Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
then, daß diese elenden Wilden auf die zahme Viehzucht bedacht seyn wer-1773.
Novem-
ber.

den. Ihre Gedankenlosigkeit läßt vielmehr befürchten, daß, so bald es ih-
nen einmal an Lebensmitteln fehlen sollte, unsre armen Hühner wohl ohne
Bedenken werden herhalten müssen. In irgend einer von den nördlichsten
Bayen würde das zahme Vieh vielleicht noch ehe in Acht genommen werden,
denn dort sind die Einwohner gesitteter, wenigstens schon an die Landwirth-
schaft gewöhnt, indem sie verschiedene esbare Wurzeln bauen. *)

Um drey Uhr Nachmittags ward es völlig windstill, kurz nachher aber
erhob sich in der Straße ein südlicher Wind, der nicht so bald das Wasser
unruhig zu machen anfieng, als wir die Anker wiederum lichteten und die Bay
verließen; auch war es ein Glück, daß wir nicht länger damit gewartet hat-
ten, denn in wenig Minuten ward es so stürmisch, daß das Schiff unglaub-
lich schnell forttrieb; doch kamen wir bey den gefährlichen Klippen, die Brü-
der
genannt, an denen sich die Wellen fürchterlich brachen, ohne Schaden
vorüber, und gelangten endlich bey einbrechender Nacht, unter dem Cap
Koa-Maruh
, in Charlotten-Sund vor Anker.

Am folgenden Tage um Mittag trafen wir glücklich wieder in Schip-
Cove
ein, von da wir ohngefähr fünf Monath zuvor ausgeseegelt waren.
Der frühen Jahreszeit wegen ließ sich zwar nicht erwarten, daß wir jetzt so viel
gesunde frische Kräuter finden würden als das erstemal, dagegen aber machten
wir uns große Hoffnung hier wieder mit der Adventure zusammen zu stos-
sen, weshalb auch Capitain Cook einige Zeit allhier zu bleiben gedachte.

Kaum hatten wir geankert, so besuchten uns verschiedene Indianer,
die vom Fischen zurück kamen, und was sie gefangen hatten zum Verkauf
ausboten. Es waren einige von unsern ehemaligen Bekannten unter ihnen,
die sehr erfreut zu seyn schienen, daß wir sie bey Namen zu nennen wuß-
ten; vermuthlich glaubten sie, daß wir sehr viel Antheil an ihrer Wohlfahrt
nehmen müßten, weil wir uns ihrer so genau erinnerten. Das Wetter war
schön und in Betracht der Jahrszeit warm zu nennen; die Neu-Seeländer
erschienen aber doch noch in ihren Winterkleidern. Wir erkundigten uns
nach dem Befinden unsrer übrigen Bekannten von ihrer Nation, und erhiel-

*) S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band. pag. 309.
A a a 2

in den Jahren 1772 bis 1775.
then, daß dieſe elenden Wilden auf die zahme Viehzucht bedacht ſeyn wer-1773.
Novem-
ber.

den. Ihre Gedankenloſigkeit laͤßt vielmehr befuͤrchten, daß, ſo bald es ih-
nen einmal an Lebensmitteln fehlen ſollte, unſre armen Huͤhner wohl ohne
Bedenken werden herhalten muͤſſen. In irgend einer von den noͤrdlichſten
Bayen wuͤrde das zahme Vieh vielleicht noch ehe in Acht genommen werden,
denn dort ſind die Einwohner geſitteter, wenigſtens ſchon an die Landwirth-
ſchaft gewoͤhnt, indem ſie verſchiedene esbare Wurzeln bauen. *)

Um drey Uhr Nachmittags ward es voͤllig windſtill, kurz nachher aber
erhob ſich in der Straße ein ſuͤdlicher Wind, der nicht ſo bald das Waſſer
unruhig zu machen anfieng, als wir die Anker wiederum lichteten und die Bay
verließen; auch war es ein Gluͤck, daß wir nicht laͤnger damit gewartet hat-
ten, denn in wenig Minuten ward es ſo ſtuͤrmiſch, daß das Schiff unglaub-
lich ſchnell forttrieb; doch kamen wir bey den gefaͤhrlichen Klippen, die Bruͤ-
der
genannt, an denen ſich die Wellen fuͤrchterlich brachen, ohne Schaden
voruͤber, und gelangten endlich bey einbrechender Nacht, unter dem Cap
Koa-Maruh
, in Charlotten-Sund vor Anker.

Am folgenden Tage um Mittag trafen wir gluͤcklich wieder in Schip-
Cove
ein, von da wir ohngefaͤhr fuͤnf Monath zuvor ausgeſeegelt waren.
Der fruͤhen Jahreszeit wegen ließ ſich zwar nicht erwarten, daß wir jetzt ſo viel
geſunde friſche Kraͤuter finden wuͤrden als das erſtemal, dagegen aber machten
wir uns große Hoffnung hier wieder mit der Adventure zuſammen zu ſtoſ-
ſen, weshalb auch Capitain Cook einige Zeit allhier zu bleiben gedachte.

Kaum hatten wir geankert, ſo beſuchten uns verſchiedene Indianer,
die vom Fiſchen zuruͤck kamen, und was ſie gefangen hatten zum Verkauf
ausboten. Es waren einige von unſern ehemaligen Bekannten unter ihnen,
die ſehr erfreut zu ſeyn ſchienen, daß wir ſie bey Namen zu nennen wuß-
ten; vermuthlich glaubten ſie, daß wir ſehr viel Antheil an ihrer Wohlfahrt
nehmen muͤßten, weil wir uns ihrer ſo genau erinnerten. Das Wetter war
ſchoͤn und in Betracht der Jahrszeit warm zu nennen; die Neu-Seelaͤnder
erſchienen aber doch noch in ihren Winterkleidern. Wir erkundigten uns
nach dem Befinden unſrer uͤbrigen Bekannten von ihrer Nation, und erhiel-

*) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen in 4. zweyter Band. pag. 309.
A a a 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0430" n="371"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
then, daß die&#x017F;e elenden Wilden auf die zahme Viehzucht bedacht &#x017F;eyn wer-<note place="right">1773.<lb/>
Novem-<lb/>
ber.</note><lb/>
den. Ihre Gedankenlo&#x017F;igkeit la&#x0364;ßt vielmehr befu&#x0364;rchten, daß, &#x017F;o bald es ih-<lb/>
nen einmal an Lebensmitteln fehlen &#x017F;ollte, un&#x017F;re armen Hu&#x0364;hner wohl ohne<lb/>
Bedenken werden herhalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. In irgend einer von den no&#x0364;rdlich&#x017F;ten<lb/>
Bayen wu&#x0364;rde das zahme Vieh vielleicht noch ehe in Acht genommen werden,<lb/>
denn dort &#x017F;ind die Einwohner ge&#x017F;itteter, wenig&#x017F;tens &#x017F;chon an die Landwirth-<lb/>
&#x017F;chaft gewo&#x0364;hnt, indem &#x017F;ie ver&#x017F;chiedene esbare Wurzeln bauen. <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#fr"><persName>Hawkesworths</persName></hi> Ge&#x017F;chichte der engl. See-Rei&#x017F;en in 4. <hi rendition="#fr">zweyter Band.</hi> <hi rendition="#aq">pag.</hi> 309.</note></p><lb/>
        <p>Um drey Uhr Nachmittags ward es vo&#x0364;llig wind&#x017F;till, kurz nachher aber<lb/>
erhob &#x017F;ich in der Straße ein &#x017F;u&#x0364;dlicher Wind, der nicht &#x017F;o bald das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
unruhig zu machen anfieng, als wir die Anker wiederum lichteten und die Bay<lb/>
verließen; auch war es ein Glu&#x0364;ck, daß wir nicht la&#x0364;nger damit gewartet hat-<lb/>
ten, denn in wenig Minuten ward es &#x017F;o &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch, daß das Schiff unglaub-<lb/>
lich &#x017F;chnell forttrieb; doch kamen wir bey den gefa&#x0364;hrlichen Klippen, <hi rendition="#fr">die Bru&#x0364;-<lb/>
der</hi> genannt, an denen &#x017F;ich<choice><sic/><corr> </corr></choice>die Wellen fu&#x0364;rchterlich brachen, ohne Schaden<lb/>
voru&#x0364;ber, und gelangten endlich bey einbrechender Nacht, unter dem <placeName>Cap<lb/><hi rendition="#fr">Koa-Maruh</hi></placeName>, in <hi rendition="#fr"><placeName>Charlotten-Sund</placeName></hi> vor Anker.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Tage um Mittag trafen wir glu&#x0364;cklich wieder in <hi rendition="#fr"><placeName>Schip-<lb/>
Cove</placeName></hi> ein, von da wir ohngefa&#x0364;hr fu&#x0364;nf Monath zuvor ausge&#x017F;eegelt waren.<lb/>
Der fru&#x0364;hen Jahreszeit wegen ließ &#x017F;ich zwar nicht erwarten, daß wir jetzt &#x017F;o viel<lb/>
ge&#x017F;unde fri&#x017F;che Kra&#x0364;uter finden wu&#x0364;rden als das er&#x017F;temal, dagegen aber machten<lb/>
wir uns große Hoffnung hier wieder mit der <hi rendition="#fr">Adventure</hi> zu&#x017F;ammen zu &#x017F;to&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, weshalb auch Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> einige Zeit allhier zu bleiben gedachte.</p><lb/>
        <p>Kaum hatten wir geankert, &#x017F;o be&#x017F;uchten uns ver&#x017F;chiedene Indianer,<lb/>
die vom Fi&#x017F;chen zuru&#x0364;ck kamen, und was &#x017F;ie gefangen hatten zum Verkauf<lb/>
ausboten. Es waren einige von un&#x017F;ern ehemaligen Bekannten unter ihnen,<lb/>
die &#x017F;ehr erfreut zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen, daß wir &#x017F;ie bey Namen zu nennen wuß-<lb/>
ten; vermuthlich glaubten &#x017F;ie, daß wir &#x017F;ehr viel Antheil an ihrer Wohlfahrt<lb/>
nehmen mu&#x0364;ßten, weil wir uns ihrer &#x017F;o genau erinnerten. Das Wetter war<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n und in Betracht der Jahrszeit warm zu nennen; die Neu-Seela&#x0364;nder<lb/>
er&#x017F;chienen aber doch noch in ihren Winterkleidern. Wir erkundigten uns<lb/>
nach dem Befinden un&#x017F;rer u&#x0364;brigen Bekannten von ihrer Nation, und erhiel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a a 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0430] in den Jahren 1772 bis 1775. then, daß dieſe elenden Wilden auf die zahme Viehzucht bedacht ſeyn wer- den. Ihre Gedankenloſigkeit laͤßt vielmehr befuͤrchten, daß, ſo bald es ih- nen einmal an Lebensmitteln fehlen ſollte, unſre armen Huͤhner wohl ohne Bedenken werden herhalten muͤſſen. In irgend einer von den noͤrdlichſten Bayen wuͤrde das zahme Vieh vielleicht noch ehe in Acht genommen werden, denn dort ſind die Einwohner geſitteter, wenigſtens ſchon an die Landwirth- ſchaft gewoͤhnt, indem ſie verſchiedene esbare Wurzeln bauen. *) 1773. Novem- ber. Um drey Uhr Nachmittags ward es voͤllig windſtill, kurz nachher aber erhob ſich in der Straße ein ſuͤdlicher Wind, der nicht ſo bald das Waſſer unruhig zu machen anfieng, als wir die Anker wiederum lichteten und die Bay verließen; auch war es ein Gluͤck, daß wir nicht laͤnger damit gewartet hat- ten, denn in wenig Minuten ward es ſo ſtuͤrmiſch, daß das Schiff unglaub- lich ſchnell forttrieb; doch kamen wir bey den gefaͤhrlichen Klippen, die Bruͤ- der genannt, an denen ſich die Wellen fuͤrchterlich brachen, ohne Schaden voruͤber, und gelangten endlich bey einbrechender Nacht, unter dem Cap Koa-Maruh, in Charlotten-Sund vor Anker. Am folgenden Tage um Mittag trafen wir gluͤcklich wieder in Schip- Cove ein, von da wir ohngefaͤhr fuͤnf Monath zuvor ausgeſeegelt waren. Der fruͤhen Jahreszeit wegen ließ ſich zwar nicht erwarten, daß wir jetzt ſo viel geſunde friſche Kraͤuter finden wuͤrden als das erſtemal, dagegen aber machten wir uns große Hoffnung hier wieder mit der Adventure zuſammen zu ſtoſ- ſen, weshalb auch Capitain Cook einige Zeit allhier zu bleiben gedachte. Kaum hatten wir geankert, ſo beſuchten uns verſchiedene Indianer, die vom Fiſchen zuruͤck kamen, und was ſie gefangen hatten zum Verkauf ausboten. Es waren einige von unſern ehemaligen Bekannten unter ihnen, die ſehr erfreut zu ſeyn ſchienen, daß wir ſie bey Namen zu nennen wuß- ten; vermuthlich glaubten ſie, daß wir ſehr viel Antheil an ihrer Wohlfahrt nehmen muͤßten, weil wir uns ihrer ſo genau erinnerten. Das Wetter war ſchoͤn und in Betracht der Jahrszeit warm zu nennen; die Neu-Seelaͤnder erſchienen aber doch noch in ihren Winterkleidern. Wir erkundigten uns nach dem Befinden unſrer uͤbrigen Bekannten von ihrer Nation, und erhiel- *) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen in 4. zweyter Band. pag. 309. A a a 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/430
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/430>, abgerufen am 02.06.2024.