Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. Gedächtniß beym Gebeth versagte, daß sein ganzer Cörper mager, die Haut1773.October. schäbicht, das Gesicht runzlicht und die Augen roth und triefend waren. Er stand bey dem Volke in großem Ansehen, und eine Menge Bedienten waren ge- schäfftig, ihm mit vollen Bechern zur Hand zu gehn. Die Geschenke, welche wir ihm gaben, behielt er für sich, dahingegen Attagha und andre, alles was sie von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten. Er hatte eine Tochter, die von unsern Leuten viel Geschenke erhielt, denn sie war ungemein wohl gebildet, und heller von Farbe als die andern hiesigen Frauenspersonen, welche auch durchge- hends einige Achtung für sie zu haben schienen. Hellere Farbe und sanftere Ge- sichtszüge sind natürliche Folgen einer bequemen, unthätigen Lebensart, bey wel- cher man sich der Sonnenhitze nicht auszusetzen braucht, und wobey man an allem, was das Land Gutes und Köstliches liefert, Ueberfluß hat. Dies auf den gegenwär- tigen Fall angewandt, so wird es, dem Aaschein nach, auch hier schon darauf angelegt, die Religion zum Deckmantel der Ueppigkeit und des Wohllebens zu gebrauchen, und auch diese Nation, gleich so vielen andern, der Bequemlich- keit eines trägen wollüstigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das freylich so weit noch nicht gehen, aber ein einziger Funke davon ist auch schon genug, um in der Folge weit, und unaufhaltsam um sich zu greifen. Der Gehorsam und die Ergebenheit des Volks gegen die Obern, beweisen zur Gnüge, daß die hiesige Verfassung, wenn gleich nicht völlig despotisch, doch auch weit von der democratischen entfernt ist, und auf die Art kann denn freylich der Luxus bald Eingang finden. Was ich hier von diesen beyden Inseln gesagt habe, das läßt sich auch überhaupt von jenen behaupten, die in dieser Gegend weiter gegen Westen liegen: Denn die zuverläßigen Beschreibungen, welche Schouten, Le Maire und Tasmann uns von letzteren hinterlassen haben, stimmen mit dem, was wir selbst auf diesen hier beobachtet, so genau überein, daß alles, was auf diese paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derselben sind durchgehends zum Handel geneigt und haben von je her, die Fremden, welche bey ihnen landeten, freundlich und leutselig aufgenommen. Dies bewog uns diese ursprünglich von Schouten und Tasmann entdeckten Eylande, zusam- men genommen, die freundschaftlichen Inseln (friendly Islands) zu nen- nen. Ich weiß zwar, daß Schoutens Boote auf den Cocos-Verräther-Hoff- Forster's Reise u. d. W. erster Th. Y y
in den Jahren 1772 bis 1775. Gedaͤchtniß beym Gebeth verſagte, daß ſein ganzer Coͤrper mager, die Haut1773.October. ſchaͤbicht, das Geſicht runzlicht und die Augen roth und triefend waren. Er ſtand bey dem Volke in großem Anſehen, und eine Menge Bedienten waren ge- ſchaͤfftig, ihm mit vollen Bechern zur Hand zu gehn. Die Geſchenke, welche wir ihm gaben, behielt er fuͤr ſich, dahingegen Attagha und andre, alles was ſie von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten. Er hatte eine Tochter, die von unſern Leuten viel Geſchenke erhielt, denn ſie war ungemein wohl gebildet, und heller von Farbe als die andern hieſigen Frauensperſonen, welche auch durchge- hends einige Achtung fuͤr ſie zu haben ſchienen. Hellere Farbe und ſanftere Ge- ſichtszuͤge ſind natuͤrliche Folgen einer bequemen, unthaͤtigen Lebensart, bey wel- cher man ſich der Sonnenhitze nicht auszuſetzen braucht, und wobey man an allem, was das Land Gutes und Koͤſtliches liefert, Ueberfluß hat. Dies auf den gegenwaͤr- tigen Fall angewandt, ſo wird es, dem Aaſchein nach, auch hier ſchon darauf angelegt, die Religion zum Deckmantel der Ueppigkeit und des Wohllebens zu gebrauchen, und auch dieſe Nation, gleich ſo vielen andern, der Bequemlich- keit eines traͤgen wolluͤſtigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das freylich ſo weit noch nicht gehen, aber ein einziger Funke davon iſt auch ſchon genug, um in der Folge weit, und unaufhaltſam um ſich zu greifen. Der Gehorſam und die Ergebenheit des Volks gegen die Obern, beweiſen zur Gnuͤge, daß die hieſige Verfaſſung, wenn gleich nicht voͤllig deſpotiſch, doch auch weit von der democratiſchen entfernt iſt, und auf die Art kann denn freylich der Luxus bald Eingang finden. Was ich hier von dieſen beyden Inſeln geſagt habe, das laͤßt ſich auch uͤberhaupt von jenen behaupten, die in dieſer Gegend weiter gegen Weſten liegen: Denn die zuverlaͤßigen Beſchreibungen, welche Schouten, Le Maire und Tasmann uns von letzteren hinterlaſſen haben, ſtimmen mit dem, was wir ſelbſt auf dieſen hier beobachtet, ſo genau uͤberein, daß alles, was auf dieſe paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derſelben ſind durchgehends zum Handel geneigt und haben von je her, die Fremden, welche bey ihnen landeten, freundlich und leutſelig aufgenommen. Dies bewog uns dieſe urſpruͤnglich von Schouten und Tasmann entdeckten Eylande, zuſam- men genommen, die freundſchaftlichen Inſeln (friendly Iſlands) zu nen- nen. Ich weiß zwar, daß Schoutens Boote auf den Cocos-Verraͤther-Hoff- Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. Y y
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Gedaͤchtniß beym Gebeth verſagte, daß ſein ganzer Coͤrper mager, die Haut
ſchaͤbicht, das Geſicht runzlicht und die Augen roth und triefend waren. Er ſtand
bey dem Volke in großem Anſehen, und eine Menge Bedienten waren ge-
ſchaͤfftig, ihm mit vollen Bechern zur Hand zu gehn. Die Geſchenke, welche
wir ihm gaben, behielt er fuͤr ſich, dahingegen Attagha und andre, alles was ſie
von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten. Er hatte eine Tochter, die von
unſern Leuten viel Geſchenke erhielt, denn ſie war ungemein wohl gebildet, und
heller von Farbe als die andern hieſigen Frauensperſonen, welche auch durchge-
hends einige Achtung fuͤr ſie zu haben ſchienen. Hellere Farbe und ſanftere Ge-
ſichtszuͤge ſind natuͤrliche Folgen einer bequemen, unthaͤtigen Lebensart, bey wel-
cher man ſich der Sonnenhitze nicht auszuſetzen braucht, und wobey man an allem,
was das Land Gutes und Koͤſtliches liefert, Ueberfluß hat. Dies auf den gegenwaͤr-
tigen Fall angewandt, ſo wird es, dem Aaſchein nach, auch hier ſchon darauf
angelegt, die Religion zum Deckmantel der Ueppigkeit und des Wohllebens zu
gebrauchen, und auch dieſe Nation, gleich ſo vielen andern, der Bequemlich-
keit eines traͤgen wolluͤſtigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das
freylich ſo weit noch nicht gehen, aber ein einziger Funke davon iſt auch
ſchon genug, um in der Folge weit, und unaufhaltſam um ſich zu greifen. Der
Gehorſam und die Ergebenheit des Volks gegen die Obern, beweiſen zur Gnuͤge,
daß die hieſige Verfaſſung, wenn gleich nicht voͤllig deſpotiſch, doch auch weit
von der democratiſchen entfernt iſt, und auf die Art kann denn freylich der Luxus
bald Eingang finden. Was ich hier von dieſen beyden Inſeln geſagt habe,
das laͤßt ſich auch uͤberhaupt von jenen behaupten, die in dieſer Gegend weiter
gegen Weſten liegen: Denn die zuverlaͤßigen Beſchreibungen, welche Schouten,
Le Maire und Tasmann uns von letzteren hinterlaſſen haben, ſtimmen mit
dem, was wir ſelbſt auf dieſen hier beobachtet, ſo genau uͤberein, daß alles,
was auf dieſe paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derſelben ſind
durchgehends zum Handel geneigt und haben von je her, die Fremden, welche
bey ihnen landeten, freundlich und leutſelig aufgenommen. Dies bewog uns
dieſe urſpruͤnglich von Schouten und Tasmann entdeckten Eylande, zuſam-
men genommen, die freundſchaftlichen Inſeln (friendly Iſlands) zu nen-
nen. Ich weiß zwar, daß Schoutens Boote auf den Cocos-Verraͤther-Hoff-
1773.
October.
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