Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt

1773.
Junius.

Am dritten Junins wurden einige Boote nach Long-Eyland geschickt, um von
dort her das Heu an Bord zu holen; und da man nunmehro die Schiffe in seegel-
fertigen Stand gesetzt, und Holz und Wasser eingenommen hatte, auch das Volk,
vermittelst der hiesigen gesunden Kräuterkost völlig erfrischt war; so hinderte uns
nichts mehr, bey erster Gelegenheit wiederum abzusegeln. Eins von un-
sern Booten sahe auf seinem Rückwege nach dem Schiffe, ein gros-
ses doppeltes und noch ein andres einfaches Canot, in welchen ohngefähr
funfzig Mann seyn mochten. Beyde Fahrzeuge machten sogleich Jagd auf das
Boot, da aber unsre Leute nicht bewafnet waren, so spannten sie ein Seegel auf
und befanden sich bald so weit von den Neu-Seeländern, daß diese das Nach-
setzen aufgaben und nach Ost-Bay umkehrten, woher sie gekommen waren. Wir
können zwar nicht behaupten, daß sie feindselige Absichten gehabt, allein es
wäre doch der Klugheit nicht gemäß gewesen, wenn es die Unsrigen gleichsam hät-
ten darauf ankommen lassen wollen, unter eine ungleich überlegne Anzahl von
Leuten zu gerathen, die ohne Ueberlegung und Billigkeit, immer nur nach In-
stinkt und Eigensinn zu Werke gehen.

Am folgenden Morgen als den 4ten Junii ließen wir die St. Ge-
orgen-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburts-Tag Sr. Ma-
jestät des Königs mit den zur See gewöhnlichen Feyerlichkeiten zu begehen. Die
indianische Familie, deren Namen ich oben S. 219 angegeben und die nun-
mehro sehr bekannt mit uns geworden war, weil sie ihren Wohnplatz ohnweit
dem Schiffe in einer Bucht aufgeschlagen hatte, kam heute sehr zeitig an Bord.
Als wir uns mit ihnen im Steuer-Raum, eben zum Frühstück niedergesetzt hat-
ten, meldete ein Officier dem Capitain, daß sich, von Norden her, ein großes
doppeltes und stark bemanntes Canot nähere. Wir machten uns also aufs Ver-
deck, und fanden, daß es ohngefähr nur noch einen Büchsenschuß von uns
entfernt und mit acht und zwanzig Mann besetzt war. Sie ruderten bey
der Adventure vorbey und auf unser Schiff zu, vermuthlich, weil sie aus der
Größe desselben schlossen, daß dies das Haupt-Schiff seyn müsse. Die In-
dianer, welche sich bey uns an Bord befanden, behaupteten, daß die Neu-An-
kommenden feindselige Absichten gegen uns hätten; und wollten deshalb, daß
wir auf sie feuern sollten. Ja Towahanga, das Oberhaupt dieser Familie,

sprang
Forſter’s Reiſe um die Welt

1773.
Junius.

Am dritten Junins wurden einige Boote nach Long-Eyland geſchickt, um von
dort her das Heu an Bord zu holen; und da man nunmehro die Schiffe in ſeegel-
fertigen Stand geſetzt, und Holz und Waſſer eingenommen hatte, auch das Volk,
vermittelſt der hieſigen geſunden Kraͤuterkoſt voͤllig erfriſcht war; ſo hinderte uns
nichts mehr, bey erſter Gelegenheit wiederum abzuſegeln. Eins von un-
ſern Booten ſahe auf ſeinem Ruͤckwege nach dem Schiffe, ein groſ-
ſes doppeltes und noch ein andres einfaches Canot, in welchen ohngefaͤhr
funfzig Mann ſeyn mochten. Beyde Fahrzeuge machten ſogleich Jagd auf das
Boot, da aber unſre Leute nicht bewafnet waren, ſo ſpannten ſie ein Seegel auf
und befanden ſich bald ſo weit von den Neu-Seelaͤndern, daß dieſe das Nach-
ſetzen aufgaben und nach Oſt-Bay umkehrten, woher ſie gekommen waren. Wir
koͤnnen zwar nicht behaupten, daß ſie feindſelige Abſichten gehabt, allein es
waͤre doch der Klugheit nicht gemaͤß geweſen, wenn es die Unſrigen gleichſam haͤt-
ten darauf ankommen laſſen wollen, unter eine ungleich uͤberlegne Anzahl von
Leuten zu gerathen, die ohne Ueberlegung und Billigkeit, immer nur nach In-
ſtinkt und Eigenſinn zu Werke gehen.

Am folgenden Morgen als den 4ten Junii ließen wir die St. Ge-
orgen-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburts-Tag Sr. Ma-
jeſtaͤt des Koͤnigs mit den zur See gewoͤhnlichen Feyerlichkeiten zu begehen. Die
indianiſche Familie, deren Namen ich oben S. 219 angegeben und die nun-
mehro ſehr bekannt mit uns geworden war, weil ſie ihren Wohnplatz ohnweit
dem Schiffe in einer Bucht aufgeſchlagen hatte, kam heute ſehr zeitig an Bord.
Als wir uns mit ihnen im Steuer-Raum, eben zum Fruͤhſtuͤck niedergeſetzt hat-
ten, meldete ein Officier dem Capitain, daß ſich, von Norden her, ein großes
doppeltes und ſtark bemanntes Canot naͤhere. Wir machten uns alſo aufs Ver-
deck, und fanden, daß es ohngefaͤhr nur noch einen Buͤchſenſchuß von uns
entfernt und mit acht und zwanzig Mann beſetzt war. Sie ruderten bey
der Adventure vorbey und auf unſer Schiff zu, vermuthlich, weil ſie aus der
Groͤße deſſelben ſchloſſen, daß dies das Haupt-Schiff ſeyn muͤſſe. Die In-
dianer, welche ſich bey uns an Bord befanden, behaupteten, daß die Neu-An-
kommenden feindſelige Abſichten gegen uns haͤtten; und wollten deshalb, daß
wir auf ſie feuern ſollten. Ja Towahanga, das Oberhaupt dieſer Familie,

ſprang
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0219" n="168"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
        <note place="left">1773.<lb/>
Junius.</note>
        <p>Am dritten Junins wurden einige Boote nach <hi rendition="#fr"><placeName>Long-Eyland</placeName></hi> ge&#x017F;chickt, um von<lb/>
dort her das Heu an Bord zu holen; und da man nunmehro die Schiffe in &#x017F;eegel-<lb/>
fertigen Stand ge&#x017F;etzt, und Holz und Wa&#x017F;&#x017F;er eingenommen hatte, auch das Volk,<lb/>
vermittel&#x017F;t der hie&#x017F;igen ge&#x017F;unden Kra&#x0364;uterko&#x017F;t vo&#x0364;llig erfri&#x017F;cht war; &#x017F;o hinderte uns<lb/>
nichts mehr, bey er&#x017F;ter Gelegenheit wiederum abzu&#x017F;egeln. Eins von un-<lb/>
&#x017F;ern Booten &#x017F;ahe auf &#x017F;einem Ru&#x0364;ckwege nach dem Schiffe, ein gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es doppeltes und noch ein andres einfaches Canot, in welchen ohngefa&#x0364;hr<lb/>
funfzig Mann &#x017F;eyn mochten. Beyde Fahrzeuge machten &#x017F;ogleich Jagd auf das<lb/>
Boot, da aber un&#x017F;re Leute nicht bewafnet waren, &#x017F;o &#x017F;pannten &#x017F;ie ein Seegel auf<lb/>
und befanden &#x017F;ich bald &#x017F;o weit von den Neu-Seela&#x0364;ndern, daß die&#x017F;e das Nach-<lb/>
&#x017F;etzen aufgaben und nach <placeName>O&#x017F;t-Bay</placeName> umkehrten, woher &#x017F;ie gekommen waren. Wir<lb/>
ko&#x0364;nnen zwar nicht behaupten, daß &#x017F;ie feind&#x017F;elige Ab&#x017F;ichten gehabt, allein es<lb/>
wa&#x0364;re doch der Klugheit nicht gema&#x0364;ß gewe&#x017F;en, wenn es die Un&#x017F;rigen gleich&#x017F;am ha&#x0364;t-<lb/>
ten darauf ankommen la&#x017F;&#x017F;en wollen, unter eine ungleich u&#x0364;berlegne Anzahl von<lb/>
Leuten zu gerathen, die ohne Ueberlegung und Billigkeit, immer nur nach In-<lb/>
&#x017F;tinkt und Eigen&#x017F;inn zu Werke gehen.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen als den 4ten Junii ließen wir die St. Ge-<lb/>
orgen-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburts-Tag Sr. Ma-<lb/>
je&#x017F;ta&#x0364;t des Ko&#x0364;nigs mit den zur See gewo&#x0364;hnlichen Feyerlichkeiten zu begehen. Die<lb/>
indiani&#x017F;che Familie, deren Namen ich oben S. 219 angegeben und die nun-<lb/>
mehro &#x017F;ehr bekannt mit uns geworden war, weil &#x017F;ie ihren Wohnplatz ohnweit<lb/>
dem Schiffe in einer Bucht aufge&#x017F;chlagen hatte, kam heute &#x017F;ehr zeitig an Bord.<lb/>
Als wir uns mit ihnen im Steuer-Raum, eben zum Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck niederge&#x017F;etzt hat-<lb/>
ten, meldete ein Officier dem Capitain, daß &#x017F;ich, von Norden her, ein großes<lb/>
doppeltes und &#x017F;tark bemanntes Canot na&#x0364;here. Wir machten uns al&#x017F;o aufs Ver-<lb/>
deck, und fanden, daß es ohngefa&#x0364;hr nur noch einen Bu&#x0364;ch&#x017F;en&#x017F;chuß von uns<lb/>
entfernt und mit acht und zwanzig Mann be&#x017F;etzt war. Sie ruderten bey<lb/>
der <hi rendition="#fr">Adventure</hi> vorbey und auf un&#x017F;er Schiff zu, vermuthlich, weil &#x017F;ie aus der<lb/>
Gro&#x0364;ße de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß dies das Haupt-Schiff &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die In-<lb/>
dianer, welche &#x017F;ich bey uns an Bord befanden, behaupteten, daß die Neu-An-<lb/>
kommenden feind&#x017F;elige Ab&#x017F;ichten gegen uns ha&#x0364;tten; und wollten deshalb, daß<lb/>
wir auf &#x017F;ie feuern &#x017F;ollten. Ja <hi rendition="#fr"><persName>Towahanga</persName></hi>, das Oberhaupt die&#x017F;er Familie,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;prang</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0219] Forſter’s Reiſe um die Welt Am dritten Junins wurden einige Boote nach Long-Eyland geſchickt, um von dort her das Heu an Bord zu holen; und da man nunmehro die Schiffe in ſeegel- fertigen Stand geſetzt, und Holz und Waſſer eingenommen hatte, auch das Volk, vermittelſt der hieſigen geſunden Kraͤuterkoſt voͤllig erfriſcht war; ſo hinderte uns nichts mehr, bey erſter Gelegenheit wiederum abzuſegeln. Eins von un- ſern Booten ſahe auf ſeinem Ruͤckwege nach dem Schiffe, ein groſ- ſes doppeltes und noch ein andres einfaches Canot, in welchen ohngefaͤhr funfzig Mann ſeyn mochten. Beyde Fahrzeuge machten ſogleich Jagd auf das Boot, da aber unſre Leute nicht bewafnet waren, ſo ſpannten ſie ein Seegel auf und befanden ſich bald ſo weit von den Neu-Seelaͤndern, daß dieſe das Nach- ſetzen aufgaben und nach Oſt-Bay umkehrten, woher ſie gekommen waren. Wir koͤnnen zwar nicht behaupten, daß ſie feindſelige Abſichten gehabt, allein es waͤre doch der Klugheit nicht gemaͤß geweſen, wenn es die Unſrigen gleichſam haͤt- ten darauf ankommen laſſen wollen, unter eine ungleich uͤberlegne Anzahl von Leuten zu gerathen, die ohne Ueberlegung und Billigkeit, immer nur nach In- ſtinkt und Eigenſinn zu Werke gehen. Am folgenden Morgen als den 4ten Junii ließen wir die St. Ge- orgen-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburts-Tag Sr. Ma- jeſtaͤt des Koͤnigs mit den zur See gewoͤhnlichen Feyerlichkeiten zu begehen. Die indianiſche Familie, deren Namen ich oben S. 219 angegeben und die nun- mehro ſehr bekannt mit uns geworden war, weil ſie ihren Wohnplatz ohnweit dem Schiffe in einer Bucht aufgeſchlagen hatte, kam heute ſehr zeitig an Bord. Als wir uns mit ihnen im Steuer-Raum, eben zum Fruͤhſtuͤck niedergeſetzt hat- ten, meldete ein Officier dem Capitain, daß ſich, von Norden her, ein großes doppeltes und ſtark bemanntes Canot naͤhere. Wir machten uns alſo aufs Ver- deck, und fanden, daß es ohngefaͤhr nur noch einen Buͤchſenſchuß von uns entfernt und mit acht und zwanzig Mann beſetzt war. Sie ruderten bey der Adventure vorbey und auf unſer Schiff zu, vermuthlich, weil ſie aus der Groͤße deſſelben ſchloſſen, daß dies das Haupt-Schiff ſeyn muͤſſe. Die In- dianer, welche ſich bey uns an Bord befanden, behaupteten, daß die Neu-An- kommenden feindſelige Abſichten gegen uns haͤtten; und wollten deshalb, daß wir auf ſie feuern ſollten. Ja Towahanga, das Oberhaupt dieſer Familie, ſprang

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/219
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/219>, abgerufen am 22.11.2024.