Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.October.weil, laut den Wörterbüchern vorgedachter Seefahrer, die dortige Sprache mit der hiesigen noch in mehrern Fällen genau überein kam, und weil auch das Betragen und die Gebräuche jener Insulaner, der Beschreibung nach, mit dem wie wir es hier fanden, ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Doch dem sey wie ihm wolle, es war uns darum zu thun, diesen Latu näher kennen zu lernen; wir giengen also zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Ge- schenke, die er so hölzern und gleichgültig annahm, daß man ihn für ganz unem- pfindlich und einfältig hätte ansehen mögen. Unter andern war auch ein Hemde dabey, welches sie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wüßte. Allein, bey seiner stupiden Unbehülflichkeit kostete ihnen das nicht wenig Mühe. Vermuthlich würde er ihnen auch nicht einmal dafür gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib, die hinter ihm saß, ihn so oft daran erinnert hätte. Dieses fruchtete endlich so viel, daß er ein Stück nach dem andern über den Kopf empor hob, doch sagte er, so gut als der geringste seiner Unterthanen, nichts mehr als schlechtweg, Fagafetai dazu. Der Priester, welcher die beyden Capitains am ersten Tage nach unsrer Ankunft zu dem Begräbniß- oder Versammlungs-Platz gebracht hatte, befand sich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der Latu saß, und ließ sich das berauschende Pfefferwasser *) tapfer schmecken. Es ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von künstlich gefalteten und geflochtnen Bananas-Blättern gereicht, **) und er verlangte, daß man auch uns von die- sem köstlichen Getränk mittheilen sollte. Man bot uns also mit vieler Höflich- keit etwas davon an, und aus bloßer Höflichkeit kosteten wir es auch. Es war von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geschmack und ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zurück. Von die- sem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend so reichliche Portionen zu sich, daß er immer ganz berauscht ward. Kein Wunder also, daß ihm das Ge- *) Zu Tahiti Awa, hier aber und auf Horn-Eyland, Kawa genannt. **) Capitain Cook setzt in seiner Reisebeschreibung hinzu, daß diese Becher ohngefähr einen
halben Schoppen (1/2 pint) hielten, und daß niemand zweymal, auch nie zwey Personen aus demselben Geschirr tranken. Jeder hatte seinen Becher, und nahm, so oft er trank, einen neuen. Die Weiber waren von diesen Zechen nicht ausgeschlossen. Die Tahitische Gewohn- heit, daß jedes Geschlecht abgesondert speißt, ist also hier wohl nicht üblich. A. d. V. Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.October.weil, laut den Woͤrterbuͤchern vorgedachter Seefahrer, die dortige Sprache mit der hieſigen noch in mehrern Faͤllen genau uͤberein kam, und weil auch das Betragen und die Gebraͤuche jener Inſulaner, der Beſchreibung nach, mit dem wie wir es hier fanden, ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Doch dem ſey wie ihm wolle, es war uns darum zu thun, dieſen Latu naͤher kennen zu lernen; wir giengen alſo zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Ge- ſchenke, die er ſo hoͤlzern und gleichguͤltig annahm, daß man ihn fuͤr ganz unem- pfindlich und einfaͤltig haͤtte anſehen moͤgen. Unter andern war auch ein Hemde dabey, welches ſie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wuͤßte. Allein, bey ſeiner ſtupiden Unbehuͤlflichkeit koſtete ihnen das nicht wenig Muͤhe. Vermuthlich wuͤrde er ihnen auch nicht einmal dafuͤr gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib, die hinter ihm ſaß, ihn ſo oft daran erinnert haͤtte. Dieſes fruchtete endlich ſo viel, daß er ein Stuͤck nach dem andern uͤber den Kopf empor hob, doch ſagte er, ſo gut als der geringſte ſeiner Unterthanen, nichts mehr als ſchlechtweg, Fagafetaï dazu. Der Prieſter, welcher die beyden Capitains am erſten Tage nach unſrer Ankunft zu dem Begraͤbniß- oder Verſammlungs-Platz gebracht hatte, befand ſich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der Latu ſaß, und ließ ſich das berauſchende Pfefferwaſſer *) tapfer ſchmecken. Es ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von kuͤnſtlich gefalteten und geflochtnen Bananas-Blaͤttern gereicht, **) und er verlangte, daß man auch uns von die- ſem koͤſtlichen Getraͤnk mittheilen ſollte. Man bot uns alſo mit vieler Hoͤflich- keit etwas davon an, und aus bloßer Hoͤflichkeit koſteten wir es auch. Es war von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geſchmack und ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zuruͤck. Von die- ſem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend ſo reichliche Portionen zu ſich, daß er immer ganz berauſcht ward. Kein Wunder alſo, daß ihm das Ge- *) Zu Tahiti Awa, hier aber und auf Horn-Eyland, Kawa genannt. **) Capitain Cook ſetzt in ſeiner Reiſebeſchreibung hinzu, daß dieſe Becher ohngefaͤhr einen
halben Schoppen (½ pint) hielten, und daß niemand zweymal, auch nie zwey Perſonen aus demſelben Geſchirr tranken. Jeder hatte ſeinen Becher, und nahm, ſo oft er trank, einen neuen. Die Weiber waren von dieſen Zechen nicht ausgeſchloſſen. Die Tahitiſche Gewohn- heit, daß jedes Geſchlecht abgeſondert ſpeißt, iſt alſo hier wohl nicht uͤblich. A. d. V. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0411" n="352"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> October.</note>weil, laut den Woͤrterbuͤchern vorgedachter Seefahrer, die dortige Sprache<lb/> mit der hieſigen noch in mehrern Faͤllen genau uͤberein kam, und weil auch das<lb/> Betragen und die Gebraͤuche jener Inſulaner, der Beſchreibung nach, mit dem<lb/> wie wir es hier fanden, ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Doch dem ſey wie<lb/> ihm wolle, es war uns darum zu thun, dieſen <hi rendition="#fr">Latu</hi> naͤher kennen zu lernen;<lb/> wir giengen alſo zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Ge-<lb/> ſchenke, die er ſo hoͤlzern und gleichguͤltig annahm, daß man ihn fuͤr ganz unem-<lb/> pfindlich und einfaͤltig haͤtte anſehen moͤgen. Unter andern war auch ein Hemde<lb/> dabey, welches ſie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wuͤßte. Allein, bey ſeiner<lb/> ſtupiden Unbehuͤlflichkeit koſtete ihnen das nicht wenig Muͤhe. Vermuthlich<lb/> wuͤrde er ihnen auch nicht einmal dafuͤr gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib,<lb/> die hinter ihm ſaß, ihn ſo oft daran erinnert haͤtte. Dieſes fruchtete endlich ſo<lb/> viel, daß er ein Stuͤck nach dem andern uͤber den Kopf empor hob, doch ſagte<lb/> er, ſo gut als der geringſte ſeiner Unterthanen, nichts mehr als ſchlechtweg,<lb/><hi rendition="#fr">Fagafeta</hi><hi rendition="#aq">ï</hi> dazu. Der Prieſter, welcher die beyden Capitains am erſten Tage<lb/> nach unſrer Ankunft zu dem Begraͤbniß- oder Verſammlungs-Platz gebracht<lb/> hatte, befand ſich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der<lb/><hi rendition="#fr">Latu</hi> ſaß, und ließ ſich das berauſchende Pfefferwaſſer <note place="foot" n="*)">Zu <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName> Awa,</hi> hier aber und auf <placeName>Horn-Eyland</placeName>, <hi rendition="#fr">Kawa</hi> genannt.</note> tapfer ſchmecken. Es<lb/> ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von kuͤnſtlich gefalteten und geflochtnen<lb/> Bananas-Blaͤttern gereicht, <note place="foot" n="**)">Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> ſetzt in ſeiner Reiſebeſchreibung hinzu, daß dieſe Becher ohngefaͤhr einen<lb/> halben Schoppen (½ <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">pint</hi></hi>) hielten, und daß niemand zweymal, auch nie <hi rendition="#fr">zwey</hi> Perſonen aus<lb/> demſelben Geſchirr tranken. Jeder hatte ſeinen Becher, und nahm, ſo oft er trank, einen<lb/> neuen. Die Weiber waren von dieſen Zechen nicht ausgeſchloſſen. Die Tahitiſche Gewohn-<lb/> heit, daß jedes Geſchlecht abgeſondert ſpeißt, iſt alſo hier wohl nicht uͤblich. <hi rendition="#fr">A. d. V.</hi></note> und er verlangte, daß man auch uns von die-<lb/> ſem koͤſtlichen Getraͤnk mittheilen ſollte. Man bot uns alſo mit vieler Hoͤflich-<lb/> keit etwas davon an, und aus bloßer Hoͤflichkeit koſteten wir es auch. Es war<lb/> von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geſchmack und<lb/> ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zuruͤck. Von die-<lb/> ſem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend ſo reichliche Portionen<lb/> zu ſich, daß er immer ganz berauſcht ward. Kein Wunder alſo, daß ihm das<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [352/0411]
Forſter’s Reiſe um die Welt
weil, laut den Woͤrterbuͤchern vorgedachter Seefahrer, die dortige Sprache
mit der hieſigen noch in mehrern Faͤllen genau uͤberein kam, und weil auch das
Betragen und die Gebraͤuche jener Inſulaner, der Beſchreibung nach, mit dem
wie wir es hier fanden, ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Doch dem ſey wie
ihm wolle, es war uns darum zu thun, dieſen Latu naͤher kennen zu lernen;
wir giengen alſo zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Ge-
ſchenke, die er ſo hoͤlzern und gleichguͤltig annahm, daß man ihn fuͤr ganz unem-
pfindlich und einfaͤltig haͤtte anſehen moͤgen. Unter andern war auch ein Hemde
dabey, welches ſie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wuͤßte. Allein, bey ſeiner
ſtupiden Unbehuͤlflichkeit koſtete ihnen das nicht wenig Muͤhe. Vermuthlich
wuͤrde er ihnen auch nicht einmal dafuͤr gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib,
die hinter ihm ſaß, ihn ſo oft daran erinnert haͤtte. Dieſes fruchtete endlich ſo
viel, daß er ein Stuͤck nach dem andern uͤber den Kopf empor hob, doch ſagte
er, ſo gut als der geringſte ſeiner Unterthanen, nichts mehr als ſchlechtweg,
Fagafetaï dazu. Der Prieſter, welcher die beyden Capitains am erſten Tage
nach unſrer Ankunft zu dem Begraͤbniß- oder Verſammlungs-Platz gebracht
hatte, befand ſich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der
Latu ſaß, und ließ ſich das berauſchende Pfefferwaſſer *) tapfer ſchmecken. Es
ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von kuͤnſtlich gefalteten und geflochtnen
Bananas-Blaͤttern gereicht, **) und er verlangte, daß man auch uns von die-
ſem koͤſtlichen Getraͤnk mittheilen ſollte. Man bot uns alſo mit vieler Hoͤflich-
keit etwas davon an, und aus bloßer Hoͤflichkeit koſteten wir es auch. Es war
von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geſchmack und
ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zuruͤck. Von die-
ſem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend ſo reichliche Portionen
zu ſich, daß er immer ganz berauſcht ward. Kein Wunder alſo, daß ihm das
Ge-
1773.
October.
*) Zu Tahiti Awa, hier aber und auf Horn-Eyland, Kawa genannt.
**) Capitain Cook ſetzt in ſeiner Reiſebeſchreibung hinzu, daß dieſe Becher ohngefaͤhr einen
halben Schoppen (½ pint) hielten, und daß niemand zweymal, auch nie zwey Perſonen aus
demſelben Geſchirr tranken. Jeder hatte ſeinen Becher, und nahm, ſo oft er trank, einen
neuen. Die Weiber waren von dieſen Zechen nicht ausgeſchloſſen. Die Tahitiſche Gewohn-
heit, daß jedes Geſchlecht abgeſondert ſpeißt, iſt alſo hier wohl nicht uͤblich. A. d. V.
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