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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
August.
allen Dingen auch die Schweine gehören, und die beste Methode, zu hindern,
daß keine neuen Bedürfnisse unter diesem glücklichen Volke entstehen mögten,
war ohnfehlbar, uns so bald als möglich zur Abreise zu nöthigen, und hiezu war
die Versagung der Erfrischungen, deren wir am mehresten bedurften, das dienlich-
ste Mittel. Es ist würklich im Ernste zu wünschen, daß der Umgang der Euro-
päer mit den Einwohnern der Süd-See-Inseln in Zeiten abgebrochen werden
möge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Völker diese unschuldigen Leute
anstecken, welche hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so glücklich leben.
Aber es ist eine traurige Wahrheit, daß Menschenliebe und die politischen
Systeme von Europa nicht mit einander harmoniren!

Am folgenden Tage brachten einige unsrer Leute, die einen Spatziergang
an der Küste gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß sie Aheatua
angetroffen, und daß er ausdrücklich in diesen District gekommen sey, um uns
Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelassen worden, und
Se. Majestät hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Hälfte ihres Stuhls einem
unsrer Steuermänner, Herrn Smith eingeräumt. Auch hatte er sich gnädigst
verlauten lassen, daß es ihm lieb seyn sollte, den Capitain Cook zu sehen, und
daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablassen wolle, wenn dieser für jegli-
ches ein Beil zu geben gesonnen sey. Das war nun allerdings die erfreulichste
Neuigkeit, die wir seit langer Zeit gehört hatten. Unsre Leute wollten bey die-
ser Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Gesichtsbil-
dung nach, einem Europäer ähnlich gewesen, auf ihre Anrede aber unter dem
großen Haufen verschwunden sey. Ob es würklich ein Europäer gewesen, oder
ob Tuahau's Erzählung ihnen nur im Kopfe gesteckt? können wir nicht be-
stimmen. So viel aber ist gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu
sehen bekommen hat.

Um von Aheatua's guten Gesinnungen gleich auf frischer That Ge-
brauch zu machen, begaben sich die Capitains mit verschiednen Officiers, imglei-
chen Dr. Sparmann, mein Vater und ich, am folgenden Morgen früh aus Land.
Opao, einer der Indianer, welche über Nacht am Bord geblieben waren,
diente uns zum Führer, und rieth uns an, längst dem Flusse, aus dem die
Wasserfässer angefüllet wurden, hinauf zu gehen. Als wir auf diesem Wege

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Auguſt.
allen Dingen auch die Schweine gehoͤren, und die beſte Methode, zu hindern,
daß keine neuen Beduͤrfniſſe unter dieſem gluͤcklichen Volke entſtehen moͤgten,
war ohnfehlbar, uns ſo bald als moͤglich zur Abreiſe zu noͤthigen, und hiezu war
die Verſagung der Erfriſchungen, deren wir am mehreſten bedurften, das dienlich-
ſte Mittel. Es iſt wuͤrklich im Ernſte zu wuͤnſchen, daß der Umgang der Euro-
paͤer mit den Einwohnern der Suͤd-See-Inſeln in Zeiten abgebrochen werden
moͤge, ehe die verderbten Sitten der civiliſirtern Voͤlker dieſe unſchuldigen Leute
anſtecken, welche hier in ihrer Unwiſſenheit und Einfalt ſo gluͤcklich leben.
Aber es iſt eine traurige Wahrheit, daß Menſchenliebe und die politiſchen
Syſteme von Europa nicht mit einander harmoniren!

Am folgenden Tage brachten einige unſrer Leute, die einen Spatziergang
an der Kuͤſte gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß ſie Aheatua
angetroffen, und daß er ausdruͤcklich in dieſen Diſtrict gekommen ſey, um uns
Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelaſſen worden, und
Se. Majeſtaͤt hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Haͤlfte ihres Stuhls einem
unſrer Steuermaͤnner, Herrn Smith eingeraͤumt. Auch hatte er ſich gnaͤdigſt
verlauten laſſen, daß es ihm lieb ſeyn ſollte, den Capitain Cook zu ſehen, und
daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablaſſen wolle, wenn dieſer fuͤr jegli-
ches ein Beil zu geben geſonnen ſey. Das war nun allerdings die erfreulichſte
Neuigkeit, die wir ſeit langer Zeit gehoͤrt hatten. Unſre Leute wollten bey die-
ſer Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Geſichtsbil-
dung nach, einem Europaͤer aͤhnlich geweſen, auf ihre Anrede aber unter dem
großen Haufen verſchwunden ſey. Ob es wuͤrklich ein Europaͤer geweſen, oder
ob Tuahau’s Erzaͤhlung ihnen nur im Kopfe geſteckt? koͤnnen wir nicht be-
ſtimmen. So viel aber iſt gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu
ſehen bekommen hat.

Um von Aheatua’s guten Geſinnungen gleich auf friſcher That Ge-
brauch zu machen, begaben ſich die Capitains mit verſchiednen Officiers, imglei-
chen Dr. Sparmann, mein Vater und ich, am folgenden Morgen fruͤh aus Land.
Opao, einer der Indianer, welche uͤber Nacht am Bord geblieben waren,
diente uns zum Fuͤhrer, und rieth uns an, laͤngſt dem Fluſſe, aus dem die
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[230/0283] Forſter’s Reiſe um die Welt allen Dingen auch die Schweine gehoͤren, und die beſte Methode, zu hindern, daß keine neuen Beduͤrfniſſe unter dieſem gluͤcklichen Volke entſtehen moͤgten, war ohnfehlbar, uns ſo bald als moͤglich zur Abreiſe zu noͤthigen, und hiezu war die Verſagung der Erfriſchungen, deren wir am mehreſten bedurften, das dienlich- ſte Mittel. Es iſt wuͤrklich im Ernſte zu wuͤnſchen, daß der Umgang der Euro- paͤer mit den Einwohnern der Suͤd-See-Inſeln in Zeiten abgebrochen werden moͤge, ehe die verderbten Sitten der civiliſirtern Voͤlker dieſe unſchuldigen Leute anſtecken, welche hier in ihrer Unwiſſenheit und Einfalt ſo gluͤcklich leben. Aber es iſt eine traurige Wahrheit, daß Menſchenliebe und die politiſchen Syſteme von Europa nicht mit einander harmoniren! 1773. Auguſt. Am folgenden Tage brachten einige unſrer Leute, die einen Spatziergang an der Kuͤſte gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß ſie Aheatua angetroffen, und daß er ausdruͤcklich in dieſen Diſtrict gekommen ſey, um uns Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelaſſen worden, und Se. Majeſtaͤt hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Haͤlfte ihres Stuhls einem unſrer Steuermaͤnner, Herrn Smith eingeraͤumt. Auch hatte er ſich gnaͤdigſt verlauten laſſen, daß es ihm lieb ſeyn ſollte, den Capitain Cook zu ſehen, und daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablaſſen wolle, wenn dieſer fuͤr jegli- ches ein Beil zu geben geſonnen ſey. Das war nun allerdings die erfreulichſte Neuigkeit, die wir ſeit langer Zeit gehoͤrt hatten. Unſre Leute wollten bey die- ſer Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Geſichtsbil- dung nach, einem Europaͤer aͤhnlich geweſen, auf ihre Anrede aber unter dem großen Haufen verſchwunden ſey. Ob es wuͤrklich ein Europaͤer geweſen, oder ob Tuahau’s Erzaͤhlung ihnen nur im Kopfe geſteckt? koͤnnen wir nicht be- ſtimmen. So viel aber iſt gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu ſehen bekommen hat. Um von Aheatua’s guten Geſinnungen gleich auf friſcher That Ge- brauch zu machen, begaben ſich die Capitains mit verſchiednen Officiers, imglei- chen Dr. Sparmann, mein Vater und ich, am folgenden Morgen fruͤh aus Land. Opao, einer der Indianer, welche uͤber Nacht am Bord geblieben waren, diente uns zum Fuͤhrer, und rieth uns an, laͤngſt dem Fluſſe, aus dem die Waſſerfaͤſſer angefuͤllet wurden, hinauf zu gehen. Als wir auf dieſem Wege

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/283>, abgerufen am 17.06.2024.