Es würde unnütz und langweilig seyn, wenn ich noch ferner der Länge nach erzählen wollte, welchergestalt widrige Stürme und günstige Winde noch immer mit einander abwechselten. Genug wir wurden neun elende lange Nächte in der See herumgeworfen, ohne daß Schlaf in unsre Augen kam, und wir gaben bey- nahe alle Hoffnung auf, an dieser Küste je wieder vor Anker zu gelangen. Endlich erreichten wir, am 1sten November, Cooks-Straße. Das Wetter blieb zwar noch immer unbeständig und ward uns von neuem zuwider, als wir bald an das auf der nordlichen Insel gelegene Cap Tera Witti heran waren, doch glückte es uns, am 2ten, in eine Bay einzulaufen, die wir hart unter diesem Vorgebirge, gegen Westen hin, entdeckten. Die Küste bestand daselbst aus lauter fürchterlichen, schwarzen, unfruchtbaren Bergen, die sehr hoch, fast ganz ohne Holz und Buschwerk waren, und in langen, spitzigen, säulenförmigen Felsen in die See hinaus ragten. Die Bay selbst schien tief zwischen den Bergen hinein zu gehen, und ließ uns, ihrer Richtung nach, vermuthen, daß das Land, worauf Cap Tera-Witti liegt, vielleicht eine von Eaheino- Mauwe getrennte Insel sey. So kahl und öde indessen auch diese Ge- gend aussahe, so war sie doch bewohnt, denn wir lagen noch keine halbe Stunde vor Anker, als schon verschiedene Canots bey uns anlangten. Die Leute giengen sehr dürftig in alte lumpichte Mäntel oder sogenannte Boghi- Boghi's gekleidet. Der Rauch, dem sie in ihren niedrigen kleinen Hüt- ten beständig ausgesetzt sind, und der Schmutz, der sich vermuthlich von ih- rer Jugend an, ungestört auf der Haut angehäuft hatte, machte, daß sie über und über häßlich gelbbraun aussahen, und daß man von ihrer wahren Farbe nicht urtheilen konnte. Den Winter hindurch, der eben zu Ende gieng, mochten sie sich vielleicht oft mit halb verfaulten Fischen haben behel- fen müssen; diese ekelhafte Nahrung aber und das ranzige Oel, womit sie sich das Haar einschmieren, hatte ihren Ausdünstungen einen so unerträglichen Gestank mitgetheilt, daß man sie schon von weitem wittern konnte. Sie brachten einige Fisch-Angeln und gedörrte Krebsschwänze zu Kauf, und nah- men dagegen unsre Eisenwaaren imgleichen Tahitisches Tuch sehr gierig an. Ca- pitain Cook schenkte ihnen ein Paar Hühner, mit dem Bedeuten, daß sie solche zur Bruth beybehalten möchten, allein es ist wohl schwerlich zu vermu-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Novem- ber.
Es wuͤrde unnuͤtz und langweilig ſeyn, wenn ich noch ferner der Laͤnge nach erzaͤhlen wollte, welchergeſtalt widrige Stuͤrme und guͤnſtige Winde noch immer mit einander abwechſelten. Genug wir wurden neun elende lange Naͤchte in der See herumgeworfen, ohne daß Schlaf in unſre Augen kam, und wir gaben bey- nahe alle Hoffnung auf, an dieſer Kuͤſte je wieder vor Anker zu gelangen. Endlich erreichten wir, am 1ſten November, Cooks-Straße. Das Wetter blieb zwar noch immer unbeſtaͤndig und ward uns von neuem zuwider, als wir bald an das auf der nordlichen Inſel gelegene Cap Tera Witti heran waren, doch gluͤckte es uns, am 2ten, in eine Bay einzulaufen, die wir hart unter dieſem Vorgebirge, gegen Weſten hin, entdeckten. Die Kuͤſte beſtand daſelbſt aus lauter fuͤrchterlichen, ſchwarzen, unfruchtbaren Bergen, die ſehr hoch, faſt ganz ohne Holz und Buſchwerk waren, und in langen, ſpitzigen, ſaͤulenfoͤrmigen Felſen in die See hinaus ragten. Die Bay ſelbſt ſchien tief zwiſchen den Bergen hinein zu gehen, und ließ uns, ihrer Richtung nach, vermuthen, daß das Land, worauf Cap Tera-Witti liegt, vielleicht eine von Eaheino- Mauwe getrennte Inſel ſey. So kahl und oͤde indeſſen auch dieſe Ge- gend ausſahe, ſo war ſie doch bewohnt, denn wir lagen noch keine halbe Stunde vor Anker, als ſchon verſchiedene Canots bey uns anlangten. Die Leute giengen ſehr duͤrftig in alte lumpichte Maͤntel oder ſogenannte Boghi- Boghi’s gekleidet. Der Rauch, dem ſie in ihren niedrigen kleinen Huͤt- ten beſtaͤndig ausgeſetzt ſind, und der Schmutz, der ſich vermuthlich von ih- rer Jugend an, ungeſtoͤrt auf der Haut angehaͤuft hatte, machte, daß ſie uͤber und uͤber haͤßlich gelbbraun ausſahen, und daß man von ihrer wahren Farbe nicht urtheilen konnte. Den Winter hindurch, der eben zu Ende gieng, mochten ſie ſich vielleicht oft mit halb verfaulten Fiſchen haben behel- fen muͤſſen; dieſe ekelhafte Nahrung aber und das ranzige Oel, womit ſie ſich das Haar einſchmieren, hatte ihren Ausduͤnſtungen einen ſo unertraͤglichen Geſtank mitgetheilt, daß man ſie ſchon von weitem wittern konnte. Sie brachten einige Fiſch-Angeln und gedoͤrrte Krebsſchwaͤnze zu Kauf, und nah- men dagegen unſre Eiſenwaaren imgleichen Tahitiſches Tuch ſehr gierig an. Ca- pitain Cook ſchenkte ihnen ein Paar Huͤhner, mit dem Bedeuten, daß ſie ſolche zur Bruth beybehalten moͤchten, allein es iſt wohl ſchwerlich zu vermu-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Es wuͤrde unnuͤtz und langweilig ſeyn, wenn ich noch ferner der Laͤnge nach
erzaͤhlen wollte, welchergeſtalt widrige Stuͤrme und guͤnſtige Winde noch immer
mit einander abwechſelten. Genug wir wurden neun elende lange Naͤchte in der
See herumgeworfen, ohne daß Schlaf in unſre Augen kam, und wir gaben bey-
nahe alle Hoffnung auf, an dieſer Kuͤſte je wieder vor Anker zu gelangen. Endlich
erreichten wir, am 1ſten November, Cooks-Straße. Das Wetter blieb
zwar noch immer unbeſtaͤndig und ward uns von neuem zuwider, als wir
bald an das auf der nordlichen Inſel gelegene Cap Tera Witti heran waren,
doch gluͤckte es uns, am 2ten, in eine Bay einzulaufen, die wir hart unter
dieſem Vorgebirge, gegen Weſten hin, entdeckten. Die Kuͤſte beſtand daſelbſt
aus lauter fuͤrchterlichen, ſchwarzen, unfruchtbaren Bergen, die ſehr hoch, faſt
ganz ohne Holz und Buſchwerk waren, und in langen, ſpitzigen, ſaͤulenfoͤrmigen
Felſen in die See hinaus ragten. Die Bay ſelbſt ſchien tief zwiſchen den
Bergen hinein zu gehen, und ließ uns, ihrer Richtung nach, vermuthen, daß
das Land, worauf Cap Tera-Witti liegt, vielleicht eine von Eaheino-
Mauwe getrennte Inſel ſey. So kahl und oͤde indeſſen auch dieſe Ge-
gend ausſahe, ſo war ſie doch bewohnt, denn wir lagen noch keine halbe
Stunde vor Anker, als ſchon verſchiedene Canots bey uns anlangten. Die
Leute giengen ſehr duͤrftig in alte lumpichte Maͤntel oder ſogenannte Boghi-
Boghi’s gekleidet. Der Rauch, dem ſie in ihren niedrigen kleinen Huͤt-
ten beſtaͤndig ausgeſetzt ſind, und der Schmutz, der ſich vermuthlich von ih-
rer Jugend an, ungeſtoͤrt auf der Haut angehaͤuft hatte, machte, daß ſie
uͤber und uͤber haͤßlich gelbbraun ausſahen, und daß man von ihrer wahren
Farbe nicht urtheilen konnte. Den Winter hindurch, der eben zu Ende
gieng, mochten ſie ſich vielleicht oft mit halb verfaulten Fiſchen haben behel-
fen muͤſſen; dieſe ekelhafte Nahrung aber und das ranzige Oel, womit ſie ſich
das Haar einſchmieren, hatte ihren Ausduͤnſtungen einen ſo unertraͤglichen
Geſtank mitgetheilt, daß man ſie ſchon von weitem wittern konnte. Sie
brachten einige Fiſch-Angeln und gedoͤrrte Krebsſchwaͤnze zu Kauf, und nah-
men dagegen unſre Eiſenwaaren imgleichen Tahitiſches Tuch ſehr gierig an. Ca-
pitain Cook ſchenkte ihnen ein Paar Huͤhner, mit dem Bedeuten, daß ſie
ſolche zur Bruth beybehalten moͤchten, allein es iſt wohl ſchwerlich zu vermu-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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