Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.October.folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entspringen, ziem- lich gesichert. Ganz anders muß es dagegen bey einem Volk aussehen, dem es an diesem Vortheil fehlt, und das sich, gleich den Bewohnern von Tongata- bu, entweder mit faulem stinkenden Regenwasser aus etlichen wenigen schlam- migen Pfützen, oder gar mit salzigem Wasser behelfen muß. Um sich nur einigermaßen reinlich zu erhalten, und dadurch gewissen Krankheiten vorzu- beugen, sind sie genöthigt ihre Zuflucht zu andern Hülfsmitteln zu nehmen: Sie stutzen sich also die Haare, zwicken sich den Bart, etc. und werden folglich, schon dadurch, den Tahitiern im Aeußern unähnlicher, als sie ohne das nicht seyn wür- den. Gleichwohl sind in Ermangelung genugsamen und guten Wassers, alle diese künstlichen Hülfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, sie vor dem Aus- satz zu sichern, der vielleicht, durch den Gebrauch des Pfefferwassers, noch nebenher begünstigt wird. Zur Verhütung oder Heilung desselben schien jenes Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecke auf den Backen- knochen zuschrieben, die so allgemein unter ihnen sind, daß fast kein einziger ohne dergleichen Merkmahl war. Auf den Societäts-Inseln ist das Erdreich in den Ebenen und Thälern so fett und reich und bekömmt durch die vielen Bäche so viel Zufluß an gehöriger Feuchtigkeit, daß die mehresten Gewächse fast ohne alle Cultur gedeihen. Diese ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und un- terhält dann auch die Ueppigkeit und Schwelgerey unter den dortigen Vorneh- men. Davon aber findet man auf Tongatabu keine Spur. Auf dieser Insel ist der Coral-Felsen blos mit einer dünnen Schicht von Erde bedeckt, in welcher die Bäume nur kümmerliche Nahrung finden und der nützlichste von allen, der Brodtfrucht-Baum, kommt fast gar nicht fort, weil er keine andere Wässerung als Regen findet. Auf solche Art erfordert die Bearbeitung des Landes hier weit mehr Mühe als auf Tahiti. Daher kommts, daß die Leute mehr Fleis auf ihre Pflanzungen wenden, denenselben eine regelmäs- sige Form geben, und daß jeder das seinige genau einzäunt. Aus eben dieser Ursach läßt sich aber auch begreifen, warum sie auf die Lebensmittel immer einen höhern Werth legten, als auf ihre Geräthe, Kleider, Schmuck und Waffen (ob ihnen diese gleich in manchen Fällen unsägliche Arbeit müssen gekostet ha- ben): Sie sehen nemlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr größter Reichthum Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.October.folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entſpringen, ziem- lich geſichert. Ganz anders muß es dagegen bey einem Volk ausſehen, dem es an dieſem Vortheil fehlt, und das ſich, gleich den Bewohnern von Tongata- bu, entweder mit faulem ſtinkenden Regenwaſſer aus etlichen wenigen ſchlam- migen Pfuͤtzen, oder gar mit ſalzigem Waſſer behelfen muß. Um ſich nur einigermaßen reinlich zu erhalten, und dadurch gewiſſen Krankheiten vorzu- beugen, ſind ſie genoͤthigt ihre Zuflucht zu andern Huͤlfsmitteln zu nehmen: Sie ſtutzen ſich alſo die Haare, zwicken ſich den Bart, ꝛc. und werden folglich, ſchon dadurch, den Tahitiern im Aeußern unaͤhnlicher, als ſie ohne das nicht ſeyn wuͤr- den. Gleichwohl ſind in Ermangelung genugſamen und guten Waſſers, alle dieſe kuͤnſtlichen Huͤlfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, ſie vor dem Aus- ſatz zu ſichern, der vielleicht, durch den Gebrauch des Pfefferwaſſers, noch nebenher beguͤnſtigt wird. Zur Verhuͤtung oder Heilung deſſelben ſchien jenes Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecke auf den Backen- knochen zuſchrieben, die ſo allgemein unter ihnen ſind, daß faſt kein einziger ohne dergleichen Merkmahl war. Auf den Societaͤts-Inſeln iſt das Erdreich in den Ebenen und Thaͤlern ſo fett und reich und bekoͤmmt durch die vielen Baͤche ſo viel Zufluß an gehoͤriger Feuchtigkeit, daß die mehreſten Gewaͤchſe faſt ohne alle Cultur gedeihen. Dieſe ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und un- terhaͤlt dann auch die Ueppigkeit und Schwelgerey unter den dortigen Vorneh- men. Davon aber findet man auf Tongatabu keine Spur. Auf dieſer Inſel iſt der Coral-Felſen blos mit einer duͤnnen Schicht von Erde bedeckt, in welcher die Baͤume nur kuͤmmerliche Nahrung finden und der nuͤtzlichſte von allen, der Brodtfrucht-Baum, kommt faſt gar nicht fort, weil er keine andere Waͤſſerung als Regen findet. Auf ſolche Art erfordert die Bearbeitung des Landes hier weit mehr Muͤhe als auf Tahiti. Daher kommts, daß die Leute mehr Fleis auf ihre Pflanzungen wenden, denenſelben eine regelmaͤſ- ſige Form geben, und daß jeder das ſeinige genau einzaͤunt. Aus eben dieſer Urſach laͤßt ſich aber auch begreifen, warum ſie auf die Lebensmittel immer einen hoͤhern Werth legten, als auf ihre Geraͤthe, Kleider, Schmuck und Waffen (ob ihnen dieſe gleich in manchen Faͤllen unſaͤgliche Arbeit muͤſſen gekoſtet ha- ben): Sie ſehen nemlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr groͤßter Reichthum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0417" n="358"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> October.</note>folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entſpringen, ziem-<lb/> lich geſichert. 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Forſter’s Reiſe um die Welt
folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entſpringen, ziem-
lich geſichert. Ganz anders muß es dagegen bey einem Volk ausſehen, dem es
an dieſem Vortheil fehlt, und das ſich, gleich den Bewohnern von Tongata-
bu, entweder mit faulem ſtinkenden Regenwaſſer aus etlichen wenigen ſchlam-
migen Pfuͤtzen, oder gar mit ſalzigem Waſſer behelfen muß. Um ſich nur
einigermaßen reinlich zu erhalten, und dadurch gewiſſen Krankheiten vorzu-
beugen, ſind ſie genoͤthigt ihre Zuflucht zu andern Huͤlfsmitteln zu nehmen: Sie
ſtutzen ſich alſo die Haare, zwicken ſich den Bart, ꝛc. und werden folglich, ſchon
dadurch, den Tahitiern im Aeußern unaͤhnlicher, als ſie ohne das nicht ſeyn wuͤr-
den. Gleichwohl ſind in Ermangelung genugſamen und guten Waſſers, alle
dieſe kuͤnſtlichen Huͤlfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, ſie vor dem Aus-
ſatz zu ſichern, der vielleicht, durch den Gebrauch des Pfefferwaſſers, noch
nebenher beguͤnſtigt wird. Zur Verhuͤtung oder Heilung deſſelben ſchien jenes
Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecke auf den Backen-
knochen zuſchrieben, die ſo allgemein unter ihnen ſind, daß faſt kein einziger ohne
dergleichen Merkmahl war. Auf den Societaͤts-Inſeln iſt das Erdreich in
den Ebenen und Thaͤlern ſo fett und reich und bekoͤmmt durch die vielen Baͤche
ſo viel Zufluß an gehoͤriger Feuchtigkeit, daß die mehreſten Gewaͤchſe faſt
ohne alle Cultur gedeihen. Dieſe ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und un-
terhaͤlt dann auch die Ueppigkeit und Schwelgerey unter den dortigen Vorneh-
men. Davon aber findet man auf Tongatabu keine Spur. Auf dieſer
Inſel iſt der Coral-Felſen blos mit einer duͤnnen Schicht von Erde bedeckt,
in welcher die Baͤume nur kuͤmmerliche Nahrung finden und der nuͤtzlichſte
von allen, der Brodtfrucht-Baum, kommt faſt gar nicht fort, weil er keine
andere Waͤſſerung als Regen findet. Auf ſolche Art erfordert die Bearbeitung
des Landes hier weit mehr Muͤhe als auf Tahiti. Daher kommts, daß
die Leute mehr Fleis auf ihre Pflanzungen wenden, denenſelben eine regelmaͤſ-
ſige Form geben, und daß jeder das ſeinige genau einzaͤunt. Aus eben dieſer
Urſach laͤßt ſich aber auch begreifen, warum ſie auf die Lebensmittel immer einen
hoͤhern Werth legten, als auf ihre Geraͤthe, Kleider, Schmuck und Waffen
(ob ihnen dieſe gleich in manchen Faͤllen unſaͤgliche Arbeit muͤſſen gekoſtet ha-
ben): Sie ſehen nemlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr groͤßter Reichthum
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