Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
sich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Insel zu1773.
Septem-
ber.

untersuchen, nicht aus den Händen lassen, und giengen also auch mit.

Während ihrer Abwesenheit wurden wir vom Orea, der in dem District der
Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaste genöthigt. Es verfüg-
ten sich daher die Capitains beyder Schiffe, nebst verschiednen Officiers und Pas-
sagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl versehen,
mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein. Bey der
Ankunft in unsers Wirthes Hause fanden wir den Boden größtentheils mit
Blättern bestreuet, die statt Tischtuchs dienten. Rund um diesen Bezirk
nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsre Plätze ein. Wir hatten
nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes
Schwein, in Pisang-Blätter gewickelt, auf den Schultern hatte, und solches
mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei-
nem kleineren Schweine; und diesen folgten verschiedne andre mit Körben
voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt.
Der Wirth bat, wir mögten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit
beyde Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute gewaltig her-
bey; die Frauenspersonen und überhaupt alles gemeine Volk bat in betteln-
dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, seinen
Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans
äußerste Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedränges wegen, nicht
herbey kommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Antheil mit großem
Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blätter und
verwahrten sie bis sie allein seyn würden. Sowohl die Gierigkeit mit der sie uns
plagten und womit sie ihre Bitten unablässig wiederholten, als auch die neidischen
Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, überzeug-
ten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Ansprüche
auf dergleichen Leckerbissen habe. Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zu-
bereitung, uns allen, ungleich besser als nach irgend einer europäischen Manier zu-
gerichtet. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zärter als unser
gebratnes. Vermittelst der gleichförmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal-
ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beysammen. Das Fett hatte nicht den

Forsters Reise u. d. W. erster Th. Q q

in den Jahren 1772 bis 1775.
ſich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Inſel zu1773.
Septem-
ber.

unterſuchen, nicht aus den Haͤnden laſſen, und giengen alſo auch mit.

Waͤhrend ihrer Abweſenheit wurden wir vom Orea, der in dem Diſtrict der
Inſel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaſte genoͤthigt. Es verfuͤg-
ten ſich daher die Capitains beyder Schiffe, nebſt verſchiednen Officiers und Paſ-
ſagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl verſehen,
mit Pfeffer, Salz, Meſſern, Gabeln und etlichen Flaſchen Wein. Bey der
Ankunft in unſers Wirthes Hauſe fanden wir den Boden groͤßtentheils mit
Blaͤttern beſtreuet, die ſtatt Tiſchtuchs dienten. Rund um dieſen Bezirk
nahmen wir und die Vornehmſten des Landes unſre Plaͤtze ein. Wir hatten
nicht lange geſeſſen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes
Schwein, in Piſang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und ſolches
mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei-
nem kleineren Schweine; und dieſen folgten verſchiedne andre mit Koͤrben
voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt.
Der Wirth bat, wir moͤgten uns ſelbſt bedienen, worauf denn in kurzer Zeit
beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten ſich die Leute gewaltig her-
bey; die Frauensperſonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln-
dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, ſeinen
Nachbarn redlich davon mit, ja ſie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans
aͤußerſte Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht
herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem
Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und
verwahrten ſie bis ſie allein ſeyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der ſie uns
plagten und womit ſie ihre Bitten unablaͤſſig wiederholten, als auch die neidiſchen
Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug-
ten uns, daß der gemeine Mann in dieſer Inſel kein Recht und keine Anſpruͤche
auf dergleichen Leckerbiſſen habe. Das Schweinefleiſch ſchmeckte nach hieſiger Zu-
bereitung, uns allen, ungleich beſſer als nach irgend einer europaͤiſchen Manier zu-
gerichtet. Es war ſaftiger als unſer gekochtes und auf alle Weiſe zaͤrter als unſer
gebratnes. Vermittelſt der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal-
ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beyſammen. Das Fett hatte nicht den

Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. Q q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0360" n="305"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ich. Dr. <hi rendition="#fr"><persName>Sparrmann</persName></hi> und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene In&#x017F;el zu<note place="right">1773.<lb/>
Septem-<lb/>
ber.</note><lb/>
unter&#x017F;uchen, nicht aus den Ha&#x0364;nden la&#x017F;&#x017F;en, und giengen al&#x017F;o auch mit.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend ihrer Abwe&#x017F;enheit wurden wir vom <hi rendition="#fr"><persName>Orea</persName>,</hi> der in dem Di&#x017F;trict der<lb/>
In&#x017F;el, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Ga&#x017F;te geno&#x0364;thigt. Es verfu&#x0364;g-<lb/>
ten &#x017F;ich daher die Capitains beyder Schiffe, neb&#x017F;t ver&#x017F;chiednen Officiers und Pa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;agiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl ver&#x017F;ehen,<lb/>
mit Pfeffer, Salz, Me&#x017F;&#x017F;ern, Gabeln und etlichen Fla&#x017F;chen Wein. Bey der<lb/>
Ankunft in un&#x017F;ers Wirthes Hau&#x017F;e fanden wir den Boden gro&#x0364;ßtentheils mit<lb/>
Bla&#x0364;ttern be&#x017F;treuet, die &#x017F;tatt Ti&#x017F;chtuchs dienten. Rund um die&#x017F;en Bezirk<lb/>
nahmen wir und die Vornehm&#x017F;ten des Landes un&#x017F;re Pla&#x0364;tze ein. Wir hatten<lb/>
nicht lange ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes<lb/>
Schwein, in Pi&#x017F;ang-Bla&#x0364;tter gewickelt, auf den Schultern hatte, und &#x017F;olches<lb/>
mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei-<lb/>
nem kleineren Schweine; und die&#x017F;en folgten ver&#x017F;chiedne andre mit Ko&#x0364;rben<lb/>
voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige <hi rendition="#fr">Mahei</hi> genannt.<lb/>
Der Wirth bat, wir mo&#x0364;gten uns &#x017F;elb&#x017F;t bedienen, worauf denn in kurzer Zeit<lb/>
beyde Schweine zerlegt waren. Nun dra&#x0364;ngten &#x017F;ich die Leute gewaltig her-<lb/>
bey; die Frauensper&#x017F;onen und u&#x0364;berhaupt alles gemeine Volk bat in betteln-<lb/>
dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, &#x017F;einen<lb/>
Nachbarn redlich davon mit, ja &#x017F;ie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;te Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedra&#x0364;nges wegen, nicht<lb/>
herbey kommen konnten. Die Ma&#x0364;nner verzehrten ihren Antheil mit großem<lb/>
Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Bla&#x0364;tter und<lb/>
verwahrten &#x017F;ie bis &#x017F;ie allein &#x017F;eyn wu&#x0364;rden. Sowohl die Gierigkeit mit der &#x017F;ie uns<lb/>
plagten und womit &#x017F;ie ihre Bitten unabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig wiederholten, als auch die neidi&#x017F;chen<lb/>
Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, u&#x0364;berzeug-<lb/>
ten uns, daß der gemeine Mann in die&#x017F;er In&#x017F;el kein Recht und keine An&#x017F;pru&#x0364;che<lb/>
auf dergleichen Leckerbi&#x017F;&#x017F;en habe. Das Schweineflei&#x017F;ch &#x017F;chmeckte nach hie&#x017F;iger Zu-<lb/>
bereitung, uns allen, ungleich be&#x017F;&#x017F;er als nach irgend einer europa&#x0364;i&#x017F;chen Manier zu-<lb/>
gerichtet. Es war &#x017F;aftiger als un&#x017F;er gekochtes und auf alle Wei&#x017F;e za&#x0364;rter als un&#x017F;er<lb/>
gebratnes. Vermittel&#x017F;t der gleichfo&#x0364;rmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal-<lb/>
ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus bey&#x017F;ammen. Das Fett hatte nicht den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ters</persName> Rei&#x017F;e u. d. W. er&#x017F;ter Th.</hi> Q q</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0360] in den Jahren 1772 bis 1775. ſich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Inſel zu unterſuchen, nicht aus den Haͤnden laſſen, und giengen alſo auch mit. 1773. Septem- ber. Waͤhrend ihrer Abweſenheit wurden wir vom Orea, der in dem Diſtrict der Inſel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaſte genoͤthigt. Es verfuͤg- ten ſich daher die Capitains beyder Schiffe, nebſt verſchiednen Officiers und Paſ- ſagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl verſehen, mit Pfeffer, Salz, Meſſern, Gabeln und etlichen Flaſchen Wein. Bey der Ankunft in unſers Wirthes Hauſe fanden wir den Boden groͤßtentheils mit Blaͤttern beſtreuet, die ſtatt Tiſchtuchs dienten. Rund um dieſen Bezirk nahmen wir und die Vornehmſten des Landes unſre Plaͤtze ein. Wir hatten nicht lange geſeſſen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Piſang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und ſolches mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei- nem kleineren Schweine; und dieſen folgten verſchiedne andre mit Koͤrben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir moͤgten uns ſelbſt bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten ſich die Leute gewaltig her- bey; die Frauensperſonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln- dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, ſeinen Nachbarn redlich davon mit, ja ſie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans aͤußerſte Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und verwahrten ſie bis ſie allein ſeyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der ſie uns plagten und womit ſie ihre Bitten unablaͤſſig wiederholten, als auch die neidiſchen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug- ten uns, daß der gemeine Mann in dieſer Inſel kein Recht und keine Anſpruͤche auf dergleichen Leckerbiſſen habe. Das Schweinefleiſch ſchmeckte nach hieſiger Zu- bereitung, uns allen, ungleich beſſer als nach irgend einer europaͤiſchen Manier zu- gerichtet. Es war ſaftiger als unſer gekochtes und auf alle Weiſe zaͤrter als unſer gebratnes. Vermittelſt der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal- ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beyſammen. Das Fett hatte nicht den Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. Q q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/360
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/360>, abgerufen am 22.11.2024.