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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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liebe Freundin Victoire (die zu größerer Sicherheit
vielleicht eine Zeile schreibt) Ihr Schach."

"Nun, Victoire, was lassen wir sagen . . ?"

"Aber Du kannst doch nicht ernsthaft fragen
Mama?"

"Nun denn also ,ja'."

Victoire hatte sich mittlerweile bereits an den
Schreibtisch gesetzt, und ihre Feder kritzelte: "Herzlichst
acceptiert, trotzdem die Ziele vorläufig im Dunkeln
bleiben. Aber ist der Entscheidungsmoment erst da,
so wird er uns auch das Richtige wählen lassen."

Frau von Carayon las über Victoires Schulter
fort. "Es klingt so vieldeutig," sagte sie.

"So will ich ein bloßes Ja schreiben, und Du
kontrasignierst."

"Nein; laß es nur."

Und Victoire schloß das Blatt, und gab es dem
draußen wartendem Groom.

Als sie vom Flur her in das Zimmer zurück¬
kehrte, fand sie die Mama nachdenklich. "Ich liebe
solche Pikanterien nicht, und am wenigsten solche
Rätselsätze."

"Du dürftest sie auch nicht schreiben. Aber ich?
Ich darf alles. Und nun höre mich. Es muß etwas
geschehen, Mama. Die Leute reden so viel, auch
schon zu mir, und da Schach immer noch schweigt

liebe Freundin Victoire (die zu größerer Sicherheit
vielleicht eine Zeile ſchreibt) Ihr Schach.“

„Nun, Victoire, was laſſen wir ſagen . . ?“

„Aber Du kannſt doch nicht ernſthaft fragen
Mama?“

„Nun denn alſo ,ja‘.“

Victoire hatte ſich mittlerweile bereits an den
Schreibtiſch geſetzt, und ihre Feder kritzelte: „Herzlichſt
acceptiert, trotzdem die Ziele vorläufig im Dunkeln
bleiben. Aber iſt der Entſcheidungsmoment erſt da,
ſo wird er uns auch das Richtige wählen laſſen.“

Frau von Carayon las über Victoires Schulter
fort. „Es klingt ſo vieldeutig,“ ſagte ſie.

„So will ich ein bloßes Ja ſchreiben, und Du
kontraſignierſt.“

„Nein; laß es nur.“

Und Victoire ſchloß das Blatt, und gab es dem
draußen wartendem Groom.

Als ſie vom Flur her in das Zimmer zurück¬
kehrte, fand ſie die Mama nachdenklich. „Ich liebe
ſolche Pikanterien nicht, und am wenigſten ſolche
Rätſelſätze.“

„Du dürfteſt ſie auch nicht ſchreiben. Aber ich?
Ich darf alles. Und nun höre mich. Es muß etwas
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[38/0050] liebe Freundin Victoire (die zu größerer Sicherheit vielleicht eine Zeile ſchreibt) Ihr Schach.“ „Nun, Victoire, was laſſen wir ſagen . . ?“ „Aber Du kannſt doch nicht ernſthaft fragen Mama?“ „Nun denn alſo ,ja‘.“ Victoire hatte ſich mittlerweile bereits an den Schreibtiſch geſetzt, und ihre Feder kritzelte: „Herzlichſt acceptiert, trotzdem die Ziele vorläufig im Dunkeln bleiben. Aber iſt der Entſcheidungsmoment erſt da, ſo wird er uns auch das Richtige wählen laſſen.“ Frau von Carayon las über Victoires Schulter fort. „Es klingt ſo vieldeutig,“ ſagte ſie. „So will ich ein bloßes Ja ſchreiben, und Du kontraſignierſt.“ „Nein; laß es nur.“ Und Victoire ſchloß das Blatt, und gab es dem draußen wartendem Groom. Als ſie vom Flur her in das Zimmer zurück¬ kehrte, fand ſie die Mama nachdenklich. „Ich liebe ſolche Pikanterien nicht, und am wenigſten ſolche Rätſelſätze.“ „Du dürfteſt ſie auch nicht ſchreiben. Aber ich? Ich darf alles. Und nun höre mich. Es muß etwas geſchehen, Mama. Die Leute reden ſo viel, auch ſchon zu mir, und da Schach immer noch ſchweigt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/50>, abgerufen am 21.11.2024.