Götter neben sich duldete, warf sich in seinen Stuhl zurück und sagte, während er sein Kinn und seinen Spitzbart strich: "Es wird Sie nicht überraschen, mich im Dissens zu finden."
"O, gewiß nicht," lachte Sander.
"Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob ich durch einen solchen Dissens irgendwie den Anwalt dieses pfäffischen Zacharias Werner zu machen gedächte, der mir in seinen mystisch-romantischen Tendenzen ein¬ fach zuwider ist. Ich bin Niemandes Anwalt. . . ."
"Auch nicht Luthers?" fragte Schach ironisch.
"Auch nicht Luthers!"
"Ein Glück, daß er dessen entbehren kann....."
"Aber auf wie lange?" fuhr Bülow sich auf¬ richtend fort. "Glauben Sie mir, Herr v. Schach, auch er ist in der Decadence, wie so viel anderes mit ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬ schaft der Welt ihn halten können."
"Ich habe Napoleon von einer ,Episode Preußen' sprechen hören," erwiderte Schach. "Wollen uns die Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze, vielleicht auch mit einer ,Episode Luther' beglücken?"
"Es ist so. Sie treffen es. Übrigens sind nicht wir es, die dies Episodentum schaffen wollen. Der¬ gleichen schafft nicht der Einzelne, die Geschichte schafft es. Und dabei wird sich ein wunderbarer Zusammen¬ hang zwischen der Episode Preußen und der Episode
2
Götter neben ſich duldete, warf ſich in ſeinen Stuhl zurück und ſagte, während er ſein Kinn und ſeinen Spitzbart ſtrich: „Es wird Sie nicht überraſchen, mich im Diſſens zu finden.“
„O, gewiß nicht,“ lachte Sander.
„Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob ich durch einen ſolchen Diſſens irgendwie den Anwalt dieſes pfäffiſchen Zacharias Werner zu machen gedächte, der mir in ſeinen myſtiſch-romantiſchen Tendenzen ein¬ fach zuwider iſt. Ich bin Niemandes Anwalt. . . .“
„Auch nicht Luthers?“ fragte Schach ironiſch.
„Auch nicht Luthers!“
„Ein Glück, daß er deſſen entbehren kann.....“
„Aber auf wie lange?“ fuhr Bülow ſich auf¬ richtend fort. „Glauben Sie mir, Herr v. Schach, auch er iſt in der Decadence, wie ſo viel anderes mit ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬ ſchaft der Welt ihn halten können.“
„Ich habe Napoleon von einer ,Epiſode Preußen‘ ſprechen hören,“ erwiderte Schach. „Wollen uns die Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze, vielleicht auch mit einer ‚Epiſode Luther‘ beglücken?“
„Es iſt ſo. Sie treffen es. Übrigens ſind nicht wir es, die dies Epiſodentum ſchaffen wollen. Der¬ gleichen ſchafft nicht der Einzelne, die Geſchichte ſchafft es. Und dabei wird ſich ein wunderbarer Zuſammen¬ hang zwiſchen der Epiſode Preußen und der Epiſode
2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0029"n="17"/>
Götter neben ſich duldete, warf ſich in ſeinen Stuhl<lb/>
zurück und ſagte, während er ſein Kinn und ſeinen<lb/>
Spitzbart ſtrich: „Es wird Sie nicht überraſchen, mich<lb/>
im Diſſens zu finden.“</p><lb/><p>„O, gewiß nicht,“ lachte Sander.</p><lb/><p>„Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob<lb/>
ich durch einen ſolchen Diſſens irgendwie den Anwalt<lb/>
dieſes pfäffiſchen Zacharias Werner zu machen gedächte,<lb/>
der mir in ſeinen myſtiſch-romantiſchen Tendenzen ein¬<lb/>
fach zuwider iſt. Ich bin Niemandes Anwalt. . . .“</p><lb/><p>„Auch nicht Luthers?“ fragte Schach ironiſch.</p><lb/><p>„Auch nicht Luthers!“</p><lb/><p>„Ein Glück, daß er deſſen entbehren kann.....“</p><lb/><p>„Aber auf wie lange?“ fuhr Bülow ſich auf¬<lb/>
richtend fort. „Glauben Sie mir, Herr v. Schach,<lb/>
auch <hirendition="#g">er</hi> iſt in der Decadence, wie ſo viel anderes mit<lb/>
ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬<lb/>ſchaft der Welt ihn halten können.“</p><lb/><p>„Ich habe Napoleon von einer ,Epiſode Preußen‘<lb/>ſprechen hören,“ erwiderte Schach. „Wollen uns die<lb/>
Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze,<lb/>
vielleicht auch mit einer ‚Epiſode Luther‘ beglücken?“</p><lb/><p>„Es iſt ſo. Sie treffen es. Übrigens ſind nicht<lb/><hirendition="#g">wir</hi> es, die dies Epiſodentum ſchaffen wollen. Der¬<lb/>
gleichen ſchafft nicht der Einzelne, die Geſchichte ſchafft<lb/>
es. Und dabei wird ſich ein wunderbarer Zuſammen¬<lb/>
hang zwiſchen der Epiſode Preußen und der Epiſode<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[17/0029]
Götter neben ſich duldete, warf ſich in ſeinen Stuhl
zurück und ſagte, während er ſein Kinn und ſeinen
Spitzbart ſtrich: „Es wird Sie nicht überraſchen, mich
im Diſſens zu finden.“
„O, gewiß nicht,“ lachte Sander.
„Nur dagegen möcht' ich mich verwahren, als ob
ich durch einen ſolchen Diſſens irgendwie den Anwalt
dieſes pfäffiſchen Zacharias Werner zu machen gedächte,
der mir in ſeinen myſtiſch-romantiſchen Tendenzen ein¬
fach zuwider iſt. Ich bin Niemandes Anwalt. . . .“
„Auch nicht Luthers?“ fragte Schach ironiſch.
„Auch nicht Luthers!“
„Ein Glück, daß er deſſen entbehren kann.....“
„Aber auf wie lange?“ fuhr Bülow ſich auf¬
richtend fort. „Glauben Sie mir, Herr v. Schach,
auch er iſt in der Decadence, wie ſo viel anderes mit
ihm, und über ein Kleines wird keine Generalanwalt¬
ſchaft der Welt ihn halten können.“
„Ich habe Napoleon von einer ,Epiſode Preußen‘
ſprechen hören,“ erwiderte Schach. „Wollen uns die
Herren Neuerer, und Herr v. Bülow an ihrer Spitze,
vielleicht auch mit einer ‚Epiſode Luther‘ beglücken?“
„Es iſt ſo. Sie treffen es. Übrigens ſind nicht
wir es, die dies Epiſodentum ſchaffen wollen. Der¬
gleichen ſchafft nicht der Einzelne, die Geſchichte ſchafft
es. Und dabei wird ſich ein wunderbarer Zuſammen¬
hang zwiſchen der Epiſode Preußen und der Epiſode
2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/29>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.