Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Stunden die Königin zurück, und um nicht gestört zu
werden in der Freude des Wiedersehns, deshalb be¬
findet er sich hier, deshalb ist er hierher gegangen
nach Paretz. Und nun läuft ihm in dies Idyll ein
Rechtsfall und eine Streitsache nach. Und eine Streit¬
sache von so delikater Natur. Ja, wirklich ein Schaber¬
nack ist es, und ein rechtes Schnippchen, das ihm die
Laune der Frau Fortuna schlägt. Er will sich seines
Liebesglückes freuen (Sie wissen wie sehr er die
Königin liebt) und in demselben Augenblicke fast, der
ihm sein Liebesglück bringen soll, hört er eine Ge¬
schichte von unglücklicher Liebe. Das verstimmt ihn.
Aber er ist zu gütig, um dieser Verstimmung nicht
Herr zu werden, und treffen wirs nur einigermaßen
leidlich, so müssen wir uns aus eben diesem Zu¬
sammentreffen auch noch einen besonderen Vorteil zu
ziehen wissen. Denn das eigne Glück, das er erwartet,
wird ihn nur noch geneigter machen als sonst, das
getrübte Glück andrer wieder herzustellen. Ich kenn
ihn ganz in seinem Rechtsgefühl und in der Güte
seines Herzens. Und so geh ich denn, meine teure
Frau, Sie bei dem Könige zu melden."

Er hielt aber plötzlich wie nachdenkend inne,
wandte sich noch einmal wieder und setzte hinzu: "Irr
ich nicht, so hat er sich eben in den Park begeben.
Ich kenne seinen Lieblingsplatz. Lassen Sie mich also
sehen. In wenig Minuten bring ich Ihnen Antwort,

Stunden die Königin zurück, und um nicht geſtört zu
werden in der Freude des Wiederſehns, deshalb be¬
findet er ſich hier, deshalb iſt er hierher gegangen
nach Paretz. Und nun läuft ihm in dies Idyll ein
Rechtsfall und eine Streitſache nach. Und eine Streit¬
ſache von ſo delikater Natur. Ja, wirklich ein Schaber¬
nack iſt es, und ein rechtes Schnippchen, das ihm die
Laune der Frau Fortuna ſchlägt. Er will ſich ſeines
Liebesglückes freuen (Sie wiſſen wie ſehr er die
Königin liebt) und in demſelben Augenblicke faſt, der
ihm ſein Liebesglück bringen ſoll, hört er eine Ge¬
ſchichte von unglücklicher Liebe. Das verſtimmt ihn.
Aber er iſt zu gütig, um dieſer Verſtimmung nicht
Herr zu werden, und treffen wirs nur einigermaßen
leidlich, ſo müſſen wir uns aus eben dieſem Zu¬
ſammentreffen auch noch einen beſonderen Vorteil zu
ziehen wiſſen. Denn das eigne Glück, das er erwartet,
wird ihn nur noch geneigter machen als ſonſt, das
getrübte Glück andrer wieder herzuſtellen. Ich kenn
ihn ganz in ſeinem Rechtsgefühl und in der Güte
ſeines Herzens. Und ſo geh ich denn, meine teure
Frau, Sie bei dem Könige zu melden.“

Er hielt aber plötzlich wie nachdenkend inne,
wandte ſich noch einmal wieder und ſetzte hinzu: „Irr
ich nicht, ſo hat er ſich eben in den Park begeben.
Ich kenne ſeinen Lieblingsplatz. Laſſen Sie mich alſo
ſehen. In wenig Minuten bring ich Ihnen Antwort,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="191"/>
Stunden die Königin zurück, und um nicht ge&#x017F;tört zu<lb/>
werden in der Freude des Wieder&#x017F;ehns, <hi rendition="#g">des</hi>halb be¬<lb/>
findet er &#x017F;ich hier, <hi rendition="#g">des</hi>halb i&#x017F;t er hierher gegangen<lb/>
nach Paretz. Und nun läuft ihm in dies Idyll ein<lb/>
Rechtsfall und eine Streit&#x017F;ache nach. Und eine Streit¬<lb/>
&#x017F;ache von &#x017F;o delikater Natur. Ja, wirklich ein Schaber¬<lb/>
nack i&#x017F;t es, und ein rechtes Schnippchen, das ihm die<lb/>
Laune der Frau Fortuna &#x017F;chlägt. Er will &#x017F;ich &#x017F;eines<lb/>
Liebesglückes freuen (Sie wi&#x017F;&#x017F;en wie &#x017F;ehr er die<lb/>
Königin liebt) und in dem&#x017F;elben Augenblicke fa&#x017F;t, der<lb/>
ihm &#x017F;ein Liebesglück bringen &#x017F;oll, hört er eine Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte von unglücklicher Liebe. Das ver&#x017F;timmt ihn.<lb/>
Aber er i&#x017F;t zu gütig, um die&#x017F;er Ver&#x017F;timmung nicht<lb/>
Herr zu werden, und treffen wirs nur einigermaßen<lb/>
leidlich, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en wir uns aus eben die&#x017F;em Zu¬<lb/>
&#x017F;ammentreffen auch noch einen be&#x017F;onderen Vorteil zu<lb/>
ziehen wi&#x017F;&#x017F;en. Denn das eigne Glück, das er erwartet,<lb/>
wird ihn nur noch geneigter machen als &#x017F;on&#x017F;t, das<lb/>
getrübte Glück andrer wieder herzu&#x017F;tellen. Ich kenn<lb/>
ihn ganz in &#x017F;einem Rechtsgefühl und in der Güte<lb/>
&#x017F;eines Herzens. Und &#x017F;o geh ich denn, meine teure<lb/>
Frau, Sie bei dem Könige zu melden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er hielt aber plötzlich wie nachdenkend inne,<lb/>
wandte &#x017F;ich noch einmal wieder und &#x017F;etzte hinzu: &#x201E;Irr<lb/>
ich nicht, &#x017F;o hat er &#x017F;ich eben in den Park begeben.<lb/>
Ich kenne &#x017F;einen Lieblingsplatz. La&#x017F;&#x017F;en Sie mich al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehen. In wenig Minuten bring ich Ihnen Antwort,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0203] Stunden die Königin zurück, und um nicht geſtört zu werden in der Freude des Wiederſehns, deshalb be¬ findet er ſich hier, deshalb iſt er hierher gegangen nach Paretz. Und nun läuft ihm in dies Idyll ein Rechtsfall und eine Streitſache nach. Und eine Streit¬ ſache von ſo delikater Natur. Ja, wirklich ein Schaber¬ nack iſt es, und ein rechtes Schnippchen, das ihm die Laune der Frau Fortuna ſchlägt. Er will ſich ſeines Liebesglückes freuen (Sie wiſſen wie ſehr er die Königin liebt) und in demſelben Augenblicke faſt, der ihm ſein Liebesglück bringen ſoll, hört er eine Ge¬ ſchichte von unglücklicher Liebe. Das verſtimmt ihn. Aber er iſt zu gütig, um dieſer Verſtimmung nicht Herr zu werden, und treffen wirs nur einigermaßen leidlich, ſo müſſen wir uns aus eben dieſem Zu¬ ſammentreffen auch noch einen beſonderen Vorteil zu ziehen wiſſen. Denn das eigne Glück, das er erwartet, wird ihn nur noch geneigter machen als ſonſt, das getrübte Glück andrer wieder herzuſtellen. Ich kenn ihn ganz in ſeinem Rechtsgefühl und in der Güte ſeines Herzens. Und ſo geh ich denn, meine teure Frau, Sie bei dem Könige zu melden.“ Er hielt aber plötzlich wie nachdenkend inne, wandte ſich noch einmal wieder und ſetzte hinzu: „Irr ich nicht, ſo hat er ſich eben in den Park begeben. Ich kenne ſeinen Lieblingsplatz. Laſſen Sie mich alſo ſehen. In wenig Minuten bring ich Ihnen Antwort,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/203
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/203>, abgerufen am 07.05.2024.