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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
ohngefähr eine Meile zurückgelegt hatten, trafen wir einen großen Hau-1773.
August.

fen Menschen an, die, so viel wir erkennen konnten, allerseits ihre Ober-
Kleider hatten herunter fallen lassen, um die Schultern zu entblößen, welche Eh-
renbezeigung nur allein dem Könige wiederfährt. Wir vermutheten daher, daß
er in der Nähe seyn müsse, und fanden ihn auch bald mitten unter diesem Hau-
fen, wo er sich auf einen großen, aus festem Holz verfertigten Stuhl niedergesetzt
hatte, der ihm bis dahin von einem seiner Leute war nachgetragen worden.
Aheatua erinnerte sich Capitain Cooks sobald er ihn ansichtig wurde, und machte
auch gleich Raum für ihn auf feinem Sessel, immittelst Capitain Furneaux und
wir übrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz ge-
nommen, so drängte sich von allen Seiten eine unzählbare Menge Indianer her-
bey, und schloß uns in einen sehr engen Zirkel ein, worinn es bald so heiß
ward, daß des Königs Bediente die Leute oft mit Schlägen zurücktreiben muß-
ten um uns Luft zu schaffen.

O-Aheatua, König von O-Tahiti-iti (Klein-Tahiti) sonst Teiar-
rabu
genannt, war ein junger Mann von siebenzehn bis achtzehn Jahren,
wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anschein
nach, seine völlige Größe noch nicht erreicht hatte. In seiner Mine war et-
was sanftes aber unbedeutendes und hatte sie ja einigen Ausdruck, so verrieth sie,
wenigstens bey unserm ersten Besuche, nichts als Furcht und Mißtrauen,
welches freylich zur Majestät nicht paßt, sondern vielmehr oft das Kennzeichen
eines bösen Gewissens und unrechtmäßiger Herrschaft ist. Er war heller von
Farbe als alle seine Unterthanen, und hatte schlichtes, langes, lichtbraunes Haar,
das an den Spitzen ins röthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung bestand für
diesmal nur in einer breiten Scherfe (Marro) vom feinsten weissen Zeuge, die
von den Hüften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und übrige Theil
des Leibes war unbedeckt. Neben ihm saßen zu beyden Seiten einige Be-
fehlshaber und Adliche, die sich durch ihre große und dicke Statur auszeichne-
ten, ein Vorzug, den diese Classe von Leuten ihrer trägen Lebensart und wohl-
besetzten Tafel zu verdanken hat. Einer derselben war auf eine sonderbare
Weise punctirt, dergleichen wir sonst noch nicht bemerkt; seine Arme, Beine,
Schenkel und Seiten, waren nämlich fast über und über, mit großen schwar-

in den Jahren 1772 bis 1775.
ohngefaͤhr eine Meile zuruͤckgelegt hatten, trafen wir einen großen Hau-1773.
Auguſt.

fen Menſchen an, die, ſo viel wir erkennen konnten, allerſeits ihre Ober-
Kleider hatten herunter fallen laſſen, um die Schultern zu entbloͤßen, welche Eh-
renbezeigung nur allein dem Koͤnige wiederfaͤhrt. Wir vermutheten daher, daß
er in der Naͤhe ſeyn muͤſſe, und fanden ihn auch bald mitten unter dieſem Hau-
fen, wo er ſich auf einen großen, aus feſtem Holz verfertigten Stuhl niedergeſetzt
hatte, der ihm bis dahin von einem ſeiner Leute war nachgetragen worden.
Aheatua erinnerte ſich Capitain Cooks ſobald er ihn anſichtig wurde, und machte
auch gleich Raum fuͤr ihn auf feinem Seſſel, immittelſt Capitain Furneaux und
wir uͤbrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz ge-
nommen, ſo draͤngte ſich von allen Seiten eine unzaͤhlbare Menge Indianer her-
bey, und ſchloß uns in einen ſehr engen Zirkel ein, worinn es bald ſo heiß
ward, daß des Koͤnigs Bediente die Leute oft mit Schlaͤgen zuruͤcktreiben muß-
ten um uns Luft zu ſchaffen.

O-Aheatua, Koͤnig von O-Tahiti-iti (Klein-Tahiti) ſonſt Teiar-
rabu
genannt, war ein junger Mann von ſiebenzehn bis achtzehn Jahren,
wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anſchein
nach, ſeine voͤllige Groͤße noch nicht erreicht hatte. In ſeiner Mine war et-
was ſanftes aber unbedeutendes und hatte ſie ja einigen Ausdruck, ſo verrieth ſie,
wenigſtens bey unſerm erſten Beſuche, nichts als Furcht und Mißtrauen,
welches freylich zur Majeſtaͤt nicht paßt, ſondern vielmehr oft das Kennzeichen
eines boͤſen Gewiſſens und unrechtmaͤßiger Herrſchaft iſt. Er war heller von
Farbe als alle ſeine Unterthanen, und hatte ſchlichtes, langes, lichtbraunes Haar,
das an den Spitzen ins roͤthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung beſtand fuͤr
diesmal nur in einer breiten Scherfe (Marro) vom feinſten weiſſen Zeuge, die
von den Huͤften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und uͤbrige Theil
des Leibes war unbedeckt. Neben ihm ſaßen zu beyden Seiten einige Be-
fehlshaber und Adliche, die ſich durch ihre große und dicke Statur auszeichne-
ten, ein Vorzug, den dieſe Claſſe von Leuten ihrer traͤgen Lebensart und wohl-
beſetzten Tafel zu verdanken hat. Einer derſelben war auf eine ſonderbare
Weiſe punctirt, dergleichen wir ſonſt noch nicht bemerkt; ſeine Arme, Beine,
Schenkel und Seiten, waren naͤmlich faſt uͤber und uͤber, mit großen ſchwar-

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[231/0284] in den Jahren 1772 bis 1775. ohngefaͤhr eine Meile zuruͤckgelegt hatten, trafen wir einen großen Hau- fen Menſchen an, die, ſo viel wir erkennen konnten, allerſeits ihre Ober- Kleider hatten herunter fallen laſſen, um die Schultern zu entbloͤßen, welche Eh- renbezeigung nur allein dem Koͤnige wiederfaͤhrt. Wir vermutheten daher, daß er in der Naͤhe ſeyn muͤſſe, und fanden ihn auch bald mitten unter dieſem Hau- fen, wo er ſich auf einen großen, aus feſtem Holz verfertigten Stuhl niedergeſetzt hatte, der ihm bis dahin von einem ſeiner Leute war nachgetragen worden. Aheatua erinnerte ſich Capitain Cooks ſobald er ihn anſichtig wurde, und machte auch gleich Raum fuͤr ihn auf feinem Seſſel, immittelſt Capitain Furneaux und wir uͤbrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz ge- nommen, ſo draͤngte ſich von allen Seiten eine unzaͤhlbare Menge Indianer her- bey, und ſchloß uns in einen ſehr engen Zirkel ein, worinn es bald ſo heiß ward, daß des Koͤnigs Bediente die Leute oft mit Schlaͤgen zuruͤcktreiben muß- ten um uns Luft zu ſchaffen. 1773. Auguſt. O-Aheatua, Koͤnig von O-Tahiti-iti (Klein-Tahiti) ſonſt Teiar- rabu genannt, war ein junger Mann von ſiebenzehn bis achtzehn Jahren, wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anſchein nach, ſeine voͤllige Groͤße noch nicht erreicht hatte. In ſeiner Mine war et- was ſanftes aber unbedeutendes und hatte ſie ja einigen Ausdruck, ſo verrieth ſie, wenigſtens bey unſerm erſten Beſuche, nichts als Furcht und Mißtrauen, welches freylich zur Majeſtaͤt nicht paßt, ſondern vielmehr oft das Kennzeichen eines boͤſen Gewiſſens und unrechtmaͤßiger Herrſchaft iſt. Er war heller von Farbe als alle ſeine Unterthanen, und hatte ſchlichtes, langes, lichtbraunes Haar, das an den Spitzen ins roͤthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung beſtand fuͤr diesmal nur in einer breiten Scherfe (Marro) vom feinſten weiſſen Zeuge, die von den Huͤften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und uͤbrige Theil des Leibes war unbedeckt. Neben ihm ſaßen zu beyden Seiten einige Be- fehlshaber und Adliche, die ſich durch ihre große und dicke Statur auszeichne- ten, ein Vorzug, den dieſe Claſſe von Leuten ihrer traͤgen Lebensart und wohl- beſetzten Tafel zu verdanken hat. Einer derſelben war auf eine ſonderbare Weiſe punctirt, dergleichen wir ſonſt noch nicht bemerkt; ſeine Arme, Beine, Schenkel und Seiten, waren naͤmlich faſt uͤber und uͤber, mit großen ſchwar-

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/284>, abgerufen am 25.11.2024.