Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
dort, bis zur Verschwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar1773.
October.

sehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Gebüsche angelegt, sie wa-
ren aber weder so räumlich noch so bequem als in Tahiti. Unter diesen Be-
obachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zurück, wo-
selbst sich viele Hundert Einwohner versammlet hatten. Ihr äußeres Ansehen
bewies, daß, wenn schon ihr Land nicht so reich an Natur-Gütern war
als Tahiti; diese Reichthümer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk aus-
getheilt seyn mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellern
Gesichts-Farbe und an dem wohlgemästeten Cörper erkennen: Hier aber war aller
äußere Unterschied aufgehoben. Der Befehlshaber, der sich zu uns an Bord bege-
ben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, selbst der Kleidung nach,
nicht vom gemeinen Mann verschieden. Blos aus dem Gehorsam, den das
Volk gegen seine Befehle blicken ließ, konnte man urtheilen, daß er von höhe-
rem Stande seyn müsse. Wir mischten uns unter den hier versammleten Haufen,
und wurden von Alt und Jung, Männern und Weibern auf das schmeichelhafteste
bewillkommt. Sie umarmten uns, küßten uns zuweilen die Hände und drück-
ten sie an ihre Brust; kurz, sie suchten uns ihre Liebe und Freundschaft auf hun-
dertfältige Art zu bezeugen. Die Männer sind von unsrer gewöhnlichen mitt-
lern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, überaus proportionirlich
gebaut und schön von Gliedern, aber etwas musculöser als die Tahi-
tier,
welches wahrscheinlicherweise von der größern und beständigen Anstren-
gung des Cörpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirth-
schaft erfordert. Ihre Gesichtsbildung war sanft und ungemein gefällig, aber
länglichter als bey den Tahitiern, besonders war die Nase schärfer und die
Lippen dünner. -- "Sie hatten schöne schwarze Augen, groß und selbst bey
den bejahrtesten Personen noch voll Feuer. Ihre Zähne waren gesund,
weiß und schön gesetzt. Das Haar, welches gemeiniglich schwarz und stark gekräu-
selt war, trugen Männer und Weiber kurz verschnitten, und zum Theil auf-
wärts gekämmt, so daß es, wie Borsten, in die Höhe stand. Den Kindern
hatte man es noch kürzer geschnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem
Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite über dem Ohr stehen lassen." -- Die
Bärte waren geschoren oder vielmehr mit ein Paar scharfen Muschel-

S s 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
dort, bis zur Verſchwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar1773.
October.

ſehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Gebuͤſche angelegt, ſie wa-
ren aber weder ſo raͤumlich noch ſo bequem als in Tahiti. Unter dieſen Be-
obachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zuruͤck, wo-
ſelbſt ſich viele Hundert Einwohner verſammlet hatten. Ihr aͤußeres Anſehen
bewies, daß, wenn ſchon ihr Land nicht ſo reich an Natur-Guͤtern war
als Tahiti; dieſe Reichthuͤmer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk aus-
getheilt ſeyn mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellern
Geſichts-Farbe und an dem wohlgemaͤſteten Coͤrper erkennen: Hier aber war aller
aͤußere Unterſchied aufgehoben. Der Befehlshaber, der ſich zu uns an Bord bege-
ben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, ſelbſt der Kleidung nach,
nicht vom gemeinen Mann verſchieden. Blos aus dem Gehorſam, den das
Volk gegen ſeine Befehle blicken ließ, konnte man urtheilen, daß er von hoͤhe-
rem Stande ſeyn muͤſſe. Wir miſchten uns unter den hier verſammleten Haufen,
und wurden von Alt und Jung, Maͤnnern und Weibern auf das ſchmeichelhafteſte
bewillkommt. Sie umarmten uns, kuͤßten uns zuweilen die Haͤnde und druͤck-
ten ſie an ihre Bruſt; kurz, ſie ſuchten uns ihre Liebe und Freundſchaft auf hun-
dertfaͤltige Art zu bezeugen. Die Maͤnner ſind von unſrer gewoͤhnlichen mitt-
lern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, uͤberaus proportionirlich
gebaut und ſchoͤn von Gliedern, aber etwas musculoͤſer als die Tahi-
tier,
welches wahrſcheinlicherweiſe von der groͤßern und beſtaͤndigen Anſtren-
gung des Coͤrpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirth-
ſchaft erfordert. Ihre Geſichtsbildung war ſanft und ungemein gefaͤllig, aber
laͤnglichter als bey den Tahitiern, beſonders war die Naſe ſchaͤrfer und die
Lippen duͤnner. — “Sie hatten ſchoͤne ſchwarze Augen, groß und ſelbſt bey
den bejahrteſten Perſonen noch voll Feuer. Ihre Zaͤhne waren geſund,
weiß und ſchoͤn geſetzt. Das Haar, welches gemeiniglich ſchwarz und ſtark gekraͤu-
ſelt war, trugen Maͤnner und Weiber kurz verſchnitten, und zum Theil auf-
waͤrts gekaͤmmt, ſo daß es, wie Borſten, in die Hoͤhe ſtand. Den Kindern
hatte man es noch kuͤrzer geſchnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem
Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite uͤber dem Ohr ſtehen laſſen.” — Die
Baͤrte waren geſchoren oder vielmehr mit ein Paar ſcharfen Muſchel-

S s 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0380" n="325"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
dort, bis zur Ver&#x017F;chwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar<note place="right">1773.<lb/>
October.</note><lb/>
&#x017F;ehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Gebu&#x0364;&#x017F;che angelegt, &#x017F;ie wa-<lb/>
ren aber weder &#x017F;o ra&#x0364;umlich noch &#x017F;o bequem als in <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName>.</hi> Unter die&#x017F;en Be-<lb/>
obachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zuru&#x0364;ck, wo-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich viele Hundert Einwohner ver&#x017F;ammlet hatten. Ihr a&#x0364;ußeres An&#x017F;ehen<lb/>
bewies, daß, wenn &#x017F;chon ihr Land nicht &#x017F;o reich an Natur-Gu&#x0364;tern war<lb/>
als <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName>;</hi> die&#x017F;e Reichthu&#x0364;mer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk aus-<lb/>
getheilt &#x017F;eyn mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellern<lb/>
Ge&#x017F;ichts-Farbe und an dem wohlgema&#x0364;&#x017F;teten Co&#x0364;rper erkennen: Hier aber war aller<lb/>
a&#x0364;ußere Unter&#x017F;chied aufgehoben. Der Befehlshaber, der &#x017F;ich zu uns an Bord bege-<lb/>
ben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, &#x017F;elb&#x017F;t der Kleidung nach,<lb/>
nicht vom gemeinen Mann ver&#x017F;chieden. Blos aus dem Gehor&#x017F;am, den das<lb/>
Volk gegen &#x017F;eine Befehle blicken ließ, konnte man urtheilen, daß er von ho&#x0364;he-<lb/>
rem Stande &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Wir mi&#x017F;chten uns unter den hier ver&#x017F;ammleten Haufen,<lb/>
und wurden von Alt und Jung, Ma&#x0364;nnern und Weibern auf das &#x017F;chmeichelhafte&#x017F;te<lb/>
bewillkommt. Sie umarmten uns, ku&#x0364;ßten uns zuweilen die Ha&#x0364;nde und dru&#x0364;ck-<lb/>
ten &#x017F;ie an ihre Bru&#x017F;t; kurz, &#x017F;ie &#x017F;uchten uns ihre Liebe und Freund&#x017F;chaft auf hun-<lb/>
dertfa&#x0364;ltige Art zu bezeugen. Die Ma&#x0364;nner &#x017F;ind von un&#x017F;rer gewo&#x0364;hnlichen mitt-<lb/>
lern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, u&#x0364;beraus proportionirlich<lb/>
gebaut und &#x017F;cho&#x0364;n von Gliedern, aber etwas musculo&#x0364;&#x017F;er als die <hi rendition="#fr">Tahi-<lb/>
tier,</hi> welches wahr&#x017F;cheinlicherwei&#x017F;e von der gro&#x0364;ßern und be&#x017F;ta&#x0364;ndigen An&#x017F;tren-<lb/>
gung des Co&#x0364;rpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirth-<lb/>
&#x017F;chaft erfordert. Ihre Ge&#x017F;ichtsbildung war &#x017F;anft und ungemein gefa&#x0364;llig, aber<lb/>
la&#x0364;nglichter als bey den <hi rendition="#fr">Tahitiern,</hi> be&#x017F;onders war die Na&#x017F;e &#x017F;cha&#x0364;rfer und die<lb/>
Lippen du&#x0364;nner. &#x2014; &#x201C;Sie hatten &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;chwarze Augen, groß und &#x017F;elb&#x017F;t bey<lb/>
den bejahrte&#x017F;ten Per&#x017F;onen noch voll Feuer. Ihre Za&#x0364;hne waren ge&#x017F;und,<lb/>
weiß und &#x017F;cho&#x0364;n ge&#x017F;etzt. Das Haar, welches gemeiniglich &#x017F;chwarz und &#x017F;tark gekra&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;elt war, trugen Ma&#x0364;nner und Weiber kurz ver&#x017F;chnitten, und zum Theil auf-<lb/>
wa&#x0364;rts geka&#x0364;mmt, &#x017F;o daß es, wie Bor&#x017F;ten, in die Ho&#x0364;he &#x017F;tand. Den Kindern<lb/>
hatte man es noch ku&#x0364;rzer ge&#x017F;chnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem<lb/>
Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite u&#x0364;ber dem Ohr &#x017F;tehen la&#x017F;&#x017F;en.&#x201D; &#x2014; Die<lb/>
Ba&#x0364;rte waren ge&#x017F;choren oder vielmehr mit ein Paar &#x017F;charfen Mu&#x017F;chel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0380] in den Jahren 1772 bis 1775. dort, bis zur Verſchwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar ſehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Gebuͤſche angelegt, ſie wa- ren aber weder ſo raͤumlich noch ſo bequem als in Tahiti. Unter dieſen Be- obachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zuruͤck, wo- ſelbſt ſich viele Hundert Einwohner verſammlet hatten. Ihr aͤußeres Anſehen bewies, daß, wenn ſchon ihr Land nicht ſo reich an Natur-Guͤtern war als Tahiti; dieſe Reichthuͤmer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk aus- getheilt ſeyn mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellern Geſichts-Farbe und an dem wohlgemaͤſteten Coͤrper erkennen: Hier aber war aller aͤußere Unterſchied aufgehoben. Der Befehlshaber, der ſich zu uns an Bord bege- ben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, ſelbſt der Kleidung nach, nicht vom gemeinen Mann verſchieden. Blos aus dem Gehorſam, den das Volk gegen ſeine Befehle blicken ließ, konnte man urtheilen, daß er von hoͤhe- rem Stande ſeyn muͤſſe. Wir miſchten uns unter den hier verſammleten Haufen, und wurden von Alt und Jung, Maͤnnern und Weibern auf das ſchmeichelhafteſte bewillkommt. Sie umarmten uns, kuͤßten uns zuweilen die Haͤnde und druͤck- ten ſie an ihre Bruſt; kurz, ſie ſuchten uns ihre Liebe und Freundſchaft auf hun- dertfaͤltige Art zu bezeugen. Die Maͤnner ſind von unſrer gewoͤhnlichen mitt- lern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, uͤberaus proportionirlich gebaut und ſchoͤn von Gliedern, aber etwas musculoͤſer als die Tahi- tier, welches wahrſcheinlicherweiſe von der groͤßern und beſtaͤndigen Anſtren- gung des Coͤrpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirth- ſchaft erfordert. Ihre Geſichtsbildung war ſanft und ungemein gefaͤllig, aber laͤnglichter als bey den Tahitiern, beſonders war die Naſe ſchaͤrfer und die Lippen duͤnner. — “Sie hatten ſchoͤne ſchwarze Augen, groß und ſelbſt bey den bejahrteſten Perſonen noch voll Feuer. Ihre Zaͤhne waren geſund, weiß und ſchoͤn geſetzt. Das Haar, welches gemeiniglich ſchwarz und ſtark gekraͤu- ſelt war, trugen Maͤnner und Weiber kurz verſchnitten, und zum Theil auf- waͤrts gekaͤmmt, ſo daß es, wie Borſten, in die Hoͤhe ſtand. Den Kindern hatte man es noch kuͤrzer geſchnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite uͤber dem Ohr ſtehen laſſen.” — Die Baͤrte waren geſchoren oder vielmehr mit ein Paar ſcharfen Muſchel- 1773. October. S s 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/380
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/380>, abgerufen am 18.06.2024.