Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

setzt: der Herrscher solle der weiseste und
beste Mann im Staate seyn; wenn es sich
nun aber fände, dass der Wechsel der Zei¬
ten und Generationen die Beherrschten wei¬
ser und besser gemacht, den Regenten hin¬
gegen hätte an Herz und Verstand verar¬
men lassen; wenn sie sich nicht so schwach
an Geiste fühlten, als ihre blödsinnigen
Voreltern, so frage es sich: müsse sie da
der Vertrag noch binden, oder müsse nicht
vielmehr der Fürst mit ihnen seine Rolle
vertauschen? -- Du siehst, die Politik hat
ihre Antinomien wie eine jede menschliche
Wissenschaft, und es giebt in der Welt
nichts Absolutes, nichts Positives, nichts
Unbedingtes, als das für sich Bestehende,
welches wir aber nicht kennen. Nur Be¬
dingnisse des Wesentlichen können wir wahr¬
nehmen; und auch diese modificiren sich
nach Ort und Zeit. Die Philosophie darf

B b 2

setzt: der Herrscher solle der weiseste und
beste Mann im Staate seyn; wenn es sich
nun aber fände, daſs der Wechsel der Zei¬
ten und Generationen die Beherrschten wei¬
ser und besser gemacht, den Regenten hin¬
gegen hätte an Herz und Verstand verar¬
men lassen; wenn sie sich nicht so schwach
an Geiste fühlten, als ihre blödsinnigen
Voreltern, so frage es sich: müsse sie da
der Vertrag noch binden, oder müsse nicht
vielmehr der Fürst mit ihnen seine Rolle
vertauschen? — Du siehst, die Politik hat
ihre Antinomien wie eine jede menschliche
Wissenschaft, und es giebt in der Welt
nichts Absolutes, nichts Positives, nichts
Unbedingtes, als das für sich Bestehende,
welches wir aber nicht kennen. Nur Be¬
dingnisse des Wesentlichen können wir wahr¬
nehmen; und auch diese modificiren sich
nach Ort und Zeit. Die Philosophie darf

B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0399" n="387"/>
setzt: der Herrscher solle der weiseste und<lb/>
beste Mann im Staate seyn; wenn es sich<lb/>
nun aber fände, da&#x017F;s der Wechsel der Zei¬<lb/>
ten und Generationen die Beherrschten wei¬<lb/>
ser und besser gemacht, den Regenten hin¬<lb/>
gegen hätte an Herz und Verstand verar¬<lb/>
men lassen; wenn sie sich nicht so schwach<lb/>
an Geiste fühlten, als ihre blödsinnigen<lb/>
Voreltern, so frage es sich: müsse sie da<lb/>
der Vertrag noch binden, oder müsse nicht<lb/>
vielmehr der Fürst mit ihnen seine Rolle<lb/>
vertauschen? &#x2014; Du siehst, die Politik hat<lb/>
ihre Antinomien wie eine jede menschliche<lb/>
Wissenschaft, und es giebt in der Welt<lb/>
nichts Absolutes, nichts Positives, nichts<lb/>
Unbedingtes, als das für sich Bestehende,<lb/>
welches wir aber nicht kennen. Nur Be¬<lb/>
dingnisse des Wesentlichen können wir wahr¬<lb/>
nehmen; und auch diese modificiren sich<lb/>
nach Ort und Zeit. Die Philosophie darf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0399] setzt: der Herrscher solle der weiseste und beste Mann im Staate seyn; wenn es sich nun aber fände, daſs der Wechsel der Zei¬ ten und Generationen die Beherrschten wei¬ ser und besser gemacht, den Regenten hin¬ gegen hätte an Herz und Verstand verar¬ men lassen; wenn sie sich nicht so schwach an Geiste fühlten, als ihre blödsinnigen Voreltern, so frage es sich: müsse sie da der Vertrag noch binden, oder müsse nicht vielmehr der Fürst mit ihnen seine Rolle vertauschen? — Du siehst, die Politik hat ihre Antinomien wie eine jede menschliche Wissenschaft, und es giebt in der Welt nichts Absolutes, nichts Positives, nichts Unbedingtes, als das für sich Bestehende, welches wir aber nicht kennen. Nur Be¬ dingnisse des Wesentlichen können wir wahr¬ nehmen; und auch diese modificiren sich nach Ort und Zeit. Die Philosophie darf B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/399
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/399>, abgerufen am 08.05.2024.