; z. B. ob die Piſangs- „und andre Fruͤchte, dem Eatua (der Gottheit) dargebracht waͤren? Ob man „dem Eatua Schweine, Hunde, Huͤhner u. ſ. f. opferte? Auf alle dieſe Fra- „gen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, ob man dem Eatua denn „auch “Menſchen” opferte? Mein Tahitier antwortete gleich Taata-ino, „d. i. boͤſe Menſchen wuͤrden geopfert, nachdem ſie erſt (Tiparrahaï) d. i. zu „Tode gepruͤgelt worden. Ich fragte weiter, ob man nicht auch zuweilen gute, „rechtſchaffne Leute auf dieſe Art umbraͤchte? Nein, nur Taata-ino. Wer- „den auch Erihs jemals geopfert? Er antwortete, die haben ja Schweine, dem
Forſter’s Reiſe n. d. W. zweyter Th. Q
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0133"n="121"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/><p>Die Opfer, welche den Goͤttern dieſer Inſeln dargebracht werden, be-<noteplace="right">1774.<lb/>
Junius.</note><lb/>ſtehen in gahr gemachten Schweinen und Huͤhnern, wie auch allerhand Arten<lb/>
von andern Lebensmitteln. Die niedrigern, beſonders aber die <hirendition="#fr">boͤſen</hi> Geiſter,<lb/>
werden bloß durch eine Art von Geziſch verehrt. Einige derſelben ſollen des<lb/>
Nachts in die Haͤuſer kommen und die Einwohner ums Leben bringen; andre<lb/>ſollen ſich auf einer gewiſſen unbewohnten Inſel, Namens <hirendition="#fr">Mannua</hi>, in Geſtalt<lb/>ſtarker, großer Maͤnner aufhalten, ſchrecklich funkelnde Augen haben und einen<lb/>
jeden verſchlingen, der ihrer Kuͤſte zu nahe koͤmmt. Dieſe Fabel ſcheint indeſſen<lb/>
nicht ſowohl zu ihrer Goͤtterlehre zu gehoͤren, als vielmehr eine Anſpielung auf Men-<lb/>ſchenfreſſer zu ſeyn, deren es, wie ich oben ſchon bemerkt, vor undenklichen Zeiten,<lb/>
auf dieſen Inſeln mag gegeben haben.</p><lb/><p>Capitain <hirendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> hat uͤber die Religionsverfaſſung dieſer Inſulaner eine<lb/>
wichtige Entdeckung gemacht, davon mir aber bey unſerm Aufenthalt in der<lb/><placeName>Suͤdſee</placeName> nichts bekannt geworden. Ich will daher nicht Anſtand nehmen, ſie zum<lb/>
Beſten meiner Leſer, mit des Verfaſſers eignen Worten hier einzuruͤcken:</p><lb/><p>„Da ich (ſagt Capitain <hirendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi>) nicht ohne Grund vermuthete, daß die<lb/>„<hirendition="#fr">Tahitiſche</hi> Religion in manchen Faͤllen Menſchen-Opfer vorſchreibe, ſo gieng<lb/>„ich einmal mit Capitain <hirendition="#fr"><persName>Fourneaux</persName></hi> nach einem <hirendition="#fr">Marai</hi> oder Begraͤbnißplatz in<lb/>„<hirendition="#fr"><placeName>Matava<hirendition="#aq">ï</hi></placeName></hi>, und nahm, wie ich bey aͤhnlichen Gelegenheiten immer zu thun<lb/>„pflegte, einen meiner Leute mit, der die Landesſprache ziemlich gut verſtand.<lb/>„Etliche Eingebohrne, darunter einer ein ganz geſcheuter Mann zu ſeyn ſchien,<lb/>„folgten uns. Auf dem Platze ſtand ein <hirendition="#fr">Tupapau</hi>, oder Geruͤſt, worauf ein<lb/>„Todter, nebſt einigen Speiſen lag; welches alles meiner Wißbegierde zu ſtatten<lb/>„zu kommen ſchien. Ich ſing an, kurze Fragen zu thun; z. B. ob die Piſangs-<lb/>„und andre Fruͤchte, dem <hirendition="#fr">Eatua</hi> (der Gottheit) dargebracht waͤren? Ob man<lb/>„dem <hirendition="#fr">Eatua</hi> Schweine, Hunde, Huͤhner u. ſ. f. opferte? Auf alle dieſe Fra-<lb/>„gen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, <hirendition="#fr">ob man dem Eatua denn<lb/>„auch “Menſchen” opferte</hi>? Mein <hirendition="#fr">Tahitier</hi> antwortete gleich <hirendition="#fr">Taata-ino</hi>,<lb/>„d. i. boͤſe Menſchen wuͤrden geopfert, nachdem ſie erſt (<hirendition="#fr">Tiparraha<hirendition="#aq">ï</hi></hi>) d. i. zu<lb/>„Tode gepruͤgelt worden. Ich fragte weiter, ob man nicht auch zuweilen <hirendition="#fr">gute,<lb/>„rechtſchaffne</hi> Leute auf dieſe Art umbraͤchte? Nein, nur <hirendition="#fr">Taata-ino</hi>. Wer-<lb/>„den auch <hirendition="#fr">Erihs</hi> jemals geopfert? Er antwortete, die haben ja Schweine, dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe n. d. W. zweyter Th.</hi> Q</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[121/0133]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Opfer, welche den Goͤttern dieſer Inſeln dargebracht werden, be-
ſtehen in gahr gemachten Schweinen und Huͤhnern, wie auch allerhand Arten
von andern Lebensmitteln. Die niedrigern, beſonders aber die boͤſen Geiſter,
werden bloß durch eine Art von Geziſch verehrt. Einige derſelben ſollen des
Nachts in die Haͤuſer kommen und die Einwohner ums Leben bringen; andre
ſollen ſich auf einer gewiſſen unbewohnten Inſel, Namens Mannua, in Geſtalt
ſtarker, großer Maͤnner aufhalten, ſchrecklich funkelnde Augen haben und einen
jeden verſchlingen, der ihrer Kuͤſte zu nahe koͤmmt. Dieſe Fabel ſcheint indeſſen
nicht ſowohl zu ihrer Goͤtterlehre zu gehoͤren, als vielmehr eine Anſpielung auf Men-
ſchenfreſſer zu ſeyn, deren es, wie ich oben ſchon bemerkt, vor undenklichen Zeiten,
auf dieſen Inſeln mag gegeben haben.
1774.
Junius.
Capitain Cook hat uͤber die Religionsverfaſſung dieſer Inſulaner eine
wichtige Entdeckung gemacht, davon mir aber bey unſerm Aufenthalt in der
Suͤdſee nichts bekannt geworden. Ich will daher nicht Anſtand nehmen, ſie zum
Beſten meiner Leſer, mit des Verfaſſers eignen Worten hier einzuruͤcken:
„Da ich (ſagt Capitain Cook) nicht ohne Grund vermuthete, daß die
„Tahitiſche Religion in manchen Faͤllen Menſchen-Opfer vorſchreibe, ſo gieng
„ich einmal mit Capitain Fourneaux nach einem Marai oder Begraͤbnißplatz in
„Matavaï, und nahm, wie ich bey aͤhnlichen Gelegenheiten immer zu thun
„pflegte, einen meiner Leute mit, der die Landesſprache ziemlich gut verſtand.
„Etliche Eingebohrne, darunter einer ein ganz geſcheuter Mann zu ſeyn ſchien,
„folgten uns. Auf dem Platze ſtand ein Tupapau, oder Geruͤſt, worauf ein
„Todter, nebſt einigen Speiſen lag; welches alles meiner Wißbegierde zu ſtatten
„zu kommen ſchien. Ich ſing an, kurze Fragen zu thun; z. B. ob die Piſangs-
„und andre Fruͤchte, dem Eatua (der Gottheit) dargebracht waͤren? Ob man
„dem Eatua Schweine, Hunde, Huͤhner u. ſ. f. opferte? Auf alle dieſe Fra-
„gen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, ob man dem Eatua denn
„auch “Menſchen” opferte? Mein Tahitier antwortete gleich Taata-ino,
„d. i. boͤſe Menſchen wuͤrden geopfert, nachdem ſie erſt (Tiparrahaï) d. i. zu
„Tode gepruͤgelt worden. Ich fragte weiter, ob man nicht auch zuweilen gute,
„rechtſchaffne Leute auf dieſe Art umbraͤchte? Nein, nur Taata-ino. Wer-
„den auch Erihs jemals geopfert? Er antwortete, die haben ja Schweine, dem
Forſter’s Reiſe n. d. W. zweyter Th. Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/133>, abgerufen am 11.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.