Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

eben so unmöglich seyn wird, unsere Hie¬
roglyphen, als es uns jetzt ist, die ägypti¬
schen, zu entziffern; dann bliebe dieses Ge¬
mälde, falls ein glücklicher Zufall es bis
dahin erhielte, jener späten Nachwelt ein
Vereinigungspunkt mit der Blüthezeit unse¬
rer heutigen Kunst; ein Spiegel, in welchem
man die Bildungsstufe und den Geist des
vergangenen Geschlechts deutlich erkennen,
und ein lebendiges, so lang' es Menschen
giebt, verständliches Wort, wodurch man
vernehmen würde, wie einst der Sterbliche
empfand und dachte, der dieses Zeugniss
seiner Schöpferkraft hinterliess.

Kraft in Ruhe, nicht Abspannung, son¬
dern Gleichgewicht; dies ist das aufgelösete
Problem. Wir sehen einen Mann in Jüng¬
lingsschönheit sitzen; der Körper ruhet, doch
nur vermittelst wirkender Muskeln, und
der rechte Arm schwebt frei mit der ge¬

P 5

eben so unmöglich seyn wird, unsere Hie¬
roglyphen, als es uns jetzt ist, die ägypti¬
schen, zu entziffern; dann bliebe dieses Ge¬
mälde, falls ein glücklicher Zufall es bis
dahin erhielte, jener späten Nachwelt ein
Vereinigungspunkt mit der Blüthezeit unse¬
rer heutigen Kunst; ein Spiegel, in welchem
man die Bildungsstufe und den Geist des
vergangenen Geschlechts deutlich erkennen,
und ein lebendiges, so lang’ es Menschen
giebt, verständliches Wort, wodurch man
vernehmen würde, wie einst der Sterbliche
empfand und dachte, der dieses Zeugniſs
seiner Schöpferkraft hinterlieſs.

Kraft in Ruhe, nicht Abspannung, son¬
dern Gleichgewicht; dies ist das aufgelösete
Problem. Wir sehen einen Mann in Jüng¬
lingsschönheit sitzen; der Körper ruhet, doch
nur vermittelst wirkender Muskeln, und
der rechte Arm schwebt frei mit der ge¬

P 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0245" n="233"/>
eben so unmöglich seyn wird, unsere Hie¬<lb/>
roglyphen, als es uns jetzt ist, die ägypti¬<lb/>
schen, zu entziffern; dann bliebe dieses Ge¬<lb/>
mälde, falls ein glücklicher Zufall es bis<lb/>
dahin erhielte, jener späten Nachwelt ein<lb/>
Vereinigungspunkt mit der Blüthezeit unse¬<lb/>
rer heutigen Kunst; ein Spiegel, in welchem<lb/>
man die Bildungsstufe und den Geist des<lb/>
vergangenen Geschlechts deutlich erkennen,<lb/>
und ein lebendiges, so lang&#x2019; es Menschen<lb/>
giebt, verständliches Wort, wodurch man<lb/>
vernehmen würde, wie einst der Sterbliche<lb/>
empfand und dachte, der dieses Zeugni&#x017F;s<lb/>
seiner Schöpferkraft hinterlie&#x017F;s.</p><lb/>
          <p>Kraft in Ruhe, nicht Abspannung, son¬<lb/>
dern Gleichgewicht; dies ist das aufgelösete<lb/>
Problem. Wir sehen einen Mann in Jüng¬<lb/>
lingsschönheit sitzen; der Körper ruhet, doch<lb/>
nur vermittelst wirkender Muskeln, und<lb/>
der rechte Arm schwebt frei mit der ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 5<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0245] eben so unmöglich seyn wird, unsere Hie¬ roglyphen, als es uns jetzt ist, die ägypti¬ schen, zu entziffern; dann bliebe dieses Ge¬ mälde, falls ein glücklicher Zufall es bis dahin erhielte, jener späten Nachwelt ein Vereinigungspunkt mit der Blüthezeit unse¬ rer heutigen Kunst; ein Spiegel, in welchem man die Bildungsstufe und den Geist des vergangenen Geschlechts deutlich erkennen, und ein lebendiges, so lang’ es Menschen giebt, verständliches Wort, wodurch man vernehmen würde, wie einst der Sterbliche empfand und dachte, der dieses Zeugniſs seiner Schöpferkraft hinterlieſs. Kraft in Ruhe, nicht Abspannung, son¬ dern Gleichgewicht; dies ist das aufgelösete Problem. Wir sehen einen Mann in Jüng¬ lingsschönheit sitzen; der Körper ruhet, doch nur vermittelst wirkender Muskeln, und der rechte Arm schwebt frei mit der ge¬ P 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/245
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/245>, abgerufen am 22.11.2024.