Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

te. Wie viele Kräfte unseres Geistes for¬
dern nicht zu ihrer Entwicklung ausseror¬
dentliche Veranlassungen? Dort, wo alles
einen gemessneren Schritt als bisher halten
müsste, dort würden diese Kräfte schlum¬
mern oder doch nie zu ihrer Reise gelan¬
gen; Geister, wie die eines Perikles, eines
Alexander, eines Cäsar, eines Friederich,
hätten keinen Schauplatz mehr. Wo die
Spontaneität der Handlungen wegfällt, ver¬
liert man auch die Übung der Verstandes¬
kräfte; nur im Streit entgegengesetzter Be¬
gierden und Vorstellungsarten offenbart sich
die Vernunft in ihrer erhabenen Grösse;
durch ihn bewährt sich die Vollkommen¬
heit des sittlichen Gefühls als die rührend¬
schöne Blüthe der Menschheit. Nehmen
wir die Kontraste des menschlichen Cha¬
rakters hinweg, geben wir allen Einzelnen
mehrere Vereinigungspunkte und einerlei Be¬

te. Wie viele Kräfte unseres Geistes for¬
dern nicht zu ihrer Entwicklung auſseror¬
dentliche Veranlassungen? Dort, wo alles
einen gemeſsneren Schritt als bisher halten
müſste, dort würden diese Kräfte schlum¬
mern oder doch nie zu ihrer Reiſe gelan¬
gen; Geister, wie die eines Perikles, eines
Alexander, eines Cäsar, eines Friederich,
hätten keinen Schauplatz mehr. Wo die
Spontaneität der Handlungen wegfällt, ver¬
liert man auch die Übung der Verstandes¬
kräfte; nur im Streit entgegengesetzter Be¬
gierden und Vorstellungsarten offenbart sich
die Vernunft in ihrer erhabenen Gröſse;
durch ihn bewährt sich die Vollkommen¬
heit des sittlichen Gefühls als die rührend¬
schöne Blüthe der Menschheit. Nehmen
wir die Kontraste des menschlichen Cha¬
rakters hinweg, geben wir allen Einzelnen
mehrere Vereinigungspunkte und einerlei Be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0406" n="394"/>
te. Wie viele Kräfte unseres Geistes for¬<lb/>
dern nicht zu ihrer Entwicklung au&#x017F;seror¬<lb/>
dentliche Veranlassungen? Dort, wo alles<lb/>
einen geme&#x017F;sneren Schritt als bisher halten<lb/>&#x017F;ste, dort würden diese Kräfte schlum¬<lb/>
mern oder doch nie zu ihrer Rei&#x017F;e gelan¬<lb/>
gen; Geister, wie die eines <hi rendition="#i">Perikles,</hi> eines<lb/><hi rendition="#i">Alexander,</hi> eines <hi rendition="#i">Cäsar,</hi> eines <hi rendition="#i">Friederich,</hi><lb/>
hätten keinen Schauplatz mehr. Wo die<lb/>
Spontaneität der Handlungen wegfällt, ver¬<lb/>
liert man auch die Übung der Verstandes¬<lb/>
kräfte; nur im Streit entgegengesetzter Be¬<lb/>
gierden und Vorstellungsarten offenbart sich<lb/>
die Vernunft in ihrer erhabenen Grö&#x017F;se;<lb/>
durch ihn bewährt sich die Vollkommen¬<lb/>
heit des sittlichen Gefühls als die rührend¬<lb/>
schöne Blüthe der Menschheit. Nehmen<lb/>
wir die Kontraste des menschlichen Cha¬<lb/>
rakters hinweg, geben wir allen Einzelnen<lb/>
mehrere Vereinigungspunkte und einerlei Be¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0406] te. Wie viele Kräfte unseres Geistes for¬ dern nicht zu ihrer Entwicklung auſseror¬ dentliche Veranlassungen? Dort, wo alles einen gemeſsneren Schritt als bisher halten müſste, dort würden diese Kräfte schlum¬ mern oder doch nie zu ihrer Reiſe gelan¬ gen; Geister, wie die eines Perikles, eines Alexander, eines Cäsar, eines Friederich, hätten keinen Schauplatz mehr. Wo die Spontaneität der Handlungen wegfällt, ver¬ liert man auch die Übung der Verstandes¬ kräfte; nur im Streit entgegengesetzter Be¬ gierden und Vorstellungsarten offenbart sich die Vernunft in ihrer erhabenen Gröſse; durch ihn bewährt sich die Vollkommen¬ heit des sittlichen Gefühls als die rührend¬ schöne Blüthe der Menschheit. Nehmen wir die Kontraste des menschlichen Cha¬ rakters hinweg, geben wir allen Einzelnen mehrere Vereinigungspunkte und einerlei Be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/406
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/406>, abgerufen am 22.11.2024.