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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Du Deinem Verdacht und Deiner Verstimmung gegen
ihn mehr nachgegeben hast, als recht und billig war."

Aber Frau von Carayon wollte sich nicht um¬
stimmen lassen.

"Ich kannt ihn schon, als Du noch ein Kind
warst. Nur zur gut. Er ist eitel und hochfahrend,
und die prinzlichen Höfe haben ihn vollends über¬
schraubt. Er verfällt mehr und mehr ins Ridiküle.
Glaube mir, er will Einfluß haben und zieht sich im
Stillen irgend einen politischen oder gar staats¬
männischen Ehrgeiz groß. Was mich aber am meisten
verdrießt, ist das, er hat sich auch plötzlich auf seinen
Obotritenadel besonnen, und fängt an sein Schach¬
oder Schachentum für etwas ganz Besondres in der
Weltgeschichte zu halten."

"Und thut damit nicht mehr, als was alle thun..
Und die Schachs sind doch wirklich eine alte Familie."

"Daran mag er denken und das Pfauenrad
schlagen, wenn er über seinen Wuthnower Hühnerhof
hingeht. Und solche Hühnerhöfe giebt es hier überall.
Aber was soll uns das? Oder zum wenigsten was
soll es Dir? An mir hätt er vorbeistolzieren und
der bürgerlichen Generalpächterstochter, der kleinen
Roturiere, den Rücken kehren können. Aber Du
Victoire, Du; Du bist nicht blos meine Tochter, Du
bist auch Deines Vaters Tochter, Du bist eine
Carayon!

Du Deinem Verdacht und Deiner Verſtimmung gegen
ihn mehr nachgegeben haſt, als recht und billig war.“

Aber Frau von Carayon wollte ſich nicht um¬
ſtimmen laſſen.

„Ich kannt ihn ſchon, als Du noch ein Kind
warſt. Nur zur gut. Er iſt eitel und hochfahrend,
und die prinzlichen Höfe haben ihn vollends über¬
ſchraubt. Er verfällt mehr und mehr ins Ridiküle.
Glaube mir, er will Einfluß haben und zieht ſich im
Stillen irgend einen politiſchen oder gar ſtaats¬
männiſchen Ehrgeiz groß. Was mich aber am meiſten
verdrießt, iſt das, er hat ſich auch plötzlich auf ſeinen
Obotritenadel beſonnen, und fängt an ſein Schach¬
oder Schachentum für etwas ganz Beſondres in der
Weltgeſchichte zu halten.“

„Und thut damit nicht mehr, als was alle thun..
Und die Schachs ſind doch wirklich eine alte Familie.“

„Daran mag er denken und das Pfauenrad
ſchlagen, wenn er über ſeinen Wuthnower Hühnerhof
hingeht. Und ſolche Hühnerhöfe giebt es hier überall.
Aber was ſoll uns das? Oder zum wenigſten was
ſoll es Dir? An mir hätt er vorbeiſtolzieren und
der bürgerlichen Generalpächterstochter, der kleinen
Roturière, den Rücken kehren können. Aber Du
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[175/0187] Du Deinem Verdacht und Deiner Verſtimmung gegen ihn mehr nachgegeben haſt, als recht und billig war.“ Aber Frau von Carayon wollte ſich nicht um¬ ſtimmen laſſen. „Ich kannt ihn ſchon, als Du noch ein Kind warſt. Nur zur gut. Er iſt eitel und hochfahrend, und die prinzlichen Höfe haben ihn vollends über¬ ſchraubt. Er verfällt mehr und mehr ins Ridiküle. Glaube mir, er will Einfluß haben und zieht ſich im Stillen irgend einen politiſchen oder gar ſtaats¬ männiſchen Ehrgeiz groß. Was mich aber am meiſten verdrießt, iſt das, er hat ſich auch plötzlich auf ſeinen Obotritenadel beſonnen, und fängt an ſein Schach¬ oder Schachentum für etwas ganz Beſondres in der Weltgeſchichte zu halten.“ „Und thut damit nicht mehr, als was alle thun.. Und die Schachs ſind doch wirklich eine alte Familie.“ „Daran mag er denken und das Pfauenrad ſchlagen, wenn er über ſeinen Wuthnower Hühnerhof hingeht. Und ſolche Hühnerhöfe giebt es hier überall. Aber was ſoll uns das? Oder zum wenigſten was ſoll es Dir? An mir hätt er vorbeiſtolzieren und der bürgerlichen Generalpächterstochter, der kleinen Roturière, den Rücken kehren können. Aber Du Victoire, Du; Du biſt nicht blos meine Tochter, Du biſt auch Deines Vaters Tochter, Du biſt eine Carayon!

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/187>, abgerufen am 02.05.2024.