Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. sprang auf den Gewehr-Kasten, der auf dem Hintertheil des Verdeckes stand,1773.Junius. ergrif einen Prügel, machte eine Menge kriegerischer und drohender Stellun- gen damit, und fieng alsdenn an mit vieler Heftigkeit, jedoch in einem feyerlichen Tone gegen sie herabzureden; zu gleicher Zeit schwenkte er, gleichsam herausfor- derungsweise, ein großes Beil von grünen Neu-Seeländischen Stein um den Kopf, welches wir vorher noch nie bey ihm gesehen hatten. Mittlerweile kam das Canot dicht heran, achtete aber im geringsten nicht auf unsern Freund und Vorredner, daher wir ihn auch bathen, er mögte es gut seyn lassen und still schwei- gen. Zwey Leute von einer schönen Statur, standen aufrecht im Canot, der eine auf dem Vordertheil, der andre in der Mitte desselben; die übrigen aber saßen alle. Der erstere hatte einen durchaus schwarzgefärbten Mantel an, der aus dickgewürktem Zeuge gemacht und felderweise mit viereckigen Stücken von Hundefell besetzt war. In der Hand hielt er eine grüne Neu-Seeländische Flachspflanze und ließ von Zeit zu Zeit einzelne Worte von sich hören. Der andre aber hielt eine vernehmlich articulirte, laute und feyerliche Anrede, wußte auch seine Stimme auf eine sehr mannichfaltige Weise bald zu erheben, bald sinken zu lassen. Aus dem verschiednen Tone, in welchem er sprach, und aus den Bewe- gungen, womit er seine Rede begleitete, schien er wechselsweise zu fragen, zu prahlen, zu drohen, herauszufordern und dann, uns wieder gütlich zuzureden. Zu- weilen blieb er lange in einem gemäßigten Tone, mit einem mahle aber ward er alsdann ungewöhnlich laut und schrie so heftig, daß er hernach gemei- niglich eine kleine Pause machen mußte um wieder zu Athem zu kommen. So bald er mit seiner Rede fertig war, nöthigte ihn der Capitain an Bord zu kommen. Anfänglich schien er unschlüßig und besorgt zu seyn, doch währte es nicht lange, so gewann seine natürliche Dreistigkeit über alles Mißtrauen die Oberhand und er kam zum Schiff herauf. Alle seine Leute machten es bald eben so und ein jeder von ihnen begrüßte, so wie er an Bord kam, die bey uns befindli- che indianische Familie, dem Landesgebrauch nach, durch gegenseitiges Aneinan- derhalten der Nasen, oder, wie unsre Matrosen sich auszudrücken beliebten: sie naseten sich untereinander; und eben diese Ehre erwiesen sie uns allen so viel unserer auf dem Verdeck waren. Man nöthigte hierauf die beyden Spre- cher, als die Hauptpersonen, in die Cajütte. Der zweyte, welches der eigent- Forster's Reise u. d. W. erster Th. Y
in den Jahren 1772 bis 1775. ſprang auf den Gewehr-Kaſten, der auf dem Hintertheil des Verdeckes ſtand,1773.Junius. ergrif einen Pruͤgel, machte eine Menge kriegeriſcher und drohender Stellun- gen damit, und fieng alsdenn an mit vieler Heftigkeit, jedoch in einem feyerlichen Tone gegen ſie herabzureden; zu gleicher Zeit ſchwenkte er, gleichſam herausfor- derungsweiſe, ein großes Beil von gruͤnen Neu-Seelaͤndiſchen Stein um den Kopf, welches wir vorher noch nie bey ihm geſehen hatten. Mittlerweile kam das Canot dicht heran, achtete aber im geringſten nicht auf unſern Freund und Vorredner, daher wir ihn auch bathen, er moͤgte es gut ſeyn laſſen und ſtill ſchwei- gen. Zwey Leute von einer ſchoͤnen Statur, ſtanden aufrecht im Canot, der eine auf dem Vordertheil, der andre in der Mitte deſſelben; die uͤbrigen aber ſaßen alle. Der erſtere hatte einen durchaus ſchwarzgefaͤrbten Mantel an, der aus dickgewuͤrktem Zeuge gemacht und felderweiſe mit viereckigen Stuͤcken von Hundefell beſetzt war. In der Hand hielt er eine gruͤne Neu-Seelaͤndiſche Flachspflanze und ließ von Zeit zu Zeit einzelne Worte von ſich hoͤren. Der andre aber hielt eine vernehmlich articulirte, laute und feyerliche Anrede, wußte auch ſeine Stimme auf eine ſehr mannichfaltige Weiſe bald zu erheben, bald ſinken zu laſſen. Aus dem verſchiednen Tone, in welchem er ſprach, und aus den Bewe- gungen, womit er ſeine Rede begleitete, ſchien er wechſelsweiſe zu fragen, zu prahlen, zu drohen, herauszufordern und dann, uns wieder guͤtlich zuzureden. Zu- weilen blieb er lange in einem gemaͤßigten Tone, mit einem mahle aber ward er alsdann ungewoͤhnlich laut und ſchrie ſo heftig, daß er hernach gemei- niglich eine kleine Pauſe machen mußte um wieder zu Athem zu kommen. So bald er mit ſeiner Rede fertig war, noͤthigte ihn der Capitain an Bord zu kommen. Anfaͤnglich ſchien er unſchluͤßig und beſorgt zu ſeyn, doch waͤhrte es nicht lange, ſo gewann ſeine natuͤrliche Dreiſtigkeit uͤber alles Mißtrauen die Oberhand und er kam zum Schiff herauf. Alle ſeine Leute machten es bald eben ſo und ein jeder von ihnen begruͤßte, ſo wie er an Bord kam, die bey uns befindli- che indianiſche Familie, dem Landesgebrauch nach, durch gegenſeitiges Aneinan- derhalten der Naſen, oder, wie unſre Matroſen ſich auszudruͤcken beliebten: ſie naſeten ſich untereinander; und eben dieſe Ehre erwieſen ſie uns allen ſo viel unſerer auf dem Verdeck waren. Man noͤthigte hierauf die beyden Spre- cher, als die Hauptperſonen, in die Cajuͤtte. Der zweyte, welches der eigent- Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. Y
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in den Jahren 1772 bis 1775.
ſprang auf den Gewehr-Kaſten, der auf dem Hintertheil des Verdeckes ſtand,
ergrif einen Pruͤgel, machte eine Menge kriegeriſcher und drohender Stellun-
gen damit, und fieng alsdenn an mit vieler Heftigkeit, jedoch in einem feyerlichen
Tone gegen ſie herabzureden; zu gleicher Zeit ſchwenkte er, gleichſam herausfor-
derungsweiſe, ein großes Beil von gruͤnen Neu-Seelaͤndiſchen Stein um den
Kopf, welches wir vorher noch nie bey ihm geſehen hatten. Mittlerweile kam das
Canot dicht heran, achtete aber im geringſten nicht auf unſern Freund und
Vorredner, daher wir ihn auch bathen, er moͤgte es gut ſeyn laſſen und ſtill ſchwei-
gen. Zwey Leute von einer ſchoͤnen Statur, ſtanden aufrecht im Canot,
der eine auf dem Vordertheil, der andre in der Mitte deſſelben; die uͤbrigen
aber ſaßen alle. Der erſtere hatte einen durchaus ſchwarzgefaͤrbten Mantel an,
der aus dickgewuͤrktem Zeuge gemacht und felderweiſe mit viereckigen Stuͤcken von
Hundefell beſetzt war. In der Hand hielt er eine gruͤne Neu-Seelaͤndiſche
Flachspflanze und ließ von Zeit zu Zeit einzelne Worte von ſich hoͤren. Der
andre aber hielt eine vernehmlich articulirte, laute und feyerliche Anrede, wußte
auch ſeine Stimme auf eine ſehr mannichfaltige Weiſe bald zu erheben, bald ſinken
zu laſſen. Aus dem verſchiednen Tone, in welchem er ſprach, und aus den Bewe-
gungen, womit er ſeine Rede begleitete, ſchien er wechſelsweiſe zu fragen, zu
prahlen, zu drohen, herauszufordern und dann, uns wieder guͤtlich zuzureden. Zu-
weilen blieb er lange in einem gemaͤßigten Tone, mit einem mahle aber
ward er alsdann ungewoͤhnlich laut und ſchrie ſo heftig, daß er hernach gemei-
niglich eine kleine Pauſe machen mußte um wieder zu Athem zu kommen. So
bald er mit ſeiner Rede fertig war, noͤthigte ihn der Capitain an Bord zu
kommen. Anfaͤnglich ſchien er unſchluͤßig und beſorgt zu ſeyn, doch waͤhrte es
nicht lange, ſo gewann ſeine natuͤrliche Dreiſtigkeit uͤber alles Mißtrauen die
Oberhand und er kam zum Schiff herauf. Alle ſeine Leute machten es bald eben
ſo und ein jeder von ihnen begruͤßte, ſo wie er an Bord kam, die bey uns befindli-
che indianiſche Familie, dem Landesgebrauch nach, durch gegenſeitiges Aneinan-
derhalten der Naſen, oder, wie unſre Matroſen ſich auszudruͤcken beliebten: ſie
naſeten ſich untereinander; und eben dieſe Ehre erwieſen ſie uns allen
ſo viel unſerer auf dem Verdeck waren. Man noͤthigte hierauf die beyden Spre-
cher, als die Hauptperſonen, in die Cajuͤtte. Der zweyte, welches der eigent-
1773.
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