Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
Nachdem er das, was ihm der Capitain davon zu sagen wußte, eine Weile mit1774.
May.

angehört, fieng er an: Wir hätten allerdings viel gesehen, doch könne er uns von
einer Insel Nachricht geben, von der wir bey alle dem wohl noch nichts wissen mögten.
Sie liegt, sagte er, nur wenige Tagereisen von hier, wird aber von ungeheuern
Riesen bewohnt, die so groß sind als der höchste Mast, und so dick im Leibe,
als das Obertheil eurer Schiffswinde. Es sind ganz gute Leute, aber wenn man
sie böse macht, so ist kein Auskommens mit ihnen. Sie sind gleich im Stande,
einen Mann beym Leibe zu nehmen und ihn so weit in die See zu schleudern, als
ich mit einem Stein thun würde. Solltet ihr auf eurer Reise etwa noch dahin
kommen; so nehmt euch nur in Acht, daß sie nicht in die See zu euch heranwa-
den, das Schiff auf die Schultern nehmen und es so ans Land tragen. Er
setzte noch andre lächerliche Umstände hinzu, und, um seiner Erzählung desto mehr
Glauben zu verschaffen, so vergaß er nicht dieser wunderbaren Insel auch einen Na-
men zu geben. Er sagte nemlich, sie werde Mirro-Mirro genannt. Die Art,
mit welcher er dies Mährchen vorbrachte, bewies offenbar, daß es eine Ironie auf
diejenigen Stellen unsrer Erzählungen seyn sollte, die er entweder für erdichtet
halten mogte, oder wovon er sich keinen Begriff machen konnte, und die schalkhaft
witzige Einkleidung [ - 2 Zeichen fehlen] welche er seiner Spötterey zu geben wußte, war in der
That bewundernswerth. Herr von Bougainville hat wohl allerdings Recht,
wenn er die Ursach von den lebhaften Verstandes-Fähigkeiten dieser Insulaner in
der Fruchtbarkeit ihres Landes sucht, denn Ueberfluß und sorgenfreye Tage brin-
gen überall Fröhlichkeit und müntres Wesen hervor. *)

In der Nacht wurden aus den Booten, die an dem Anker-Wächter
(buoy) befestiget waren, einige Ruder, Bootshaken und kleine Anker gestohlen.
So bald man sie am Morgen vermißte, ließ der Capitain den Befehlshaber Orea
davon benachrichtigen. Dieser fand sich auch ungesäumt bey uns ein und holte den
Capitain in seinem Boote ab, um die Diebe aufzusuchen. Nachdem sie ohnge-
fähr eine Stunde weit gerudert waren, gieng er in dem südlichsten Theil der In-
sel ans Land und brachte das Gestohlne von dorther alles wieder zurück. Ich war un-
terdessen auch am Lande gewesen und hatte ohnweit der Bucht von zwo kleinen Mäd-

*) S. seine Reise um die Welt.
O 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
Nachdem er das, was ihm der Capitain davon zu ſagen wußte, eine Weile mit1774.
May.

angehoͤrt, fieng er an: Wir haͤtten allerdings viel geſehen, doch koͤnne er uns von
einer Inſel Nachricht geben, von der wir bey alle dem wohl noch nichts wiſſen moͤgten.
Sie liegt, ſagte er, nur wenige Tagereiſen von hier, wird aber von ungeheuern
Rieſen bewohnt, die ſo groß ſind als der hoͤchſte Maſt, und ſo dick im Leibe,
als das Obertheil eurer Schiffswinde. Es ſind ganz gute Leute, aber wenn man
ſie boͤſe macht, ſo iſt kein Auskommens mit ihnen. Sie ſind gleich im Stande,
einen Mann beym Leibe zu nehmen und ihn ſo weit in die See zu ſchleudern, als
ich mit einem Stein thun wuͤrde. Solltet ihr auf eurer Reiſe etwa noch dahin
kommen; ſo nehmt euch nur in Acht, daß ſie nicht in die See zu euch heranwa-
den, das Schiff auf die Schultern nehmen und es ſo ans Land tragen. Er
ſetzte noch andre laͤcherliche Umſtaͤnde hinzu, und, um ſeiner Erzaͤhlung deſto mehr
Glauben zu verſchaffen, ſo vergaß er nicht dieſer wunderbaren Inſel auch einen Na-
men zu geben. Er ſagte nemlich, ſie werde Mirro-Mirro genannt. Die Art,
mit welcher er dies Maͤhrchen vorbrachte, bewies offenbar, daß es eine Ironie auf
diejenigen Stellen unſrer Erzaͤhlungen ſeyn ſollte, die er entweder fuͤr erdichtet
halten mogte, oder wovon er ſich keinen Begriff machen konnte, und die ſchalkhaft
witzige Einkleidung [ – 2 Zeichen fehlen] welche er ſeiner Spoͤtterey zu geben wußte, war in der
That bewundernswerth. Herr von Bougainville hat wohl allerdings Recht,
wenn er die Urſach von den lebhaften Verſtandes-Faͤhigkeiten dieſer Inſulaner in
der Fruchtbarkeit ihres Landes ſucht, denn Ueberfluß und ſorgenfreye Tage brin-
gen uͤberall Froͤhlichkeit und muͤntres Weſen hervor. *)

In der Nacht wurden aus den Booten, die an dem Anker-Waͤchter
(buoy) befeſtiget waren, einige Ruder, Bootshaken und kleine Anker geſtohlen.
So bald man ſie am Morgen vermißte, ließ der Capitain den Befehlshaber Orea
davon benachrichtigen. Dieſer fand ſich auch ungeſaͤumt bey uns ein und holte den
Capitain in ſeinem Boote ab, um die Diebe aufzuſuchen. Nachdem ſie ohnge-
faͤhr eine Stunde weit gerudert waren, gieng er in dem ſuͤdlichſten Theil der In-
ſel ans Land und brachte das Geſtohlne von dorther alles wieder zuruͤck. Ich war un-
terdeſſen auch am Lande geweſen und hatte ohnweit der Bucht von zwo kleinen Maͤd-

*) S. ſeine Reiſe um die Welt.
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
Nachdem er das, was ihm der Capitain davon zu &#x017F;agen wußte, eine Weile mit<note place="right">1774.<lb/>
May.</note><lb/>
angeho&#x0364;rt, fieng er an: Wir ha&#x0364;tten allerdings viel ge&#x017F;ehen, doch ko&#x0364;nne er uns von<lb/>
einer In&#x017F;el Nachricht geben, von der wir bey alle dem wohl noch nichts wi&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;gten.<lb/>
Sie liegt, &#x017F;agte er, nur wenige Tagerei&#x017F;en von hier, wird aber von ungeheuern<lb/>
Rie&#x017F;en bewohnt, die &#x017F;o groß &#x017F;ind als der ho&#x0364;ch&#x017F;te Ma&#x017F;t, und &#x017F;o dick im Leibe,<lb/>
als das Obertheil eurer Schiffswinde. Es &#x017F;ind ganz gute Leute, aber wenn man<lb/>
&#x017F;ie bo&#x0364;&#x017F;e macht, &#x017F;o i&#x017F;t kein Auskommens mit ihnen. Sie &#x017F;ind gleich im Stande,<lb/>
einen Mann beym Leibe zu nehmen und ihn &#x017F;o weit in die See zu &#x017F;chleudern, als<lb/>
ich mit einem Stein thun wu&#x0364;rde. Solltet ihr auf eurer Rei&#x017F;e etwa noch dahin<lb/>
kommen; &#x017F;o nehmt euch nur in Acht, daß &#x017F;ie nicht in die See zu euch heranwa-<lb/>
den, das Schiff auf die Schultern nehmen und es &#x017F;o ans Land tragen. Er<lb/>
&#x017F;etzte noch andre la&#x0364;cherliche Um&#x017F;ta&#x0364;nde hinzu, und, um &#x017F;einer Erza&#x0364;hlung de&#x017F;to mehr<lb/>
Glauben zu ver&#x017F;chaffen, &#x017F;o vergaß er nicht die&#x017F;er wunderbaren In&#x017F;el auch einen Na-<lb/>
men zu geben. Er &#x017F;agte nemlich, &#x017F;ie werde <hi rendition="#fr"><placeName>Mirro-Mirro</placeName></hi> genannt. Die Art,<lb/>
mit welcher er dies Ma&#x0364;hrchen vorbrachte, bewies offenbar, daß es eine Ironie auf<lb/>
diejenigen Stellen un&#x017F;rer Erza&#x0364;hlungen &#x017F;eyn &#x017F;ollte, die er entweder fu&#x0364;r erdichtet<lb/>
halten mogte, oder wovon er &#x017F;ich keinen Begriff machen konnte, und die &#x017F;chalkhaft<lb/>
witzige Einkleidung <gap unit="chars" quantity="2"/> welche er <choice><sic>&#x017F;eiuer</sic><corr>&#x017F;einer</corr></choice> Spo&#x0364;tterey zu geben wußte, war in der<lb/>
That bewundernswerth. Herr <persName>von <hi rendition="#fr">Bougainville</hi></persName> hat wohl allerdings Recht,<lb/>
wenn er die Ur&#x017F;ach von den lebhaften Ver&#x017F;tandes-Fa&#x0364;higkeiten die&#x017F;er In&#x017F;ulaner in<lb/>
der Fruchtbarkeit ihres Landes &#x017F;ucht, denn Ueberfluß und &#x017F;orgenfreye Tage brin-<lb/>
gen u&#x0364;berall Fro&#x0364;hlichkeit und mu&#x0364;ntres We&#x017F;en hervor. <note place="foot" n="*)">S. &#x017F;eine Rei&#x017F;e um die Welt.</note></p><lb/>
        <p>In der Nacht wurden aus den Booten, die an dem Anker-Wa&#x0364;chter<lb/>
(<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">buoy</hi></hi>) befe&#x017F;tiget waren, einige Ruder, Bootshaken und kleine Anker ge&#x017F;tohlen.<lb/>
So bald man &#x017F;ie am Morgen vermißte, ließ der Capitain den Befehlshaber <hi rendition="#fr"><persName>Orea</persName></hi><lb/>
davon benachrichtigen. Die&#x017F;er fand &#x017F;ich auch unge&#x017F;a&#x0364;umt bey uns ein und holte den<lb/>
Capitain in &#x017F;einem Boote ab, um die Diebe aufzu&#x017F;uchen. Nachdem &#x017F;ie ohnge-<lb/>
fa&#x0364;hr eine Stunde weit gerudert waren, gieng er in dem &#x017F;u&#x0364;dlich&#x017F;ten Theil der In-<lb/>
&#x017F;el ans Land und brachte das Ge&#x017F;tohlne von dorther alles wieder zuru&#x0364;ck. Ich war un-<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en auch am Lande gewe&#x017F;en und hatte ohnweit der Bucht von zwo kleinen Ma&#x0364;d-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0121] in den Jahren 1772 bis 1775. Nachdem er das, was ihm der Capitain davon zu ſagen wußte, eine Weile mit angehoͤrt, fieng er an: Wir haͤtten allerdings viel geſehen, doch koͤnne er uns von einer Inſel Nachricht geben, von der wir bey alle dem wohl noch nichts wiſſen moͤgten. Sie liegt, ſagte er, nur wenige Tagereiſen von hier, wird aber von ungeheuern Rieſen bewohnt, die ſo groß ſind als der hoͤchſte Maſt, und ſo dick im Leibe, als das Obertheil eurer Schiffswinde. Es ſind ganz gute Leute, aber wenn man ſie boͤſe macht, ſo iſt kein Auskommens mit ihnen. Sie ſind gleich im Stande, einen Mann beym Leibe zu nehmen und ihn ſo weit in die See zu ſchleudern, als ich mit einem Stein thun wuͤrde. Solltet ihr auf eurer Reiſe etwa noch dahin kommen; ſo nehmt euch nur in Acht, daß ſie nicht in die See zu euch heranwa- den, das Schiff auf die Schultern nehmen und es ſo ans Land tragen. Er ſetzte noch andre laͤcherliche Umſtaͤnde hinzu, und, um ſeiner Erzaͤhlung deſto mehr Glauben zu verſchaffen, ſo vergaß er nicht dieſer wunderbaren Inſel auch einen Na- men zu geben. Er ſagte nemlich, ſie werde Mirro-Mirro genannt. Die Art, mit welcher er dies Maͤhrchen vorbrachte, bewies offenbar, daß es eine Ironie auf diejenigen Stellen unſrer Erzaͤhlungen ſeyn ſollte, die er entweder fuͤr erdichtet halten mogte, oder wovon er ſich keinen Begriff machen konnte, und die ſchalkhaft witzige Einkleidung __ welche er ſeiner Spoͤtterey zu geben wußte, war in der That bewundernswerth. Herr von Bougainville hat wohl allerdings Recht, wenn er die Urſach von den lebhaften Verſtandes-Faͤhigkeiten dieſer Inſulaner in der Fruchtbarkeit ihres Landes ſucht, denn Ueberfluß und ſorgenfreye Tage brin- gen uͤberall Froͤhlichkeit und muͤntres Weſen hervor. *) 1774. May. In der Nacht wurden aus den Booten, die an dem Anker-Waͤchter (buoy) befeſtiget waren, einige Ruder, Bootshaken und kleine Anker geſtohlen. So bald man ſie am Morgen vermißte, ließ der Capitain den Befehlshaber Orea davon benachrichtigen. Dieſer fand ſich auch ungeſaͤumt bey uns ein und holte den Capitain in ſeinem Boote ab, um die Diebe aufzuſuchen. Nachdem ſie ohnge- faͤhr eine Stunde weit gerudert waren, gieng er in dem ſuͤdlichſten Theil der In- ſel ans Land und brachte das Geſtohlne von dorther alles wieder zuruͤck. Ich war un- terdeſſen auch am Lande geweſen und hatte ohnweit der Bucht von zwo kleinen Maͤd- *) S. ſeine Reiſe um die Welt. O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/121
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/121>, abgerufen am 12.05.2024.