Luther herausstellen. Es heißt auch da wieder: ,Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich will Dir sagen, wer Du bist.' Ich bekenne, daß ich die Tage Preußens gezählt glaube, und ,wenn der Mantel fällt, muß der Herzog nach.' Ich über¬ lass' es Ihnen, die Rollen dabei zu verteilen. Die Zusammenhänge zwischen Staat und Kirche werden nicht genugsam gewürdigt; jeder Staat ist in ge¬ wissem Sinne zugleich auch ein Kirchenstaat; er schließt eine Ehe mit der Kirche, und soll diese Ehe glücklich sein, so müssen beide zu einander passen. In Preußen passen sie zu einander. Und warum? Weil beide gleich dürftig angelegt, gleich eng geraten sind. Es sind Kleinexistenzen, beide bestimmt in etwas Größerem auf- oder unterzugehen. Und zwar bald. Hannibal ante portas."
"Ich glaubte Sie dahin verstanden zu haben," erwiderte Schach, "daß uns Graf Haugwitz nicht den Untergang, wohl aber die Rettung und den Frieden gebracht habe."
"Das hat er. Aber er kann unser Geschick nicht wenden, wenigstens auf die Dauer nicht. Dies Ge¬ schick heißt Einverleibung in das Universelle. Der nationale wie der konfessionelle Standpunkt sind hinschwindende Dinge, vor allem aber ist es der preußische Standpunkt und sein alter ego der lutherische. Beide sind künstliche Größen. Ich frage, was be¬
Luther herausſtellen. Es heißt auch da wieder: ‚Sage mir, mit wem Du umgehſt, und ich will Dir ſagen, wer Du biſt.‘ Ich bekenne, daß ich die Tage Preußens gezählt glaube, und ,wenn der Mantel fällt, muß der Herzog nach.‘ Ich über¬ laſſ' es Ihnen, die Rollen dabei zu verteilen. Die Zuſammenhänge zwiſchen Staat und Kirche werden nicht genugſam gewürdigt; jeder Staat iſt in ge¬ wiſſem Sinne zugleich auch ein Kirchenſtaat; er ſchließt eine Ehe mit der Kirche, und ſoll dieſe Ehe glücklich ſein, ſo müſſen beide zu einander paſſen. In Preußen paſſen ſie zu einander. Und warum? Weil beide gleich dürftig angelegt, gleich eng geraten ſind. Es ſind Kleinexiſtenzen, beide beſtimmt in etwas Größerem auf- oder unterzugehen. Und zwar bald. Hannibal ante portas.“
„Ich glaubte Sie dahin verſtanden zu haben,“ erwiderte Schach, „daß uns Graf Haugwitz nicht den Untergang, wohl aber die Rettung und den Frieden gebracht habe.“
„Das hat er. Aber er kann unſer Geſchick nicht wenden, wenigſtens auf die Dauer nicht. Dies Ge¬ ſchick heißt Einverleibung in das Univerſelle. Der nationale wie der konfeſſionelle Standpunkt ſind hinſchwindende Dinge, vor allem aber iſt es der preußiſche Standpunkt und ſein alter ego der lutheriſche. Beide ſind künſtliche Größen. Ich frage, was be¬
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Luther herausſtellen. Es heißt auch da wieder:
‚Sage mir, mit wem Du umgehſt, und ich will
Dir ſagen, wer Du biſt.‘ Ich bekenne, daß
ich die Tage Preußens gezählt glaube, und ,wenn
der Mantel fällt, muß der Herzog nach.‘ Ich über¬
laſſ' es Ihnen, die Rollen dabei zu verteilen. Die
Zuſammenhänge zwiſchen Staat und Kirche werden
nicht genugſam gewürdigt; jeder Staat iſt in ge¬
wiſſem Sinne zugleich auch ein Kirchenſtaat; er
ſchließt eine Ehe mit der Kirche, und ſoll dieſe Ehe
glücklich ſein, ſo müſſen beide zu einander paſſen. In
Preußen paſſen ſie zu einander. Und warum? Weil
beide gleich dürftig angelegt, gleich eng geraten ſind.
Es ſind Kleinexiſtenzen, beide beſtimmt in etwas
Größerem auf- oder unterzugehen. Und zwar bald.
Hannibal ante portas.“
„Ich glaubte Sie dahin verſtanden zu haben,“
erwiderte Schach, „daß uns Graf Haugwitz nicht den
Untergang, wohl aber die Rettung und den Frieden
gebracht habe.“
„Das hat er. Aber er kann unſer Geſchick nicht
wenden, wenigſtens auf die Dauer nicht. Dies Ge¬
ſchick heißt Einverleibung in das Univerſelle. Der
nationale wie der konfeſſionelle Standpunkt ſind
hinſchwindende Dinge, vor allem aber iſt es der
preußiſche Standpunkt und ſein alter ego der lutheriſche.
Beide ſind künſtliche Größen. Ich frage, was be¬
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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/30>, abgerufen am 22.07.2024.
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