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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
October.
um uns her lag. Als das Schiff einmal außerordentlich stark rollte, riß auch
der Gewehrkasten der auf dem Verdeck des Hintertheils befestigt war, los,
und stürzte gegen das Seiten-Gelender, an welchem sich einer unserer jungen
Reisegefährten, Herr Hood, so eben hingestellt hatte. Kaum blieb ihm so
viel Zeit übrig, sich niederzubücken; doch würde auch das ihn nicht gerettet ha-
ben, wenn der Kasten nicht schräg gegen das Gelender gefallen und unter-
halb ein hohler Zwischenraum geblieben wäre, in welchem Herr Hood glückli-
cherweise unbeschädigt blieb. So wild es aber auch mit den Elementen
durcheinander gieng, so waren die Vögel doch nicht ganz weggescheucht. Noch
immer schwebte über der brausenden aufgewühlten Fläche der See hie und
da ein schwarzer Sturmvogel hin, und wußte sich hinter den hohen Wellen,
sehr künstlich gegen den Sturm zu schirmen. Der Anblick des Oceans
war prächtig und fürchterlich zugleich. Bald übersahen wir von der Spitze
einer breiten schweren Welle, die unermeßliche Fläche des Meeres, in un-
zählbare tiefe Furchen aufgerissen; bald zog uns eine brechende Welle mit
sich in ein schroffes fürchterliches Thal herab, indeß der Wind von jener Seite
schon einen neuen Wasserberg mit schäumender Spitze herbey führte und
das Schiff damit zu bedecken drohte. Die Annäherung der Nacht vermehrte
diese Schrecken, vornemlich bey denenjenigen, die nicht von Jugend auf an
das See-Leben gewohnt waren. In des Capitains Cajütte wurden
die Fenster ausgenommen, und statt derselben Bretter-Schieber eingesetzt, da-
mit die Wellen nicht hineindringen möchten. Diese Veränderung brachte einen
Scorpion, der sich zwischen dem Holzwerk eines Fensters verborgen gehalten
hatte, aus seinem Lager hervor. Vermuthlich war er, auf einer von den letztern
Inseln, unter einem Bündel Früchte oder Wurzelwerk mit an Bord gekom-
men. Maheine versicherte uns zwar, es sey ein ganz unschädliches Thier,
allein der bloße Anblick desselben war fürchterlich genug uns bange zu machen.
In den andern Cajütten waren die Betten durchaus naß; doch, wenn auch das
nicht gewesen wäre, so benahm uns das fürchterliche Brausen der Wellen, das
Knacken des Holzwerks, nebst dem gewaltigen Schwanken des Schiffs ohnehin
alle Hoffnung ein Auge zuzuthun. Und um das Maaß der Schrecken voll zu ma-
chen, mußten wir noch das entsetzliche Fluchen und Schwören unsrer Ma-

trosen

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
October.
um uns her lag. Als das Schiff einmal außerordentlich ſtark rollte, riß auch
der Gewehrkaſten der auf dem Verdeck des Hintertheils befeſtigt war, los,
und ſtuͤrzte gegen das Seiten-Gelender, an welchem ſich einer unſerer jungen
Reiſegefaͤhrten, Herr Hood, ſo eben hingeſtellt hatte. Kaum blieb ihm ſo
viel Zeit uͤbrig, ſich niederzubuͤcken; doch wuͤrde auch das ihn nicht gerettet ha-
ben, wenn der Kaſten nicht ſchraͤg gegen das Gelender gefallen und unter-
halb ein hohler Zwiſchenraum geblieben waͤre, in welchem Herr Hood gluͤckli-
cherweiſe unbeſchaͤdigt blieb. So wild es aber auch mit den Elementen
durcheinander gieng, ſo waren die Voͤgel doch nicht ganz weggeſcheucht. Noch
immer ſchwebte uͤber der brauſenden aufgewuͤhlten Flaͤche der See hie und
da ein ſchwarzer Sturmvogel hin, und wußte ſich hinter den hohen Wellen,
ſehr kuͤnſtlich gegen den Sturm zu ſchirmen. Der Anblick des Oceans
war praͤchtig und fuͤrchterlich zugleich. Bald uͤberſahen wir von der Spitze
einer breiten ſchweren Welle, die unermeßliche Flaͤche des Meeres, in un-
zaͤhlbare tiefe Furchen aufgeriſſen; bald zog uns eine brechende Welle mit
ſich in ein ſchroffes fuͤrchterliches Thal herab, indeß der Wind von jener Seite
ſchon einen neuen Waſſerberg mit ſchaͤumender Spitze herbey fuͤhrte und
das Schiff damit zu bedecken drohte. Die Annaͤherung der Nacht vermehrte
dieſe Schrecken, vornemlich bey denenjenigen, die nicht von Jugend auf an
das See-Leben gewohnt waren. In des Capitains Cajuͤtte wurden
die Fenſter ausgenommen, und ſtatt derſelben Bretter-Schieber eingeſetzt, da-
mit die Wellen nicht hineindringen moͤchten. Dieſe Veraͤnderung brachte einen
Scorpion, der ſich zwiſchen dem Holzwerk eines Fenſters verborgen gehalten
hatte, aus ſeinem Lager hervor. Vermuthlich war er, auf einer von den letztern
Inſeln, unter einem Buͤndel Fruͤchte oder Wurzelwerk mit an Bord gekom-
men. Maheine verſicherte uns zwar, es ſey ein ganz unſchaͤdliches Thier,
allein der bloße Anblick deſſelben war fuͤrchterlich genug uns bange zu machen.
In den andern Cajuͤtten waren die Betten durchaus naß; doch, wenn auch das
nicht geweſen waͤre, ſo benahm uns das fuͤrchterliche Brauſen der Wellen, das
Knacken des Holzwerks, nebſt dem gewaltigen Schwanken des Schiffs ohnehin
alle Hoffnung ein Auge zuzuthun. Und um das Maaß der Schrecken voll zu ma-
chen, mußten wir noch das entſetzliche Fluchen und Schwoͤren unſrer Ma-

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[368/0427] Forſter’s Reiſe um die Welt um uns her lag. Als das Schiff einmal außerordentlich ſtark rollte, riß auch der Gewehrkaſten der auf dem Verdeck des Hintertheils befeſtigt war, los, und ſtuͤrzte gegen das Seiten-Gelender, an welchem ſich einer unſerer jungen Reiſegefaͤhrten, Herr Hood, ſo eben hingeſtellt hatte. Kaum blieb ihm ſo viel Zeit uͤbrig, ſich niederzubuͤcken; doch wuͤrde auch das ihn nicht gerettet ha- ben, wenn der Kaſten nicht ſchraͤg gegen das Gelender gefallen und unter- halb ein hohler Zwiſchenraum geblieben waͤre, in welchem Herr Hood gluͤckli- cherweiſe unbeſchaͤdigt blieb. So wild es aber auch mit den Elementen durcheinander gieng, ſo waren die Voͤgel doch nicht ganz weggeſcheucht. Noch immer ſchwebte uͤber der brauſenden aufgewuͤhlten Flaͤche der See hie und da ein ſchwarzer Sturmvogel hin, und wußte ſich hinter den hohen Wellen, ſehr kuͤnſtlich gegen den Sturm zu ſchirmen. Der Anblick des Oceans war praͤchtig und fuͤrchterlich zugleich. Bald uͤberſahen wir von der Spitze einer breiten ſchweren Welle, die unermeßliche Flaͤche des Meeres, in un- zaͤhlbare tiefe Furchen aufgeriſſen; bald zog uns eine brechende Welle mit ſich in ein ſchroffes fuͤrchterliches Thal herab, indeß der Wind von jener Seite ſchon einen neuen Waſſerberg mit ſchaͤumender Spitze herbey fuͤhrte und das Schiff damit zu bedecken drohte. Die Annaͤherung der Nacht vermehrte dieſe Schrecken, vornemlich bey denenjenigen, die nicht von Jugend auf an das See-Leben gewohnt waren. In des Capitains Cajuͤtte wurden die Fenſter ausgenommen, und ſtatt derſelben Bretter-Schieber eingeſetzt, da- mit die Wellen nicht hineindringen moͤchten. Dieſe Veraͤnderung brachte einen Scorpion, der ſich zwiſchen dem Holzwerk eines Fenſters verborgen gehalten hatte, aus ſeinem Lager hervor. Vermuthlich war er, auf einer von den letztern Inſeln, unter einem Buͤndel Fruͤchte oder Wurzelwerk mit an Bord gekom- men. Maheine verſicherte uns zwar, es ſey ein ganz unſchaͤdliches Thier, allein der bloße Anblick deſſelben war fuͤrchterlich genug uns bange zu machen. In den andern Cajuͤtten waren die Betten durchaus naß; doch, wenn auch das nicht geweſen waͤre, ſo benahm uns das fuͤrchterliche Brauſen der Wellen, das Knacken des Holzwerks, nebſt dem gewaltigen Schwanken des Schiffs ohnehin alle Hoffnung ein Auge zuzuthun. Und um das Maaß der Schrecken voll zu ma- chen, mußten wir noch das entſetzliche Fluchen und Schwoͤren unſrer Ma- troſen 1773. October.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/427>, abgerufen am 26.06.2024.